Performance von Phil Hayes im Südpol

«Work» – Das ist doch keine Arbeit!

In Phil Hayes' neuster Performance ist die Belastung im heutigen Arbeitsalltag spürbar.

(Bild: Nik Spoerri)

«Work» heisst die neuste Performance von Phil Hayes, die im Südpol aufgeführt wird. Darin wird gearbeitet wie wahnsinnig, ohne dass dabei etwas passiert. Und erstaunlicherweise macht das richtig viel Sinn. Und regt zum Nachdenken an.

Im Südpol zeigt Phil Hayes seine neuste Performance über die zeitgenössische Form der Arbeit. Der britisch-schweizerische Schauspieler, Theaterregisseur und Musiker ist nicht zum ersten Mal im Südpol zu Besuch. Bekannt ist er einem grösseren Publikum als «Peter Tate» aus der Sendung Giacobbo/Müller.

Auf der Bühne, einem spartanisch eingerichteten Büroraum mit sechs Arbeitsplätzen, arbeiten drei Frauen und drei Männer. Auf Deutsch, Französisch und Englisch wird gesprochen und gesungen. Es gibt keine Computer, bloss Telefone, die klingeln, Handys, die piepsen, Papier und Post-its, die von Tisch zu Tisch wandern.

Aus dem Fenster blickt man auf den Hauptbahnhof Zürich – die Videoprojektion wird im Hintergrund der Kulisse abgespielt. Es wird zwei Mal Nacht und wieder Morgen.

Gedämpfte Welt

Die Bürolisten unterhalten sich leise, wenn sie sich im Raum treffen und sich mit Fragen oder Informationen zueinander an die Tische stellen. So leise, dass man im Publikum nur Satzfetzen und einzelne Worte versteht. Es lässt sich kaum ein Reim daraus machen. Nur wenn sie in die Telefone sprechen, sind die Sätze verständlich.

Trotzdem bleibt bis zum Schluss unklar, welcher Arbeit die sechs Angestellten überhaupt nachgehen. Alle sind dauerbeschäftigt, unheimlich wichtig – und doch: Es passiert eigentlich nichts.

Blicke werden ausgetauscht, verschwörerisch wird getuschelt, anständig gegrüsst und selten gelächelt. Die Stimmung ist beinahe durchgehend leicht angespannt. Eine ständige Unsicherheit, ein dauerndes Überspielen derselben, ständiges gegenseitiges Konsultieren.

Selten unterbrechen private Anrufe die sonst so steife und antrainiert seriöse Körperlichkeit. Kurze Sympathiebekundungen, eine gedämpfte Streitigkeit, eine unhörbare, kurze Ansprache und eine geplante Präsentation mit Flipchart gaukeln dem Zuschauer vor, dass sich jetzt etwas tut, dass jetzt eine Handlung, etwas Greifbares auf die Bühne kommt. Doch nichts da.

Weiter im unverständlichen Text

Es wird geflissentlich weiterverbunden, entschuldigend vertröstet, es wird genervt abgewimmelt und dauerbeschäftigt werden gegenseitig Erkundigungen eingeholt. Es sind immer dieselben Anrufe, immer dieselben Floskeln, die in die Telefone tönen. Niemand kann helfen, niemand ist zuständig. An einem Tag scheint sich die Stimmung zu heben, es geht geschäftiger zu und die Kleidung wird legerer. Doch schnell scheint alles beim Alten.

Immer wieder steht im Raum, wie unbefriedigend diese Arbeit doch sein muss. Und am Ende des Tages stellt sich die Frage: Was hat man gemacht, erreicht, was ist das Produkt der investierten Zeit?

«Work» – In der Bürogemeinschaft ist die Laune selten so rosig.

«Work» – In der Bürogemeinschaft ist die Laune selten so rosig.

(Bild: Nik Spoerri)

Beobachten wird zum Inhalt

90er-Jahre-Fernseh-Hintergrundmusik wechselt sich ab mit kompletter Stille und fünf eingestreuten Songs, in welchen die Figuren ihre Gefühle formulieren. «Let me go, hold me close», «In meinem Kopf ist es laut», «Ne le parle pas, ne demande pas». Die Schauspieler singen, während die Telefonate und die Gespräche zwischen den Mitarbeitern weiterlaufen, mehr recht als gut.

Doch abgesehen vom deutschen Song, den man vielleicht einfach zu gut versteht, tut das den solistischen «Szenen» keinen Abbruch. Die gesanglichen Unsicherheiten passen zur Grundstimmung.

Der kleine Lichtblick zum Schluss, das Lächeln über die tatsächlich gelöste «Angelegenheit» eines Kunden am Telefon, freut zwar. Doch es bleibt das Gefühl, dass ein Grossteil der Menschen in unserer westlichen, so unheimlich zivilisierten Welt einer lächerlich unproduktiven Ganztagesbeschäftigung nachgeht.

Überraschend ist zum Ende vor allem, dass man in 80 Minuten Beobachten «sinnloser» Arbeit keine Langeweile spürt. Man beobachtet und versucht, Beziehungen und Charaktere zu bestimmen, Arbeitsschritte oder Funktionen, man erkennt sich in Bürostunden, in Telefonaten, und vor allem erkennt man die Momente, in welchen man sich am anderen Ende der Strippe befindet. Etwas Verständnis für Hotline-Mitarbeiter kommt auf.

Noch überraschender ist die Auskunft der Spieler nach der Aufführung, dass sie jeden Abend grösstenteils improvisieren. Dass sie gemeinschaftlich immer neue Aufgaben lösen müssen, die Hayes ihnen gibt. Und dass er sie ständig mit Anrufen auf Trab hält.

 

Am Donnerstag, 29. März, findet die zweite Vorstellung im Südpol statt.

(Bild: Nik Spoerri)

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