Leserbrief von Dok-Filmer Edwin Beeler, Luzern

«Ohne die SRG wäre keiner meiner Filme zustande gekommen»

Ein Ausschnitt des stimmungsvollen Filmplakats von Edwin Beelers neustem Dokumentarfilm «Die weisse Arche». (Bild: zvg)

Edwin Beeler (60) aus Luzern fängt die Seele der Zentralschweiz mit der Kamera ein. Der in Rothenturm geborene Filmer und Historiker, der 2017 den Innerschweizer Filmpreis erhalten hat, sagt, warum für ihn und den Schweizer Film die Annahme der «No-Billag»-Initiative fatal wäre.

Eine wegweisende Abstimmung steht vor der Tür, eine Initiative, deren Titel in die Irre führt. Lassen Sie mich darauf hinweisen: ohne SRG wäre KEINER meiner frei realisierten Filme zustandekommen – weder «Bruder Klaus» noch «Gramper und Bosse», weder «Arme Seelen» noch «Die weisse Arche».
 
Da die SRG das Schweizer Filmschaffen massgeblich unterstützt, hätte die Annahme der «No-Billag-Initiative» zur Folge, dass Filme wie beispielsweise «Heidi», «Wätterschmöcker», «Die Wiesenberger», «Schellen-Ursli», «Die göttliche Ordnung», «Die Kinder vom Napf» oder «Z’Alp» nicht mehr gemacht werden und ins Kino kommen könnten. Hingegen würden ausländische Mainstreamfilme, die sowieso den Weg in die Kinosääle finden, mit mehr Kopien präsent. Es gäbe nichts Schweizerisches mehr, und auch hier würden einige tausend Arbeitsplätze vernichtet.

«Rumpf-SRG» ist Unsinn

Der Initiativtext verlangt eindeutig: Der Bund subventioniert keine Radio- und Fernsehstationen, er oder durch ihn beauftragte Dritte dürfen keine Empfangsgebühren erheben, er betreibt in Friedenszeiten keine eigenen Radio- und Fernsehstationen, und er versteigert regelmässig Konzessionen für Radio und Fernsehen.
 
Das heisst: ein Ja zu dieser Initiative würde das Ende der SRG und ihrer Radio- und Fernsehprogramme bedeuten. Auch etliche private Radio- und Fernsehstationen könnten dicht machen. Wer wider besseres Wissen etwas von einem «Plan B» faselt und meint, eine «Rumpf-SRG» könne irgendwie überleben, erzählt Unsinn oder bewusst die Unwahrheit und führt den eigenen Initiativtext (der bei Annahme in die Verfassung soll) ad absurdum.

«Massenentlassungsinitiative»

Eigentlich müsste diese Initiative, wie Willi Näf schreibt, als «Massenentlassungsinitiative» bezeichnet werden – weit über 10’000 Arbeitsplätze würden vernichtet, bei der SRG, den Zulieferbetrieben und freien Film-, Musik- und Fernsehprogramm-Machern, KMUs, auch bei Gewerbebetrieben (vermutlich ist auch die SDA, wo zurzeit viele Arbeitsplätze auf dem Spiel stehen, Lieferant der Radio- und Fernsehstationen der SRG und etlicher Privatsender).
 
Seltsam, dass ausgerechnet jene Kreise, die dieses Begehren unterstützen, bei anderen Abstimmungsvorlagen meistens das «Arbeitsplatz-Argument» anführen. Jetzt scheint ihnen völlig egal zu sein, wenn einige Tausend Leute aus allen Landesteilen und jeder Altersklasse ihre Existenz verlieren würden und auf staatliche Arbeitslosenunterstützung und Sozialleistungen angewiesen wären. Dazu passt, dass die Urheber dieser «Initiative» – offensichtlich eine «esoterische Kapitalistensekte» (Moritz Leuenberger im «journal.21») – möglichst ohne Staat leben wollen, für die Durchführung ihrer Initiative aber selbstverständlich die Leistungen dieses Staates beanspruchen. An staatlichen/öffentlichen Hochschulen absolvieren sie ihr Studium, in ihren weltfremden Elfenbeintürmen pauken sie das Wirtschaftsglaubensbekenntnis ihrer libertären Säulenheiligen (Hayek, Friedman und andere). An staatlichen Universitäten haben sie ihren Abschluss gemacht, auf Kosten der Allgemeinheit also, möchten aber umgekehrt selber nicht für etwas bezahlen, was sie angeblich gar nicht benutzen. Das ist zynischer Egoismus: «die Kosten sollen die anderen tragen, Hauptsache, ich profitiere als Privatperson».

Das Tessin den Italienern überlassen?

 Alles soll möglichst umsonst sein – gratis im Internet Musik hören/streamen/downloaden, gratis Filme gucken, täglich auf die Schnelle Gratiszeitungen konsumieren. Es kümmert sie nicht, dass damit den Urhebern oft beträchtlicher Schaden zugefügt wird. Es interessiert sie nicht, dass etliche Medieninhalte, die im Internet gratis verfügbar sind, auch dank der Beteiligung der SRG überhaupt erst produziert werden konnten. Und: eine Annahme dieser Vorlage würde die Urheberrechtsgesellschaft Suissimage ernsthaft gefährden.
 

«Eine hervorragende Persönlichkeit, die als Filmemacher mit einem fokussierten Blick auf die Besonderheiten und die Mystik, Innerschweizer Geschichten dokumentarisch erzählt», schreibt die Innerschweizer Kulturstiftung über Edwin Beeler.

Edwin Beeler, ausgezeichneter Filmemacher aus Luzern, publiziert bei zentralplus auch als Blogger.

(Bild: zVg)

 
Wer meint, Sendungen wie «SRF bi de Lüüt», «Samschtigjass», «Landfrauenküche», «Der Bestatter» und Übertragungen von eidgenössischen Schwing- und Älplerfesten oder renommierte Radiosendungen wie «Echo der Zeit» mit ihrem Korrespondentennetz könnten nach wie vor produziert werden, irrt. Wer meint, ein ausländischer Radiosender würde in die Bresche springen und volkstümliche Musik ausstrahlen wie die jetzt SRF «Musikwelle», liegt ebenfalls falsch. Unsere italienischsprechenden Landsleute im Tessin beispielsweise könnten ihre Muttersprache nur noch über italienische Sender konsumieren, vor allem über jene, die Medienmogul Berlusconi gehören. Was aber oben im kleinen Ticino passiert, interessiert unten im grossen Roma keine TV- und Radiostation. Und natürlich würde es keine privatwirtschaftlich rentable Möglichkeit für Sendungen in Rätoromanisch geben.

Es würde teurer, nicht billiger

Es ist auch falsch anzunehmen, dass Radio und TV im Falle einer Annahme der «No-Billag-Initiative» günstiger werden würden. Bei einem Anbieter aus der Privatwirtschaft zahlt man häufig mehr Jahresgebühren für ein Sportübertragungs-Abo. Ein mit dem Programm der SRG vergleichbares Angebot wäre pro Kopf viel teurer als die heute erhobene Abgabe. Wenn die Schweizer Sportler und Sportlerinnen des Jahres vor den Kameras Tennis spielen und Skirennen fahren, sollte dies auch von Schweizer Fernsehstationen übertragen werden können. Unsere kleinen Privatfernsehsender können sich dies nicht leisten, schon gar nicht bei einer allfälligen Annahme der «No-Billag-Initiative».
 
Hüten wir uns also davor, dass sich finanzkräftige Investoren und Multimilliardäre vom Schlage eines Rupert Murdoch oder Silvio Berlusconi den Medienmarkt Schweiz kaufen, denn nur Leute wie sie könnten bei der Versteigerung der Radio- und TV-Konzessionen mithalten. Und nur Privatsender wie Sat1 oder Vox können mit ihren Werbemitteln ein sogenanntes «Schweizer Fernsehfenster» stemmen. «Das Programmangebot in der Schweiz», so Moritz Leuenberger, «würde so aus dem Ausland gesteuert.»

Wehren wir uns für den Zusammenhalt unseres viersprachigen Landes

Aber wir wollen keine fremden Medienvögte. Wir wollen nicht nur noch ausländische Radio- und Fernsehsender in der Schweiz. Wir wollen keine schleichende Gehirnwäsche durch ein gleichgeschaltetes Medienmonopol einiger weniger politisierender Milliardäre à la Fox Broadcasting Company, wo sich niemand an eine Ombudsstelle wenden und wehren kann, der mit Fake-News fertiggemacht worden ist. Wehren wir uns für den Zusammenhalt unseres viersprachigen Landes, für eine vielfältige Berichterstattung in Sparten wie Sport, Musik, Kultur, Politik und Information, für eine freie, vielfältige Meinungsbildung und unabhängige Berichterstattung.
 
Ja zur Meinungsvielfalt und zur Demokratie – Nein zum Wolf im Schafspelz, Nein zu «No Billag», Nein zur Massenentlassungsinitiative.
 
Edwin Beeler, Luzern
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