Widersprüchliche Gutachten zum Parkhaus Musegg

Denkmalpflege befürchtet Risse in Museggmauer

Ist das Luzerner Wahrzeichen durch das Musegg-Parking bedroht? Die Denkmalpflege jedenfalls äussert Bedenken.

(Bild: Emanuel Ammon/AURA)

Was hält die Denkmalpflege vom Musegg-Parking? Das blieb lange geheim – nun sind die Gutachten veröffentlicht. Die Haltung ist klar: Die Eidgenössische Kommission für Denkmalpflege toleriert keine Risse in der Museggmauer – das könne das Projekt aber nicht garantieren. Ein technisches Gutachten kommt hingegen zu einem anderen Schluss.

Sowohl die Eidgenössische Kommission für Denkmalpflege (EDK) als auch die kantonale Denkmalpflege äussern Bedenken gegen das Parkhaus im Musegghügel. Das geht aus einer Stellungnahme und einem Gutachten hervor, die der Kanton diese Woche – klammheimlich – veröffentlicht hat, gemeinsam mit einem zweiten Gutachten.

Genau diese Veröffentlichung forderten zuletzt CVP, FDP und SVP im Luzerner Stadtparlament (zentralplus berichtete). Sie reagierten damit auf den Entscheid des Stadtparlamentes von Mitte November, den Musegghügel unter zusätzlichen Schutz zu stellen – was den Bau des Musegg-Parkings faktisch verunmöglicht (zentralplus berichtete). Dem Stadtrat werfen sie fehlende Transparenz vor (siehe Box am Textende).

Risse seien nicht tolerierbar

Die EDK hat bereits 2015 ein erstes Gutachten zum Projekt eines Parkhauses im Musegghügel erstellt. Im Herbst 2016 äusserte sich die EDK nochmals zum überarbeiteten Projekt, unter anderem gestützt auf ein technisches Gutachten. Alle drei Dokumente waren bislang nicht öffentlich zugänglich. 

Nun hat die kantonale Denkmalpflege die Dokumente zugänglich gemacht. Sie zeigen: Die EKD kommt zum Schluss, dass die prognostizierten Auswirkungen des Parking-Baus eine schwere Beeinträchtigung des Bauwerks darstellen. Besonders Rissbildungen sind für die Denkmalpflege nicht tolerierbar. «Im Umgang mit der historisch so bedeutsamen Museggmauer ist nur eine Zielsetzung möglich: Die Mauer – Fugen und Steine – muss während der Bauarbeiten und danach rissfrei bleiben», heisst es in der Stellungnahme. «Dieses Ziel wird mit dem vorliegenden Vorhaben nicht erreicht.» 

Das Musegg-Parking soll Platz bieten für 36 Cars und rund 660 Autos. (Grafik: zvg)

Das Musegg-Parking soll Platz bieten für 36 Cars und rund 660 Autos. (Grafik: zvg)

Aus diesem Grund beantragt die EKD zusätzliche Abklärungen. Dem schliesst sich auch die kantonale Denkmalpflege an. Eine Weiterbearbeitung ist ihrer Meinung nach erst zielführend, wenn eine rissfreie Museggmauer und die Erhaltung der Grabenstruktur garantiert seien. «Vor diesem Hintergrund ist in der jetzigen Phase das vorliegende Projekt aus denkmalpflegerischer Sicht nicht bewilligungsfähig», heisst es auf der Website der kantonalen Denkmalpflege. 

Widersprüchliche Einschätzungen

Zu einem anderen Schluss kommt hingegen ein technisches Gutachten. Der Bau des Musegg-Parkings werde «keine unzulässigen Beschädigungen an der Museggmauer hervorrufen», hält der Bericht des Bauingenieurs Andreas Kälin vom August 2016 hält fest. Zwar rechnet auch er mit vertikalen Rissen am Fuss der Museggmauer. Diese bezeichnet der Ingenieur aber als «optisches Defizit». Denn sie würden weder die Stabilität noch die Tragfähigkeit der Museggmauer gefährden – und könnten am Ende der Bauzeit mit einfachen Mitteln saniert werden.  

Er empfiehlt, das Gefährdungspotenzial in den Projektphasen jeweils neu zu beurteilen. Allerdings hält Kälin fest, dass separat beurteilt werden müsse, wie die Denkmalpflege diese «optischen Defizite» einschätze. Genau das ist passiert; denn die EDK hat ihren Entscheid unter anderem auf Basis von Kälins Bericht gefällt und ihre kritische Haltung deswegen nicht revidiert. 

Die ersehnte Abstimmung im Herbst 2018

Unmittelbare Folgen werden die denkmalpflegerischen Gutachten kaum haben. Da sich sowohl das Stadtparlament als auch der Stadtrat gegen das Musegg-Parking ausgesprochen haben, weht dem Projekt ein eisiger Wind entgegen. Der Stadtrat hat kürzlich eine neue Studie in Auftrag gegeben, die alle Vorschläge für die Lösung des Carproblems von unabhängiger Warte aus beurteilen soll (zentralplus berichtete).

Die Resultate werden einfliessen in einen Gegenvorschlag der Stadt zur Initiative, die das Musegg-Parking retten will. Voraussichtlich im Herbst 2018 wird sich die Luzerner Stimmbevölkerung an der Urne erstmals dazu äussern können. Ein Termin, auf den sich SP-Grossstadtrat Cyrill Studer Korevaar «mehr freut als auf Weihnachten» – weil dann endlich klar wird, wie die Bevölkerung zum Parkhaus Musegg steht. Damit dürfte er nicht alleine sein.

FDP wirft Stadtrat Falschaussagen vor

Hat der Stadtrat das Musegg-Parking bewusst kritisch beurteilt, weil er – anders als die Öffentlichkeit – die Gutachten der Denkmalpflege bereits kannte? Nein, hielt der Stadtrat am Donnerstag fest. Er wehrte sich vehement gegen den Vorwurf der Bürgerlichen, er betreibe eine Verschleierungstaktik. Die Stadt hat zwar Kenntnis gehabt vom Inhalt der Berichte, habe selber aber keine Gutachten in Auftrag gegeben. Vielmehr habe der Kanton die Eidgenössische Kommission für Denkmalpflege beigezogen – es sei daher Sache des Kantons gewesen, über die Veröffentlichung zu entscheiden.

FDP-Präsident Fabian Reinhard besänftigte das keineswegs. «Es ist nicht akzeptabel, wenn der Stadtrat dem Parlament entscheidungsrelevante Fakten vorenthält», enervierte er sich. Und legte noch eins drauf: Der Stadtrat habe bewusst Falschaussagen gemacht. Reinhard meinte damit die Aussage des Stadtrates vom November, wonach langfristige Schäden an der Museggmauer nicht ausgeschlossen werden können. «Diese Aussage ist nachweislich falsch», sagte Reinhard mit Verweis auf den Expertenbericht Kälin, der keine unzulässigen Schäden erwartet. Die Stellungnahme der EDK erwähnte Reinhard in seinem Votum hingegen nicht.

Cyrill Studer Korevaar kritisierte das «Stadtrats-Bashing» der FDP und drehte den Spiess um. Es seien eben gerade die Bürgerlichen gewesen, die sich letztes Jahr gegen das Öffentlichkeitsgesetz wehrten, betonte der SP-Grossstadtrat (zentralplus berichtete). Dieses würde die Behörden verpflichten, Berichte grundsätzlich publik zu machen. Auch Jules Gut (GLP) wollte nichts von Verschleierung wissen, denn wer sich darum bemüht habe, hätte Einblick erhalten. «Den Stadtrat einmal mehr als Deppen hinzustellen, bringt niemandem was», kritisierte Gut das ideologische Geplänkel und riet den Bürgerlichen: «Legt eine neue Platte auf und nehmt die Hand, die wir ausstrecken – es braucht einen Kompromiss.»

Stadtpräsident Beat Züsli (SP) wies den Vorwurf von Reinhard klar zurück, der Stadtrat habe die Gutachten einseitig und besonders kritisch interpretiert. «Auch das Gutachten Kälin sagt ganz klar, dass Rissbildungen zu erwarten sind.» Er wiederholte zudem, dass es nicht in der Kompetenz des Stadtrates gelegen sei, die Berichte zu veröffentlichen.

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Libero
    Libero, 15.12.2017, 13:36 Uhr

    Mehr Sachlichkeit, weniger Polemik
    Einige Bürgerliche Politiker – allen voran FDP-Präsident Fabian Reinhard – haben sich ins Projekt Parkhaus Musegg verirrt. Wenn die Argumente ausgehen wird mit wilden Emotionen die reale Wahrnehmung verschoben und ein Feindbild und damit Aufmerksamkeit aufgebaut. Um was geht es eigentlich? Wollen wir noch mehr Verkehr in die Innenstadt führen. Es ist also richtig dass der Stadtrat die Verkehrsprobleme als Ganzes lösen will. Mit dem Musegg-Parkhaus werden die Verkehrsprobleme um einige 100 Meter verschoben. Damit gäbe es einen verstärkten Rückstau bei den Das Massen-Tourismus-Problem in der Innenstadt wird mit dem Loch unter der Museggmauer nicht gelöst. Auch Gübelin und Bucherer wollen die Kunden vor dem Geschäft, nicht im Tunnel. Lösungen sind nur mit grossen Denkprozessen möglich. Stadt und Kanton, Bund, SBB und Initianten müssten gemeinsam grossräumig zukunftsgerichtete Mobilitäts- und Verkehrskonzepte entwickeln. z.B. Park and Ride für die Agglomeration, allenfalls ohne Tiefbahnhof, einem Bahnhof Luzern Nord mit Fernbusverbindungen.
    Die Stadt Luzern braucht schon kurzfristig ein nachhaltiges Car-Park-Konzept ausserhalb der Innenstadt. Daran arbeitet der Stadtrat. Er braucht von allen politischen Lagern Unterstützung, mehr Sachlichkeit und gute Ideen und weniger Polemik.

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