Kriens und Ebikon machen positive Erfahrungen

Öffentlichkeitsprinzip: «Der Aufwand ist überschaubar»

Grundsätzlich öffentlich: Der Stadtrat will die Verwaltung transparenter machen.

 

(Bild: Emanuel Ammon/AURA)

Luzern ist schweizweit der grösste Kanton ohne Öffentlichkeitsprinzip. Nun will die Stadt Luzern auf eigene Faust vorangehen. Doch es gibt im Kanton bereits zwei Gemeinden, die seit Jahren für Transparenz sorgen. Einblick in Akten verlangen dort aber nur wenige Bürger.

In den Amtsstuben des Landes ist ein Wandel im Gange. Ursprünglich ein Inbegriff des stillen Kämmerleins verpflichten sich immer mehr Verwaltungen zu Transparenz. Ein schwarzer Fleck auf dieser Karte bildet bislang der Kanton Luzern (siehe Grafik unten). Der letzte Versuch, das zu ändern, scheiterte im November 2015 im Kantonsrat. Nun wird die Tür wieder aufgestossen: SP-Kantonsrätin Sara Agner hat eine Motion eingereicht, um die nötigen Grundlagen zu schaffen. Die Dagmersellerin argumentiert auch damit, dass die Transparenz das zuletzt verlorene Vertrauen in die Kantonspolitik stärken könnte (zentralplus berichtete).

Auf den Kanton warten, das mag die Stadt Luzern nicht mehr. Sie hat beschlossen, das Öffentlichkeitsprinzip auf eigene Faust einzuführen (zentralplus berichtete). Dieses legt fest, dass amtliche Dokumente grundsätzlich öffentlich sind und Bürger ein Gesuch stellen können, um Einsicht zu verlangen (siehe Box).

Obwohl die Stadt nun vorprescht: Pioniere im Luzernischen sind zwei andere Gemeinden. Kriens und Ebikon kennen das Öffentlichkeitsprinzip bereits seit zehn Jahren. Doch vielen Bürgerinnen dürfte das kaum bekannt sein.

Acht Gesuche in zehn Jahren

Diesen Schluss legt jedenfalls die geringe Nachfrage nahe. In Kriens sind in den zehn Jahren seit der Einführung nur gerade acht Gesuche gestellt worden, wobei die meisten Bauakten betrafen. In Ebikon war es sogar nur ein Gesuch.

«Unsere aktive und offene Kommunikation trägt viel zur Transparenz bei.»

Alex Mathis, Geschäftsführer Ebikon

Über die Gründe für das fehlende Interesse können die beiden Gemeinden nur spekulieren. «Es ist vielleicht zu wenig bekannt, dass Kriens das Öffentlichkeitsprinzip kennt», sagt der Krienser Gemeindeschreiber Guido Solari. Das hängt seiner Meinung nach auch damit zusammen, dass der Kanton und fast alle Gemeinden das Instrument nicht anbieten. «Hätte der Kanton das Öffentlichkeitsprinzip eingeführt, wäre es sicher anders verlaufen.» Aktiv bewerben oder die Bürger gar an einem Anlass über ihre Möglichkeiten zur Einsichtnahme informieren, das macht aber auch Kriens nicht.

Solari sieht aber auch noch einen weiteren Grund. «Da wir auf allen Kanälen sehr aktiv informieren, besteht womöglich weniger Bedarf für zusätzliche Anfragen.» Ähnlich klingt es in Ebikon. «Unsere aktive und offene Kommunikation trägt viel zur Transparenz bei», sagt Geschäftsführer Alex Mathis.

«Es kann auch ein Zeichen sein für eine nicht gerade lebhafte und kontroverse Diskussionskultur in der Gemeinde.»

Martin Stoll, Geschäftsführer Verein Öffentlichkeitsgesetz.ch

Kostenargument zielt ins Leere

Für Martin Stoll, Geschäftsführer des Vereins Öffentlichkeitsgesetz.ch, ist das eine mögliche Erklärung. «Es ist denkbar, dass die Bürger mit der Information der Gemeinde zufrieden sind und Vertrauen haben in die Verwaltung.» Er bringt aber auch eine zweite Interpretation ins Spiel. «Es kann auch ein Zeichen sein für eine nicht gerade lebhafte und kontroverse Diskussionskultur in der Gemeinde.»

Transparenz vor Geheimhaltung

Das Öffentlichkeitsprinzip bezeichnet den Grundsatz, die Entscheide und Dokumente der Verwaltung transparent zu machen. Das im Unterschied zum Geheimhaltungsprinzip, das lange in den Schweizer Amtsstuben praktiziert wurde. Der Bund kennt seit 2006 ein Öffentlichkeitsgesetz, das es jedem erlaubt, Einblick in Dokumente zu verlangen. Inzwischen haben über zwei Drittel der Kantone den Systemwechsel vollzogen. Luzern ist der grösste Kanton, der noch auf Geheimhaltung pocht.

So oder so veranschaulichen die Zahlen gemäss Stoll, dass eine oft geäusserte Befürchtung der Behörden ins Leere zielt: die Kosten. «Es zeigt sich, dass die Verwaltungen entgegen ihrer Sorge nicht von Anfragen überflutet werden.» Solche Ängste werden oft laut, wenn es um die Einführung des Öffentlichkeitsprinzips geht. So hat auch der Luzerner Kantonsrat die entsprechende Debatte im Herbst 2015 abgeklemmt, weil er hohe, unberechenbare Kosten sowie eine aufgeblähte Bürokratie erwartete (zentralplus berichtete).

Für Martin Stoll ist das geringe Interesse denn auch kein Indiz dafür, dass das Öffentlichkeitsprinzip unnötig ist. Er vergleicht es mit einer Versicherung: Sie ist da, wenn sie jemand braucht. Denn auch wenn eine Gemeinde hunderte Medienmitteilungen verschickt: «Wenn die Verwaltung bestimmt, wann, was und wie viel sie preisgibt, kann das dem Bürger ein schlechtes Gefühl vermitteln.»

Deshalb sei das Öffentlichkeitsprinzip auch ein Zeichen der Behörden, dass man die Bevölkerung ernst nimmt. «Wer das Bedürfnis hat, sich vertiefter zu informieren, soll nicht ohnmächtig zurückgelassen werden.» Aber auch die Verwaltung erhalte damit das Recht, sich beispielsweise bei einer Krise zu erklären und Dokumente herauszugeben.

Gemeinden stehen dahinter

Den Nutzen des transparenten Systems würdigen auch die Gemeinden Kriens und Ebikon. «Die Bürger können dadurch ihr Anrecht auf Information zur Geltung bringen», sagt Ebikons Geschäftsführer Alex Mathis. Zurück zum Geheimhaltungsprinzip wollen daher weder Ebikon noch Kriens. Beide bestätigen zudem Stolls Aussagen zu den Folgekosten. «Der Aufwand ist überschaubar», sagen Guido Solari und Alex Mathis unisono. Sogar die Gemeinde Kriens, die mehr Gesuche bearbeitet hat, musste dafür weder zusätzliche Stellen schaffen noch Kosten aufwenden. 

«Man kann nicht für Transparenz plädieren, aber mit exorbitanten Gebühren dafür sorgen, dass es nicht attraktiv ist, Einsicht zu verlangen.»

Guido Solari, Gemeindeschreiber Kriens

Grundsätzlich können die Gemeinden ihre Arbeit dem Gesuchsteller verrechnen. «Soweit mir bekannt ist, hat die Gemeinde noch nie Gebühren verrechnet», sagt Guido Solari. In Kriens gilt der Grundsatz, dass die erste Viertelstunde gratis ist. «Man kann ja nicht auf der einen Seite für Transparenz plädieren, aber auf der anderen Seite mit exorbitanten Gebühren dafür sorgen, dass es nicht attraktiv ist, Einsicht zu verlangen.» 

Ähnlich verhält es sich in Ebikon. Allerdings ist gar nicht explizit geregelt, wie hoch die Gebühren ausfallen könnten. Das entsprechende Datenschutzreglement wird laut Mathis zurzeit überarbeitet. Dass die Gebührentarife erst nach zehn Jahren geregelt werden, zeigt, wie stark das Öffentlichkeitsprinzip noch in den Kinderschuhen steckt.

 

Die meisten Kantone haben das Öffentlichkeitsprinzip in den letzten knapp 20 Jahren eingeführt. Luzern bildet mit Ob- und Nidwalden, Thurgau, Glarus und Appenzell Innerhoden die Ausnahme. (Grafik: zentralplus)

Die meisten Kantone haben das Öffentlichkeitsprinzip in den letzten knapp 20 Jahren eingeführt. Luzern bildet mit Ob- und Nidwalden, Thurgau, Glarus und Appenzell Innerhoden die Ausnahme. (Grafik: zentralplus)

Das mag daran liegen, dass in Luzern der Kanton als Vorreiter fehlt. Doch sowohl Kriens als auch Ebikon betonen, dass dies für ihre Praxis keine Einschränkung bedeutet. Entsprechend neutral beurteilen sie die Frage, ob die kantonale Verwaltung nachziehen sollte. «Ob der Kanton das Öffentlichkeitsprinzip einführen will, muss die Politik beantworten», sagt Alex Mathis. Das sieht auch der Krienser Gemeindeschreiber so: «Wir stehen hinter diesem Instrument. Wenn andere das ebenfalls einführen, würde das der Sache dienen.»

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