Ivo Romer: Berufungsprozess am Zuger Obergericht

Für den Zuger Ex-Stadtrat könnte es noch heftiger kommen

Das Zuger Obergericht: Am Donnerstag fand der von Ex-Stadtrat Ivo Romer angestrengte Berufungsprozess statt.

(Bild: mma)

Der Rekurs gegen das erste Urteil könnte sich für Ex-Stadtrat Ivo Romer nachteilig auswirken. Denn die Staatsanwaltschaft Zug verlangt jetzt eine höhere Strafe von 5,4 Jahren. Romer wiederum ist sich keinerlei Schuld bewusst und verlangt sogar eine Genugtuung, sagte sein Verteidiger.

Der erste Tag des Berufungsprozesses von Ivo Romer ist vorüber (zentralplus berichtete). Am Freitag haben die Prozessparteien noch Gelegenheit zu einer Replik. Ob das Urteil des Obergerichts gleich nach der Verhandlung oder erst später verkündet wird, wird morgen bekannt gegeben.

Möglich jedoch, dass Ivo Romer die Berufung noch bereuen könnte. Denn eigentlich waren beide Seiten – Verteidigung wie Staatsanwaltschaft – zufrieden mit dem Urteil des Strafgerichts, ging aus den Plädoyers hervor.

Strafe reduziert wegen Freisprüchen

Das Strafgericht gewichtete die Fakten nämlich anders als die Staatsanwaltschaft und sprach Romer vom Betrugsvorwurf und der Geldwäscherei frei, wie es in dem über 300 Seiten dicken Urteil heisst. Das Gericht verurteilte ihn letztlich zu einer Freiheitsstrafe von 4 Jahren und sechs Monaten.

Weil Romer aber rekurriert hat, machte auch die Staatsanwaltschaft eine sogenannte Anschlussberufung. Sie bestreitet den Freispruch wegen gewerbsmässiger Geldwäscherei und verlangt nun eine Strafe von 5 Jahren und vier Monaten für Romer.

Die Kinder der verstorbenen Frau als Privatkläger und ihr Anwalt haben ebenfalls Anschlussberufung eingelegt und wollen, dass man auf den Freispruch vom Betrug nochmals zurückkommt.

Anschlussberufungen

Dabei kommt eine spezielle Regel zur Anwendung: Wenn nur der Beschuldigte Berufung einlegt, kann die nächsthöhere Instanz nicht eine höhere Strafe als die Vorinstanz aussprechen.

Weil beide Seiten aber Berufung eingelegt haben, ist das Gericht nicht mehr an diese Regel gebunden und kann frei entscheiden. Romer hat den Untersuchungsbehörden also quasi eine Steilvorlage geliefert. Laut einer Staatsanwältin hätte die Behörde ihre Berufung fallen gelassen, wenn Romer ebenfalls verzichtet hätte. Das ist aber nicht geschehen.

Am Donnerstag hielten zuerst die Staatsanwältinnen, dann der Verteidiger ihre Plädoyers. Dabei wurde klar, dass ihre Sichtweisen über das Wegschmelzen des Vermögens der Witwe und die Rolle von Ivo Romer dabei diametral auseinandergehen.

«Der Bargeldtransfer ins Ausland ist geradezu ein Schulbeispiel für Geldwäscherei.»
Karin Eisenring, Zuger Staatsanwältin

Karin Eisenring erklärte, warum die Staatsanwaltschaft anders als das Strafgericht eine Verurteilung wegen gewerbsmässiger Geldwäscherei als richtig erachtet. Romer habe Bargeld der verstorbenen Millionärin zuerst in seine Firma Fidustra und dann auf ein Konto in Liechtenstein überwiesen. Eisenring: «Der Bargeldtransfer ins Ausland ist geradezu ein Schulbeispiel für Geldwäscherei.» Die Strafe müsse deshalb deutlich ausfallen.

Hohes Alter ausgenützt

Anders als das Strafgericht, das die Rolle der verstorbenen Frau als aktiver und durchaus selbstbestimmt gewichtete, sagte Eisenring, Ivo Romer habe das fortgeschrittene Alter und ihr Vertrauen ausgenützt. «Sie vertraute ihm und war der Überzeugung, dass er ihr Vermögen richtig verwaltete.» Bis kurz vor ihrem Tod mit 96 Jahren im September 2011 sei Alice Erika de Beaufort-Bubeck der Meinung gewesen, eine vermögende Frau zu sein.

Die Untersuchungsbehörde ist überzeugt, dass Romer aus purer Habgier gehandelt hat. Er sei in der Öffentlichkeit als grosszügiger Mäzen aufgetreten, während er in Wirklichkeit das Geld der Witwe veruntreute und ausgab.

Er habe delinquiert, bis die Frau gestorben sei. Als das Geld auf ihrem Privatkonto weg gewesen sei, habe er Gelder aus der von ihm verwalteten Familienstiftung abgezogen. Romer sei arglistig vorgegangen. Als UBS-Angestellter im Range eines Vizedirektors habe er genau gewusst, was er tat.

Haus in Südafrika 2014 verkauft

Als Beweis für Romers kriminelle Energie führte die Staatsanwältin auch aus, dass Romer sein Haus in Südafrika am 18. Februar 2014 – mitten in der Untersuchung – verkauft habe und das Geld für sich verwendete. «Hinter dem Rücken der Staatsanwaltschaft», sagte Eisenring. Das bestreitet der Verteidiger Romers.

Eisenring forderte eine Erhöhung des Strafmasses auf 5 Jahre und vier Monate Freiheitsstrafe und eine Geldbusse von 30 Tagessätzen.

Verteidiger kritisiert Untersuchung

Der amtliche Verteidiger Romers, Matthys Hausheer, hielt am Nachmittag ein fast drei Stunden dauerndes, vom Blatt abgelesenes Plädoyer.

Er lobte die Sichtweise des Strafgerichts, das Romer zu einer 4,5-jährigen Freiheitsstrafe verurteilt hatte. «Immerhin hat es einige Freisprüche gegeben.» Die Anklageschrift der beiden Staatsanwältinnen beruhe auf Indizien. «Tatkräftige Beweise fehlen», sagte der Zuger Anwalt.

Zuerst sei die Rede von 7 Millionen Franken gewesen, die Romer zwischen 2006 und 2008 veruntreut haben sollte. «Am Schluss hat er sich über angebliche Delikte über eine Summe von 3,2 Millionen Franken verantworten müssen.»

«Sie hatte ihr Vertrauen gegenüber den Kindern verloren, weil sie sagte, diese hätten sie betrogen.»
Matthys Hausheer, Pflichtverteidiger von Romer

Das Gericht sei korrekt zum Schluss gekommen, dass der körperliche und geistige Zustand der Millionärin erwiesenermassen bis 2010 dem Alter entsprechend gut gewesen sei. «Sie war eine selbstbewusste und resolute Person.» Nachdem ihre Kinder ein Vormundschaftsverfahren gegen die Frau angestrengt hätten, habe diese 2008 ein Haus- und Besuchsverbot verhängt. Hausheer: «Sie hatte ihr Vertrauen gegenüber den Kindern verloren, weil sie sagte, diese hätten sie betrogen. Der letzte Richter werde darüber einmal entscheiden.»

Ivo Romer (links) und sein Pflichtverteidiger Matthys Hausheer betreten das Gerichtsgebäude.

Ivo Romer (links) und sein Pflichtverteidiger Matthys Hausheer betreten das Gerichtsgebäude.

(Bild: Archiv / mam)

UBS-Erklärung zu wenig ernst genommen

Matthys erwähnte eine von Alice Erika de Beaufort-Bubeck unterschriebene Erklärung gegenüber der USB, gemäss der sie über die Bargeldbezüge und das sogenannte «System Bargeld» informiert war. Dieses Dokument werde zu wenig gewichtet, sagte Matthys.

Er sprach auch die Erben und heutigen Privatkläger an. Die Kinder der Witwe hätten «handfeste Interessen» gehabt. Nach dem Tod des Ehemannes 1997 habe Alice Erika de Beaufort-Bubeck 23 Millionen Franken besessen. Sie habe den Kindern Millionen-Vorbezüge des Erbes ausbezahlt und sei überdies eine sehr grosszügige Frau gewesen.

«Ivo Romer ist sich auch heute keiner Schuld bewusst. Die Aussageverweigerung ist sein Recht.»
Matthys Hausheer

Doch später habe die Frau die Geldgier ihrer Kinder satt gehabt. Sie habe ihnen nichts mehr vererben wollen. Sie habe einmal gesagt: «Ich lag im Sterben und wollte Geld verschenken.»

Zum Vorwurf der mehrfachen Urkundenfälschung bei der von der verstorbenen Frau gegründeten De-Beaufort-Bubeck-Wolfensberger-Stiftung (in Liquidation), erklärte der Verteidiger, die Stiftungsaufsicht habe nie etwas beanstandet. Der Baarer Wirtschaftsprüfer Andreas Schaufelberger habe die Buchungen und Jahresabschlüsse kontrolliert und abgenommen. Seinem Klienten sei nichts vorzuwerfen. Er habe immer Instruktionen der Stifterin und deren Kinder ausgeführt.

Matthys verlangte einen vollumfänglichen Freispruch für Ivo Romer. «Er ist sich auch heute keiner Schuld bewusst.» Die Aussageverweigerung sei sein gutes Recht. Daraus könne nichts Negatives abgeleitet werden.

Kinder brauchen ihren Vater

Er wies auch darauf hin, dass Romers zwei Kinder, die noch in der Ausbildung sind, erfolgreich seien. «Sie sind auf erfreulich gutem Weg. Ohne Support des Beschuldigten wäre das nicht möglich.»

Die Kinder wüchsen nach dem Freitod der Mutter nur mit dem Vater auf. Romer sei strafempfindlich. Das Strafgericht hatte dies verneint. «Das ist nicht nachvollziehbar», sagte der Verteidiger.

Hausheer wies sämtliche Forderungen ab oder verwies sie auf den Zivilweg und sprach von einer Genugtuung, die man bei einem Freispruch verlange. Zur beruflichen und persönlichen Situation Romers meinte der Anwalt, Romer habe 2012 psychologische Hilfe gebraucht. Er könne beruflich nicht mehr Fuss fassen.

Verteidiger spricht von Wahlchancen Romers als Stadtrat

Und Hausheer meinte zum Schluss, Ivo Romer wäre 2014 als Stadtrat wiedergewählt worden und hätte dann sein Stadtratsgehalt weiter bezogen. Stattdessen habe er Arbeitslosenhilfe beziehen müssen und werde sich am Schluss womöglich noch auf dem Sozialamt wiederfinden.

Die Passsperre bezeichnete der Verteidiger überdies als «fünf Jahre dauernde Zwangsmassnahme».

– Siehe auch Artikel über den Beginn des Prozesses.

– Das Urteil des Obergerichts wird voraussichtlich im Frühling 2018 folgen.

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