Stadt Luzern führt das Öffentlichkeitsprinzip ein

Welche Dokumente auch zukünftig keiner sehen darf

Bereits angefertigte Dokumente werden in der Stadt Luzern voraussichtlich vom Öffentlichkeitsprinzip ausgeschlossen. (Symbolbild: Emanuel Ammon/AURA)

Paradigmenwechsel im Luzerner Stadthaus: Die Verwaltung führt das Öffentlichkeitsprinzip ein. Amtliche Dokumente werden künftig zugänglich gemacht. Damit man keinen toten Paragraphen kreiert, will die Stadt klare Regeln schaffen. Doch bereits jetzt ist klar, dass manch Interessantes nicht ans Licht der Öffentlichkeit kommen dürfte.

Schluss mit der vermeintlichen Geheimniskrämerei: Die Luzerner Stadtverwaltung wird transparenter. Wer einen Bericht oder ein amtliches Dokument will, soll das bald dürfen. Anfang Februar hat das Stadtparlament beschlossen, das Öffentlichkeitsprinzip einzuführen – nicht zuletzt auch aufgrund der Aufregung um geheime Gutachten im Zusammenhang mit dem Parking Musegg (zentralplus berichtete).

Die städtischen Dokumente werden zukünftig öffentlich, sofern keine überwiegenden Interessen dagegensprechen. Für die Bürger heisst das: Wer Informationen aus der Verwaltung will, kann ein entsprechendes Gesuch stellen, um Einblick zu erhalten. Damit will die Stadt Transparenz schaffen.

Wie muss eine taugliche Praxis aussehen?

Dieser Grundsatz ist inzwischen vielerorts unbestritten. Beim Bund gilt er seit zwölf Jahren, bei einigen Kantonen gar seit über 20 Jahren. Nur wenige Stände haben das Öffentlichkeitsprinzip noch nicht eingeführt, der grösste davon ist Luzern. Nichtsdestotrotz haben die Gemeinden Kriens und Ebikon auf eigene Faust bereits vor zehn Jahren ihre Aktenschränke geöffnet und positive Erfahrungen gemacht (zentralplus berichtete).

Nicht immer verläuft es aber reibungslos. Oft steht die Verwaltung in der Kritik, wenn sie sich weigert, Dokumente herauszugeben oder horrende Gebühren dafür verlangt. Auch im Kanton Zug, wo das Öffentlichkeitsprinzip seit 2014 gilt, herrschte am Anfang teilweise Willkür (zentralplus berichtete).

Da stellt sich die Frage: Was braucht es in der Stadt Luzern, damit das Öffentlichkeitsprinzip tatsächlich für Transparenz sorgt – und nicht eine Alibi-Übung bleibt? «Wichtig ist der Wille der Verwaltungsspitze, das Bedürfnis nach Transparenz ernst zu nehmen anstatt die Opposition zu suchen», sagt Martin Stoll. Er ist Journalist und Geschäftsführer des Vereins Öffentlichkeitsgesetz.ch, der sich für den ungehinderten Zugang zu amtlichen Dokumenten einsetzt. Gerade in Luzern, wo die Politik entschieden habe, der Verwaltung dieses neue System «aufzubrummen», sei das essentiell. Die Verwaltung dürfe nicht mit schlechten Argumenten die Transparenz verhindern und den Einblick in Dokumente verhindern, sagt Martin Stoll. «Sonst kann es extrem mühsam und aufwändig werden.»

«Die Angestellten sollten wissen, welche Dokumente sie herausgeben und bei welchen sie zurückhaltend sein müssen.»

Martin Stoll, Geschäftsführer Verein Öffentlichkeitsgesetz.ch

Dazu brauche es eine entsprechende Ausbildung des Personals. «Die Angestellten sollten wissen, welche Dokumente sie herausgeben und bei welchen sie zurückhaltend sein müssen.» Ideal ist laut Stoll zudem eine Kompetenzstelle innerhalb der Verwaltung. «Eine solche Schlichtungsstelle kann bei Konflikten vermitteln und helfen, im Gespräch eine Lösung zu finden, anstatt sich in einem teuren und aufwändigen Verfahren vor dem Richter wiederzusehen.»

Auch wenn das aufwändig tönt: Dazu braucht es laut Stoll keine Aufstockung des Personals. Der Kanton Zug habe das ganz einfach gelöst, indem zwei Personen beim Rechtsdienst mit dieser zusätzlichen Aufgabe betraut wurden. Weil sich die Zahl der Gesuche im überschaubaren Rahmen bewege, sei das gut zu bewältigen.

Wo der Aktenschrank verschlossen bleibt

Ob die Stadt eine solche Anlaufstelle schafft, steht noch nicht fest. «Wir stehen noch ganz am Anfang der Umsetzung», sagt der stellvertretende Stadtschreiber Daniel Egli. Was die Behandlung der Gesuche und die Schulung des Personals betrifft, werde man sich bei den Städten kundig machen, die das Öffentlichkeitsprinzip schon eingeführt haben. Egli bringt aber kurz und knapp auf den Punkt, was es braucht, damit die Stadt nicht nur einen toten Paragraphen schafft: «Klare Regeln und ein einfaches Zugangsverfahren.»

Wie das im Detail aussieht, wird sich in den nächsten zwei Jahren zeigen. Solange hat der Stadtrat Zeit, um eine Vorlage zu erarbeiten. «Es besteht zurzeit noch kein detaillierter Zeitplan», sagt Daniel Egli. Entsprechend ist auch noch offen, ab wann die gläserne Verwaltung in der Stadt Luzern Tatsache wird.

Bereits skizziert sind allerdings die Eckpunkte der Umsetzung. Und da wird klar, dass man auch zukünftig nicht einfach ins Stadthaus spazieren kann, um x-beliebige Akten zu studieren. Denn es sind einige Einschränkungen vorgesehen. So bleibt es beispielsweise weiterhin Geheimsache, was die parlamentarischen Kommissionen verhandeln. Ihre Sitzungen sollen nicht öffentlich werden. So ist es auch auf Bundesebene geregelt.

«Nachdem bereits zwei Drittel der Kantone das Öffentlichkeitsprinzip eingeführt haben, dürfte dies auch in Luzern früher oder später der Fall sein.»

Daniel Egli, stellvertretender Stadtschreiber

Komplizierter wird es bei den Verhandlungen des Stadtrates, der unter Ausschluss der Öffentlichkeit verhandelt. «Beschlüsse des Stadtrates können allerdings grundsätzlich für öffentlich erklärt werden; jedenfalls soweit das kantonale Recht dies zulässt», sagt Daniel Egli. Doch was das konkret heisst, bleibt zurzeit noch recht diffus. «Das wird die konkrete Ausgestaltung des Öffentlichkeitsprinzips zeigen.»

Vorgesehen ist zudem, dass alle Dokumente, die in der Vergangenheit angefertigt wurden, unter Verschluss bleiben. Das Öffentlichkeitsprinzip soll nicht rückwirkend angewandt werden. Heisst: Wer beispielsweise eine Auflistung der letztjährigen Reisespesen des Stadtrates oder den Vertrag der Stadt mit der Swissporarena oder dem Verein Netzwerk Neubad verlangt, dürfte wohl abgewiesen werden. Damit will man die Auswirkungen beim Start geringer halten. «Ich kann mir vorstellen, dass es in einer ersten Phase der Einführung des Öffentlichkeitsprinzips etliche Einsichtsgesuche geben wird», sagt Egli. Er verweist auf diese Begründung im Entwurf des Regierungsrates von 2015, an dem sich die Stadt orientiert.

Ausnahmen sind üblich

Nach Lust und Laune Einblick in die Amtsstube erhalten die Stadtluzerner also nicht. Dass die Behörden Ausnahmen definieren, ist laut Martin Stoll aber normal. «Die Verwaltung muss nicht alles sofort herausgeben, es gibt Schutzzonen, damit sie nach wie vor funktionieren kann.» So ist es beispielsweise üblich, Namen von Privatpersonen oder Berufsgeheimnisse in Dokumenten zu anonymisieren. Trotzdem fände Stoll es konsequenter, wenn die Stadt Luzern das Öffentlichkeitsprinzip rückwirkend anwenden würde.

Konsequent wäre es laut Stoll zudem, wenn der Kanton Luzern nachziehen würde. Die Debatte wird durch eine Motion im Kantonsrat neu angefacht (siehe Box unten). «Es ist absurd, dass sich der Kanton Luzern immer noch dagegen sperrt.» Für Martin Stoll ist klar: «Über kurz oder lang führt kein Weg an diesem Paradigmenwechsel vorbei.» Ähnlich äussert sich auch der stellvertretende Luzerner Stadtschreiber Daniel Egli: «Nachdem der Bund und bereits zwei Drittel der Kantone das Öffentlichkeitsprinzip eingeführt haben, dürfte dies auch im Kanton Luzern früher oder später der Fall sein.»

Kippt nun der erste Dominostein?

Die Stadt Luzern führt das Öffentlichkeitsprinzip ein – nicht ohne Seitenhieb an den Kanton. Denn ohne ihn und ohne weitere Gemeinden könne das System nicht wirklich überzeugend umgesetzt werden, hielt der Stadtrat Anfang Februar fest. Der Kantonsrat lehnte es im Herbst 2015 aus Spargründen ab, überhaupt erst über das Öffentlichkeitsprinzip zu diskutieren (zentralplus berichtete). Doch aufgrund einer Motion der SP-Kantonsrätin Sara Agner wird das Thema wieder aufs politische Parkett gehievt. Die Dagmersellerin argumentiert unter anderem damit, dass die Transparenz das zuletzt verlorene Vertrauen in die Kantonspolitik stärken könnte (zentralplus berichtete).

Die Stadt ihrerseits hofft, mit ihrem Vorpreschen ein Signal auszusenden. Bislang wisse man aber von keiner Gemeinde, die nachzieht, sagt der stellvertretende Stadtschreiber Daniel Egli.

Emmen und Horw sind nicht abgeneigt

In Emmen, der zweitgrössten Gemeinde des Kantons, sieht man zurzeit keinen Bedarf für einen Systemwechsel. «Der Gemeinderat verfolgt die politischen und medialen Forderungen nach Einführung des Öffentlichkeitsprinzips interessiert», sagt der Kommunikationsbeauftragte Nikola Janevski. Allerdings stelle Emmen im Alltag «kein erhebliches und aktuelles Interesse der Bevölkerung für das Öffentlichkeitsprinzip fest».

Auch, weil sich die bisherige Praxis bewährt habe. Diese gewährt Bürgern Einsicht in Akten, sofern ein nachweisliches Interesse besteht, das nicht von Amtes oder Gesetzes wegen durch übergeordnete private oder öffentliche Interessen überwogen wird. Das wäre zum Beispiel bei Akten der Sozialhilfe der Fall.

Offen zeigt sich die Gemeinde Horw. Dort war das Öffentlichkeitsprinzip anlässlich der letzten Revision der Gemeindeordnung ein Thema. «Seither hat es in der Gemeinde an Aktualität verloren», sagt die stellvertretende Gemeindeschreiberin Irene Arnold. Es sei indes denkbar, dass das Thema bei der nächsten Revision der Gemeindeordnung wieder zur Diskussion stehe.

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