Drei Generationen der Luzerner Guugge erzählen

Wie die «Vikinger» für Fasnachtsnachwuchs sorgen

Die «Vikinger» an der Fasnacht 1983.

(Bild: Heinz Pal)

Ihr elektrischer Sound ist unverkennbar. Vor allem junge Leute lieben sie dafür. Doch auch die innovativen «Vikinger» haben ganz traditionell angefangen. Während zu Beginn noch Märsche gespielt wurden, ist ihre alljährliche pompöse Rockshow heute nicht mehr wegzudenken.

Sie gehört zu den ältesten «Musigen» an der Luzerner Fasnacht. Aber nicht nur deshalb haben sie den «rüüdigen Tagen» ihren Stempel aufgedrückt.

Die 1960 gegründeten «Vikinger» sind Pioniere. «Samba statt Marsch». In etwa so lässt sich die Zeit ab den 1970er-Jahren beschreiben. Dass die Guuggenmusigen heute fast nur noch zu Rhythmus laufen, lässt sich auf die «Vikinger» zurückführen, die als Erste damit angefangen haben (zentralplus berichtete).

Die «Zai-Musig»

Begonnen hatte jedoch auch bei den «Vikingern» vieles traditionell. Märsche oder die Luzerner Fasnachtshymne «Sempacher» gehörten damals zum Repertoire. In den Beizen spielte man zusammen mit anderen Fasnächtlern «Haued de Chatz de Schwanz ab!».

Kurt Gfeller, ein Gründungsmitglied, erinnert sich. «Vikinger» war nicht der erste Name. Ende der 1950er-Jahre ging man unter dem Namen «Zai-Musig» auf die Gass. Da der Sohn des ehemaligen Bäckermeisters Zai am Grendel Mitglied der Guuggenmusig war, durften die späteren «Vikinger» die ersten zwei Jahre in der Backstube in der Neustadt proben.

130 Mitglieder

Die «Vikinger» waren und sind beliebt, für viele junge Leute sogar eine Art Stars an der Fasnacht. Der Zustrom an neuen Mitgliedern hielt schon seit der Gründung 1960 ständig an, war zeitweise gewaltig, wie Mitglied Heinz Pal erzählt. Pal stiess 1982 eher durch Zufall dazu. «Zwar waren nie alle zusammen unterwegs, aber wir waren zwischenzeitlich 130 Nasen», sagt er.

«Wir hatten bis jetzt nie Probleme, genügend Nachwuchs zu finden, wie dies bei anderen Musigen der Fall ist», so Heinz Pal. Viele andere Guuggenmusigen sind in den vergangenen Jahren auch deshalb verschwunden. So existieren bekannte Guuggen wie die «Tschäderi Bumm Musig», die «Rappe Dämone» oder «Virus» nicht mehr.

«Schwierigste Zeit»

So erfreulich die Attraktivität der «Vikinger» für junge Musiker zu sein scheint, genauso gibt es allerdings auch eine Kehrseite der Medaille.

«Heute ziehen die Leute einfach ein T-Shirt und blaue Hosen an und Feierabend.»

Kurt Gfeller, Gründungsmitglied der «Vikinger»

«Das war die schwierigste Zeit», sagt Gründungsmitglied Kurt Gfeller über die einst sehr vielen «Vikinger». Die grosse Zahl an Neumitgliedern habe immer wieder zu Konflikten geführt. «Die einen wollten, dass sie kommen, die anderen nicht», erzählt er.

Allerdings sei dies auch eine Zeit gewesen, in der die Kreativität kaum Grenzen kannte, so Gfeller. «Wir hatten damals die schönsten Masken und Kostüme aller Zeiten», kommt er ins Schwärmen. Das Sujet «Voodoo» ist ihm dabei besonders in Erinnerung geblieben.

Die Vikinger mit dem «Voodoo»-Sujet mit Masken von Frasi Müller.

Die Vikinger mit dem «Voodoo»-Sujet mit Masken von Frasi Müller.

(Bild: Heinz Pal)

Das sei heute aber leider etwas verloren gegangen. «Heute gibt es bei den ‹Vikingern› vielleicht noch ein paar interessante Kostüme. Den Rest interessiert es nicht mehr gross», moniert Gfeller. Die Mehrheit komme heute nur noch, um Musik zu machen, sagt er.

Ein Zeichen der Zeit? Kann sein. Kurt Gfeller glaubt, diese Entwicklung jedenfalls auch bei anderen Guuggenmusigen festzustellen. «Heute ziehen die Leute einfach ein T-Shirt und blaue Hosen an und Feierabend», zeigt er sich über die Entwicklungen der letzten Jahrzehnte etwas besorgt.

«Viele sind hauptsächlich wegen der Musik dabei»

Dass Gfeller damit nicht ganz falsch liegt, bestätigt «Vikinger»-Präsident Manu Stadelmann. Stadelmann gehört zur jüngsten Generation von Vikingern. «Ich habe den Eindruck, dass es bei den ‹Vikingern› eine Gruppe gibt, die vor allem wegen der Musik mitmacht, während die anderen vielleicht mehr Wert auf die Verkleidung legen», sagt er. 

«Es braucht aber Musiker wie auch traditionelle Fasnächtler, damit die Vikinger in dieser Form funktionieren.» Das eine ohne das andere würde nicht gehen. Die gegenseitige Akzeptanz zwischen diesen Gruppen mache die «Vikinger» aus. «Der gemeinsame Nenner ist diese spezielle ‹Vikinger›-Art, Fasnacht zu machen», so Stadelmann. 

Angefangen habe dies, als die «Vikinger« begannen, moderne Musik mit elektrischen Instrumenten zu spielen. Auch wenn der neue Sound eher durch Zufall entstanden sei, wie Heinz Pal erklärt.

So gab es beispielsweise schon mehrere Sänger, die jeweils ein Jahr mitgemacht, sich danach aber wieder anderen Projekten gewidmet haben. «Viele waren eigentlich keine wirklichen Fasnächtler. Gäbe es die ‹Vikinger› nicht, würden diese Leute wahrscheinlich nie an die Fasnacht gehen», so Gfeller und Pal unisono.

Von den Rhythmusgruppen zum DJ

«Die Fasnacht ist heute ein Abbild der Konsumgesellschaft», sagt Heinz Pal. Da heute alles zu jedem Zeitpunkt einfach verfügbar sei, gehe eine Form von Kreativität verloren. Sowohl beim Kostüm, wie auch bei der Musik.

«Während früher Unter der Egg oder auf dem Sternenplatz Dutzende von Fasnächtlern stundenlang auf irgendwelchen Kübeln wie im Delirium Rhythmen produziert haben, tanzt man heute einfach zu Konservenmusik», sagt Pal. Dabei sei es früher mindestens so abgegangen wie heute.

«Wenn die ‹Vikinger› nächstes Jahr nicht mehr unterwegs wären, würde ich wohl in die Skiferien fahren.»

Yamoja Adesina, Vorstandsmitglied

Auch die «Vikinger» stellen ihre Musikanlage in den frühen Morgenstunden regelmässig für DJs zur Verfügung. Meistens an der Theaterstrasse vor dem Restaurant «Ente».

Das Echo ist riesig. Das hauptsächlich junge Publikum tanzt bis früh in den Morgen hinein. Dies sei halt eine moderne Erscheinung und nichts grundlegend Schlechtes, so Präsi Manu Stadelmann. Es zeigt sich indes rasch, dass sich innerhalb der «Vikinger» die Geister daran scheiden, ob diese Entwicklung begrüssenswert ist oder nicht.

Ein Generationenprojekt

Dass sich die Vorstellung von Fasnacht über die letzten Jahre bei den Vikingern etwas gewandelt hat, hat auch mit einer anderen Spezialität der Fasnachtsmusig zu tun.

«Die ‹Vikinger› sind ein Generationenprojekt», sagt Heinz Pal. Die «Vikinger» haben sehr viele junge Leute und auch viele Kinder dabei. «Die Kinder waren nie nur ein Anhängsel», so Pal. Als «Vikinger» werde man quasi geboren.

Drei Generationen «Vikinger»: Kurt Gfeller, Yamoia Adesina, Heinz Pal mit Ehefrau Renate Goldschmidt und Präsi Manu Stadelmann (vlnr).

Drei Generationen «Vikinger»: Kurt Gfeller, Yamoia Adesina, Heinz Pal mit Ehefrau Renate Goldschmidt und Präsi Manu Stadelmann (vlnr).

(Bild: jal)

Auch Yamoia Adesina, deren Eltern seit geraumer Zeit mit der Fasnachtsmusig unterwegs sind, kam bereits als «Vikingerin» zur Welt, wie sie sagt. Die 24-Jährige ist dabei, seit sie laufen kann. Mittlerweile sogar im Vorstand. «Wir sind eine Familienmusik. Bei den ‹Vikingern› spielen Grosseltern mit ihren Enkeln zusammen», sagt sie.

Fasnacht = Vikinger

Eine andere «Musig» sei für sie nie infrage gekommen. Ähnliches höre sie auch von den meisten anderen Mitgliedern. «Wenn die ‹Vikinger› nächstes Jahr nicht mehr unterwegs wären, würde ich wohl in die Skiferien fahren», sagt sie lapidar. Fasnacht = Vikinger, lautet in etwa die Formel.

«Die Jungen sind mittlerweile unsere Chefs geworden», sagt Gründungsmitglied Kurt Gfeller. Entsprechend würden sich die «Vikinger» entwickeln, mit allem, was heute dazugehört. «Wenn wir eine normale Guuggenmusig wären, würde die Hälfte wohl nicht mehr mitmachen», ist er überzeugt.

«Powernight» als Lebenselixier

Die «Vikinger» präsentieren ihre elektrifizierte Musik seit Beginn der 1990er-Jahre unter dem Motto «Powernight» jedoch nicht mehr nur auf der Strasse, sondern bespielten schon verschiedene Konzerthäuser in und ausserhalb Luzerns.

«Ohne ‹Powernight› würden wir finanziell nur wenige Jahre durchkommen.»

Manu Bachmann, Präsident «Vikinger»

Während Jahren war man in der noch jungen Schüür zu Gast. Danach ging es über den «Schwanen» und den «Knast» ins Hotel Schweizerhof, wo auch heuer wieder die Post abgehen soll. Dieses Jahr tritt man gemeinsam mit dem Luzerner Musiker Henrik Belden auf.

Die «Powernight» ist für die «Vikinger» heute aber weit mehr als einfach ein toller Abend mit vollem Haus. «Ohne die ‹Powernight› würden wir finanziell nur wenige Jahre durchkommen. Wir müssten die Mitgliederbeiträge markant erhöhen.» Für viele würde dies wohl zu Schwierigkeiten führen, sagt Präsident Manu Stadelmann. Die Mitgliederbeiträge würden heute knapp reichen, um alle zu verpflegen.

Aber auch wenn der Anlass natürlich viele Junge anspricht, so ist man bemüht, den Mix des Publikums genau so zu gestalten, wie dies an der ganzen Fasnacht der Fall ist. «Wir haben Guuggenmusigen und viele Kleinformationen. So schaffen wir eine tolle Mischung zwischen ‹Vikinger›-Sound und der traditionellen Fasnacht. Dies funktioniert seit Jahren sehr gut», so Stadelmann.

Die «Powernight» 2018 findet am Samstag, 10. Februar, im Hotel Schweizerhof statt. Der Eintritt kostet 30 Franken.

zentralplus ist Medienpartner der «Vikinger».

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