«Radical Hope No2» im Südpol

Tanzkunst oder Tanz als Kunst? Fragen über Fragen

Die Kostüme erinnern an Würmer.

(Bild: Roberto Conciatori)

Am Mittwoch Abend feierten Beatrice Fleischlin & ihre Bande mit der Tanzperformance «Radical Hope No2» Premiere im Südpol in Kriens. Erwartungen, die an eine übliche Tanzvorstellung geknüpft sind, werden an diesem Abend nicht erfüllt. Vielmehr ist es der Kunstcharakter, der ins Auge sticht.

Vor vollbesetzten Sitzreihen und einem leger gekleideten, locker und offen erscheinenden Publikum tritt das Ensemble von «Radical Hope No2» in Erscheinung. Im Saal des Südpol ist es dunkel. Einzig ein an ein UFO erinnerndes Deckenlicht beleuchtet die Szene. Vorne links auf der Bühne ist ein vogelnestartiger Aufbau zu sehen, während hinten rechts eine Art brauner Klumpen erkennbar ist.

Auf den ersten Blick ist nicht klar, was es ist. Erst auf den zweiten Blick erkennt man, dass es sich nicht um ein Stück Requisite handelt. Es sind Tänzer der kleinen Truppe, die in dem Stück performen. Zum eintönig pulsierenden «Wrumm Wrumm» der Begleitmusik beginnen sie sich rhythmisch mittels raupenartigen Bewegungen fortzubewegen oder schwingen hin und her wie das Pendel einer Wanduhr.

Etwas für die Philosophen unter uns

«Radical Hope» ist auf jeden Fall etwas für den Kunstliebhaber, der gerne über schwer Verständliches nachdenkt und über Sinn und Unsinn des Lebens sinniert. Geht es darum, dass das Leben ein Prozess ist und alles in steter Wandlung? Möchte man hier die Metamorphose von der Raupe zum Schmetterling nachstellen? Geht es darum auszudrücken, dass jeder für sich alleine seinen Weg gehen muss und dass alle Gemeinsamkeit letztlich lediglich die bittersüsse Illusion eines hoffnungslosen Idealisten ist? Eine Reihe von Fragen nach der tieferen Bedeutung des Stücks kommen auf. Was genau wollen die Tänzer uns mit ihren Bewegungen und Kostümen sagen?

Teils erinnert das Stück mehr an Performancekunst als an Tanz an sich. Die Kostüme der Künstler sehen aus wie umgenähte Schlafsäcke, meist bewegen sie sich wurmartig am Boden fort oder stehen still, so dass das Ganze oft mehr an ein inszeniertes Gemälde als an Tanzkunst erinnert. Einzig ein paar wenige Soloeinlagen der Künstler zeigen, dass hier doch Einiges an tänzerischem Können vorhanden ist.

Performance oder Tanz? «Radical Hope No2» lässt die Grenzen verschwimmen.

Performance oder Tanz? «Radical Hope No2» lässt die Grenzen verschwimmen.

(Bild: Roberto Conciatori)

Rätselhaft

Es gibt nebst dem eintönigen Sound auch abrupte Wechsel zu lebhafter afrikanisch anmutender Musik. Dazu wird wild getanzt, doch ein abermaliger abrupter Wechsel lässt nicht lange auf sich warten und man findet sich wieder als Betrachter von raupenartigen Bewegungen. Irgendeine tiefere Bedeutung findet sich bestimmt in dem Stück. Das steht ausser Frage. Nur was genau man damit ausdrücken will, ist für mich nicht klar geworden. Damit zu tun hat möglicherweise auch, dass mein Französisch ziemlich eingerostet ist und ich die anderen Sprachen, die gesprochen wurden, nicht erkannt und dementsprechend auch nicht verstanden habe. Bei den wenigen Gelegenheiten, bei denen gesprochen wurde, musste ich also passen.

L’art pour l’art

Für Otto Normalverbraucher ist «Radical Hope No2» eher schwer verständlich. Die sehr moderne Inszenierung von gesellschaftskritischen Gedanken trifft wohl eher den Geschmack des Kunstkenners als den eines nach einfacher Unterhaltung gelüstenden Theaterbesuchers, der schöne Körper, sich schön bewegend zu schöner Musik, sehen will. Wieder einmal muss man sich hier vom Credo «Kunst ist schön beziehungsweise Kunst soll schön sein» verabschieden. Ganz im Gegenteil ist es hier der Mut zur Hässlichkeit und die Liebe zur Kunst, mit denen über diese Annahme wohl triumphiert werden soll.

Donnerstag und Freitag jeweils um 20 Uhr hat man noch einmal die Gelegenheit, sich die Tanzperformance «Radical Hope No2» im Südpol anzuschauen.

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