Serie Kulturräume auf dem Land: «Tropfstei» Ruswil

«Kultur vor der Haustüre bedeutet Lebensqualität»

Auch bekannte Künstler haben sich hier verewigt: Die Co-Präsidentinnen des «Tropfstei», Brigitte Grüter-Duss (links) und Daniela Erni-Bachmann, präsentieren stolz das Gästebuch.

(Bild: bic)

Der «Tropfstei» in Ruswil hat eine bewegte Geschichte hinter sich. Nicht nur der Wechsel der Location vor gut 20 Jahren, sondern auch die Wahrnehmung des Kulturlokals haben dessen Entwicklung geprägt. Doch die Revolution ist auch hier vorbeigezogen, heute setzt man auf Mainstream.

Im Ruswiler Feuerwehrdepot führt eine steile, gewundene Treppe hinauf ins Dachgeschoss. Die Wände sind mit Plakaten zugepflastert. Oben angekommen empfängt einen das grosszügige Foyer mit der kleinen Bar, einigen Stehtischen sowie einer Polstergruppe.

Die beiden Co-Präsidentinnen des «Tropfstei», Brigitte Grüter-Duss und Daniela Erni-Bachmann, mit denen wir verabredet sind, tragen durch ihre freundliche und sympathische Art zum heimeligen und einladenden Ambiente bei. Man fühlt sich sofort wohl.

Die ganze Dachkonstruktion und der Fussboden sind aus Holz gefertigt. Wieso in aller Welt sollten wir uns in diesem Estrich in einem «Tropfstein» befinden? Die Antwort ist einfach.

Vom Keller in den Estrich

Der Tropfstei wurde 1983 gegründet, allerdings an einem anderen Ort. Begonnen hat die Geschichte in einem Keller in Ruswil, wo früher Eis für das Dorf, vor allem die Restaurants, aufbewahrt wurde.

Als der Keller nicht mehr genutzt wurde, haben vier befreundete Paare den Raum in ein Kulturlokal überführt. Damals noch unter dem Namen «Tropfsteichäller». Dazu wurde ein Trägerverein gegründet. «Der Tropfstei wurde als links-alternatives Szenelokal auf dem konservativen Land wahrgenommen», blickt Daniela Erni-Bachmann zurück. Folglich seien damals viele Einwohner Ruswils nie in den Tropfstei gegangen.

Serie: Kultur abseits der Stadt

In einer Serie stellt zentralplus Luzerner Kulturräume vor, die von Städtern oft links liegen gelassen werden. Zu Unrecht, denn die Kultur auf dem Land ist lebendig, vielfältig und findet an charmanten Orten statt.

Die nächsten drei Veranstaltungen des Tropfstei: Samstag, 24. Februar, Quartett Claudia Muff; Samstag, 10. März, The Korks; Samstag, 7. April, Jugendtheater – «Antigone spielen?»

1996 musste der vor Wasser triefende Keller aus Sicherheitsgründen schliessen. Während eines Jahrs war der Tropfstei danach heimatlos, jedoch ohne dabei in Untätigkeit zu verfallen. Und bereits 1997 bewilligte die Gemeindeversammlung einen Baukredit für einen neuen Mehrzweck-Kulturraum im Estrich des Feuerwehrlokals.

Unter dem neuen Motto «Tropfstei am Märtplatz – Kleinkunst im Rottal» liess man es wieder tropfen. Der Verein ist heute Mieter des Kulturraumes, welcher einer Stiftung gehört.

Das Lokal heisst nicht mehr Tropfstei

Der Name «Tropfstei» beziehe sich heute also nicht mehr auf Veranstaltungsort an sich, sondern auf den Verein, so die Co-Präsidentinnen. «Dies führt auch in Ruswil bis heute noch zu Missverständnissen», sagt Grüter-Duss.

Das gemütliche Foyer mit der Bar.

Das gemütliche Foyer mit der Bar.

(Bild: bic)

«Als das neue Lokal eingerichtet wurde, waren hauptsächlich die Tropfstei-Leute beteiligt», erklärt sich Grüter-Duss mitunter die Missverständnisse. Heute ist der Verein Hauptmieter und lastet das Lokal durch die Veranstaltungen und vor allem mit Proben ziemlich gut aus.

Von Konzerten bis Filmabende

Heute realisiert der Verein «Tropfstei» zahlreiche Produktionen aus allen Kunstsparten: Konzerte, Theaterinszenierungen, Lesungen oder Filmabende.

47 Leute arbeiten insgesamt in den verschiedenen Ressorts. Hinzu kommen freiwillige Helfer, die beim Aufbau helfen oder die Kasse betreuen. Sämtliche Beteiligte arbeiten im Ehrenamt. Finanziert werden die Veranstaltungen neben den Ticketeinnahmen durch Unterstützungsgelder des regionalen Förderfonds, durch Spenden und durch die Beiträge der aktuell 176 Vereinsmitglieder.

Namhafte Künstler

Das ursprüngliche Szenelokal hat sich mittlerweile zu einem etablierten Player in der Luzerner Kulturlandschaft entwickelt. Namhafte Künstler wie Michael von der Heide, Dominic Deville oder Schertenleib & Jegerlehner traten in den vergangenen Jahren im Estrich auf. Anfang Mai wird auch Nils Althaus den Weg nach Ruswil finden.

Auch die bekannteren Künstler würden das Lokal und das Ambiente schätzen, so die beiden Frauen. «Einige haben schon gefragt, ob sie wieder kommen dürfen», sagt Grüter-Duss. Man würde indes darauf achten, dass man dieselben Künstler höchstens alle fünf Jahre engagiert, ergänzt Erni-Bachmann.

Angebot im Dorf ist wichtig

Durch solche Anlässe könne man ein breites Publikum ansprechen. «Wenn national bekannte Künstler auftreten, haben wir oft Leute, die man im Tropfstei sonst nicht antrifft», sagt Daniela Erni-Bachmann. Es seien dann wohl auch Leute darunter, die nicht kleinkunstaffin sind. Sie erinnert sich an einen Auftritt von Frölein Da Capo. Als Teil der SRF-Sendung «Giacobbo/Müller» erlangte die Willisauerin damals nationale Bekanntheit.

«Früher galt das Programm im Tropfstei als revolutionär. Doch was wir heute machen, ist schon fast Mainstream.»

Brigitte Grüter-Duss, Co-Präsidentin Verein «Tropfstei»

«Viele Leute aus Ruswil und den umliegenden Gemeinden, auch solche die sonst nicht unbedingt in den Tropfstei kommen, schätzen es, dass sie auch für etwas grössere Konzerte und Inszenierungen nicht jedes Mal in die Stadt gehen müssen», erklärt sich Brigitte Grüter-Duss die Beliebtheit des Lokals am Märtplatz. «Die Kultur vor der Haustüre zu haben, bedeutet für mich und wohl auch für viele andere Lebensqualität», fügt Daniela Erni-Bachmann hinzu. 

Das Theater am Märtplatz befindet sich im Depot der Ruswiler Feuerwehr.

Das Theater am Märtplatz befindet sich im Depot der Ruswiler Feuerwehr.

(Bild: bic)

Alternativ oder Alltagsbrei?

Wie hat sich der Tropfstei und sein Publikum in den vergangenen Jahrzehnten entwickelt? «Früher galt das Programm im Tropfstei als revolutionär. Doch was wir heute machen, ist schon fast Mainstream», zitiert Grüter-Duss ein Gründungsmitglied. Doch eigentlich würde man nach wie vor das Gleiche tun wie zu den Zeiten im alten Eiskeller.

Eigenproduktionen oder Auftritte von weniger bekannten Künstlern machen damals wie heute einen wichtigen Teil des Programmes aus. Es würden nach wie vor Anlässe durchgeführt, die vielleicht nur 20 bis 30 Leute anziehen. Dies sei Teil des Auftrages, sagen die beiden.

«Das Kleintheater würde sich wohl glücklich schätzen.»

Brigitte Grüter-Duss, Co-Präsidentin Verein «Tropfstei»

«Wir haben uns ganz klar auf die Fahnen geschrieben, dass wir nach Möglichkeit Künstler aus der Schweiz engagieren», betont Erni-Bachmann. Denn das Angebot sei riesig.

Auch wenn man natürlich von den grösseren Events finanziell abhängig ist, sei es wichtig, auch den lokalen Kulturschaffenden wie Nachwuchsbands eine adäquate Plattform zu geben.

«Dadurch locken wir auch junge Rusmerer ins Lokal», erklärt Brigitte Grüter-Duss. Denn Kleinkunst besuche man unter 30 kaum. Dieser Tatsache müsse auch der Tropfstei Rechnung tragen.

Eigenproduktionen weit herum bekannt

Auch Städter seien häufig zu Gast im Kulturraum. Diese kommen vor allem für die Eigenproduktionen des Tropfstei. Der Tropfstei stellt alle zwei Jahre eine eigene Theaterproduktion auf die Beine. Dabei stehen hauptsächlich Leute aus dem Dorf auf der Bühne. Es wird jeweils ein professioneller Regisseur beigezogen.

«Mit den Eigenproduktionen haben wir uns auch in der Stadt einen Namen gemacht», ist Daniela Erni-Bachmann überzeugt. Denn dafür sei man weit über die Gemeinde hinaus bekannt. Man würde es aber begrüssen, wenn noch mehr Leute aus der Stadt den Weg nach Ruswil finden würden, ergänzt sie.

Bietet gut 130 Zuschauern Platz: Die Zuschauertribüne des Theaters am Märtplatz.

Bietet gut 130 Zuschauern Platz: Die Zuschauertribüne des Theaters am Märtplatz.

(Bild: bic)

14 Mal konnte man das letzte Stück vor vollem Haus zum Besten geben. Gut 130 Leute finden auf der Zuschauertribüne Platz. Damit ist das Theater am Märtplatz eines der grössten Kulturlokale auf der Luzerner Landschaft. Hinzu kommt das grosse Foyer. «Das Kleintheater würde sich wohl glücklich schätzen, hätte es einen solch grosszügigen Gastrobereich», sagt Brigitte Grüter-Duss schmunzelnd.

«Es gibt kaum Unterschiede zur Stadt»

Gibt es einen Unterschied zwischen der Kultur auf dem Land und in der Stadt? «Eigentlich kann ich hier keinen Unterschied feststellen», sagt Brigitte Grüter-Duss. Im Neubad zum Beispiel gebe es ähnliche alternative Angebote, wie sie der Tropfstei organisiere. 

Die beiden scheinen mit der aktuellen Situation sehr zufrieden. Doch gibt es auch etwas, das sie gerne ändern würden? «Wir wünschten uns mehr Männer im Vorstand», sagen die beiden Frauen unisono. Zudem gebe es nur wenige jüngere Leute, die sich engagieren. Auch hier würde man Entwicklungen in die entsprechende Richtung sehr begrüssen.

Es gebe jedoch Anlass zur Hoffnung. Da der Tropfstei seit 17 Jahren jährlich auch ein eigenes Jugendtheater auf die Beine stelle, gebe es nun einige Leute, die sich für ein Engagement im Verein interessieren würden. «Einige Leute, die früher im Jugendtheater mitgespielt und somit den Tropfstei und das Lokal kennengelernt haben, kommen nun als Erwachsene wieder zurück», zeigen sich die Co-Präsidentinnen erfreut.

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