Ein Tag mit Ständerat Peter Hegglin im Bundeshaus

Was machen die in Bern oben eigentlich genau?

Was auf der Raucherterrasse beredet wird, bleibt auch hier. So die Devise.

(Bild: wia)

Gerade ist in Bern die Wintersession zu Ende gegangen. Und damit eine beschäftigte Zeit für die Bundesparlamentarier. Wir haben uns dem Zuger Peter Hegglin für einen Tag an die Fersen geheftet, um zu erfahren, wie das Leben als Ständerat aussehen mag. Und sind etwas sehnsüchtig und erleichtert zurückgekommen.

Ja ja, die in Bern oben, die sollen mal was machen! Sitzen rum und lesen Zeitung und kassieren dabei auch noch Geld. Ob das wohl stimmt? Wir wollen es genau wissen und reisen rauf nach Bern.

Der Plan? Wir heften uns während eines ganzen Tages an die Fersen des Zuger CVP-Ständerates Peter Hegglin. Machen alles mit, was der Zuger während eines Sessionstags so treibt. Und es ist viel, wie sich bald herausstellen wird.

7.45 Uhr – Rein ins Parlamentsgewusel

Hegglin wartet bereits hinter der Glasscheibe des Sicherheitschecks im Bundeshaus. Bevor er den ersten Termin, eine halbtägige Ständeratssitzung, in Angriff nimmt, machen wir uns erst einmal auf zur «Galerie des Alpes», dem hauseigenen Restaurant, wo Hegglin den ersten und einzigen Kaffee des Tages trinkt. Und zwar schwarz. Der Zuger Politiker erklärt, was uns heute alles bevorsteht. Ständeratssitzung, währenddessen begrüsst Hegglin kurz eine Zuger Schulklasse, die durchs Haus geführt wird, später gibt’s Mittagessen beim Schweizerischen Bäcker- und Conditorenverband, danach geht’s weiter mit der CVP-Fraktionssitzung, und am Abend winkt ein Kochtermin mit der Migros.

Hegglins Tag beginnt mit schwarzem Kaffee.

Hegglins Tag beginnt mit schwarzem Kaffee.

(Bild: wia)

«Vielleicht kommt Tele 1 heute noch kurz vorbei für ein Interview», erklärt Hegglin abschliessend. Er wirkt bei seinen Ausführungen völlig entspannt. «Heute ist das Programm eher locker», ergänzt er. Wir trinken unseren Kaffee aus, machen uns auf den Weg durchs Haus. Gänge, Wandelhalle, Vorzimmer des Ständerats, freundliche Begrüssungen. Wir schütteln die Hände diverser Parlamentarier und von Bundesrat Guy Parmelin. So beiläufig, dass wir’s kaum realisieren.

8.15 Uhr – Der Ständerat tagt – wir lauschen mit

Wir begeben uns auf die noch leere Tribüne, von wo aus wir die Ratsdebatte in der Vogelperspektive mitverfolgen. In den Saal dürfen wir nicht. Während drinnen feierliche Ernsthaftigkeit vorherrscht, schneit es draussen wie verrückt.

Es geht los mit Bereinigungen der Differenzen verschiedener Geschäfte. Ziemlich bald nach dem obligaten Appell per Namensaufruf lichten sich die Reihen der Ständeräte. «Wir erhalten jeweils eine SMS, bevor die Sitzung beginnt und bevor wir abstimmen müssen», hat uns Hegglin im Voraus erklärt. Das macht die Sache natürlich einfacher. Weiter zur Immobilienbotschaft 2017. Die Voten im Rat sind meist gemässigt, deutlich weniger emotionsgeladen als etwa im Kantons- oder auch im Nationalrat. Selbst wenn es auch hier Voten gibt, die mit «Ich möchte hier keine Asyldebatte anfangen …» beginnen und dann zehn Minuten andauern.

Der Nationalrat tagt zeitgleich mit dem Ständerat.

Der Nationalrat tagt zeitgleich mit dem Ständerat.

(Bild: wia)

 

«Der Ständerat ist weniger politisiert als der Nationalrat. Das hat wohl damit zu tun, dass wir hier Vertreter der Stände – also der Kantone – sind, und nicht Parteivertreter. Wir reden im Rat auch nicht von Fraktionen, sondern von Gruppen. Vermutlich werden die Debatten darum weniger hitzig geführt», wird Hegglin später darauf angesprochen sagen.

Zwischendurch verlässt der Zuger den Saal, taucht wenig später auf der Tribüne auf, versorgt uns mit Dokumenten oder setzt sich mit seinem Laptop an einen der Arbeitstische hinter dem Ständeratssaal. «Im Gegensatz zum Nationalrat dürfen wir im Ständerat keine Laptops dabei haben. Neuerdings sind immerhin Tablets erlaubt», sagt Hegglin später. Der Grund ist einfach. Bei 200 Räten fällt es dem Redner weniger auf, wenn einige in den Laptop starren. Bei nur 46 sei das deutlich auffälliger.

10.30 Uhr – Comella und eine Standesinitiative

Nachdem Hegglin seine Schulklasse begleitet hat, nimmt er sich Zeit für eine Pause. Im hauseigenen Café bestellt er sich eine Schoggimilch und erklärt: «Ich spreche nachher noch zur Standesinitiative über die Währung und die Zahlungsmittel. Da setze ich mich im Namen des Kantons Zug dafür ein, dass der Wert der Banknoten gesetzlich klarer geregelt ist.»

Während er redet, blickt Hegglin immer wieder auf einen der im Café hängenden Bildschirme, auf denen die Ratsdebatte live und tonlos übertragen wird. Bald geht’s weiter. Der Ständerat trinkt den letzten Schluck, steht auf und macht sich aus dem Staub. Und wir uns wieder auf zur Tribüne, auf der es mittlerweile vor Menschen wimmelt. Seniorenausflüge, Schulklassen, sogar asiatische Touristen. Tausende von Menschen werden während der Session täglich durch diese Hallen gelotst.

Hier gehört er offensichtlich hin, der Herr Hegglin.

Hier gehört er offensichtlich hin, der Herr Hegglin.

(Bild: wia)

Nun wird das Anliegen des Kantons Zug angegangen. Nachdem Hegglin sein eher nüchternes Votum über die Stückelung der Noten vorgetragen hat, melden sich diverse Redner. So etwa auch der Zuger FDP-Kollege Joachim Eder, der sich beherzt gegen die Standesinitiative ausspricht. Mitunter gibt er zu bedenken, dass die Initiative auf einer SVP-Motion Manuel Brandenbergs gründe, welche eine 5’000er-Note gefordert habe. Nachdem der eine Zuger dem anderen in den Rücken gefallen ist, fällt den Ständeräten der Entscheid leicht. Die Zuger Standesinitiative wird deutlich – mit 24 zu 17 Stimmen – abgelehnt. Worauf Hegglin zu uns auf die Tribüne hinaufblickt und resigniert mit den Schultern zuckt.

Die Debatte geht zu Ende, und nachdem uns der ehemalige Zuger Finanzdirektor über die Symboliken des beeindruckenden Gebäudes unterrichtet, ist es auch schon Zeit fürs Mittagessen.

13.00 Uhr – Zartes Rindsfilet gefällig?

Unser Ziel? Kein geringeres als das Fünfsterne-Restaurant Bellevue Palace, wo der Bäckerverband auf uns wartet. Auf dem zweiminütigen Weg dahin erklärt der Zuger Ständerat: «Pro Session erhalte ich durchschnittlich 70 bis 80 solche Einladungen. Die Politik passiert also häufig ausserhalb des Bundeshauses.» Was ihn bewogen hat, gerade die Bäckereinladung anzunehmen? «Ich war einmal der Präsident eines Bäckerkongresses, der in Zug stattfand», so der Menzinger. 

Wir treten in die glamourösen Hallen des Restaurants ein, wo uns bereits verschiedene Räte und Verbandsmitglieder freundlich entgegenblicken. Dass wir, Hegglins Tagesbegleitung, nicht angemeldet sind, scheint überhaupt kein Problem darzustellen. Der Baarer Silvan Hotz, der dem Verband vorsteht, begrüsst uns herzlich, so auch alle anderen Räte. Man spricht über die Stalking-Affäre, über die Medien, witzelt über die Zuger und deren NFA-Haltung.

Der Präsident des Bäcker- und Confiseuren-Verbands, Silvan Hotz, unterhält sich mit Peter Hegglin.

Der Präsident des Bäcker- und Confiseuren-Verbands, Silvan Hotz, unterhält sich mit Peter Hegglin.

(Bild: wia)

Nach einem ausgiebigen Apéro mit Häppchen setzen wir uns an den weiss gedeckten Tisch. Uns erwartet ein Dreigang-Menü, das nicht von schlechten Eltern ist. Fischtatar, Rindsfilet, verschiedene Mousses zum Dessert. Während den Gängen spricht der Verbandspräsident zur Lage der Bäcker und zu den Schwierigkeiten, welche der politische Druck für die Branche bedeute. So etwa der Ruf nach der Reduktion von Salz und nunmehr Zucker. Letzter werde verteufelt, so die Ansicht des Präsidenten. Und er betont: «Wir können keine Crèmeschnitte ohne Zucker herstellen!» Für den Verband ist klar: Die Lebensmittelregulationen müssen so tief wie möglich gehalten werden.

14.00 Uhr – Kaffee und weg

Kaum wurde der Kaffee aufgetischt, verabschieden sich die ersten Politiker, eilen bereits an nächste Termine. Und auch wir müssen los. Nicht, ohne vom Verband noch mit einem Goodie-Bag voller Gebäck beglückt zu werden. «Nein, man hat nicht immer Lust darauf, zu netzwerken», antwortet Hegglin auf unsere Frage, während wir den Weg zurück antreten. «Manchmal mag man nicht mehr zuhören. Das merke ich je länger je mehr.» Dann ziehe er es vor, an einem Abend mit einem Kollegen Abend zu essen, fernab von der Politwelt.

Auch wenn Hegglin nach seiner politischen Niederlage vom Morgen ziemlich entspannt gewirkt hat, lässt ihn das Thema nicht in Ruhe. «Hätte ich nach Joachim Eder noch einmal das Wort ergreifen sollen?», fragt er sich. Und er schmunzelt, sagt: «Beim letzten Samichlaus-Anlass hat mir dieser vorgeworfen, dass man mich zu wenig höre.»

Und er relativiert: «Es ist mir wichtig, nur dann zu sprechen, wenn meine Aussagen recherchiert sind und auch Hand und Fuss haben. Ansonsten schweige ich lieber.»

 

Ständerat Peter Hegglin im Vorraum des Ständeratssaals.

Ständerat Peter Hegglin im Vorraum des Ständeratssaals.

(Bild: wia)

14.15 Uhr – Zeit für die Mailflut

Wir sitzen im Vorraum des Ständeratsaals, Hegglin schlägt sein Notebook auf und beginnt, seine E-Mail-Flut zu bändigen. «Ich erhalte täglich etwa 60 Mails. Die erledige ich jeweils zwischendurch, wenn ich halt Zeit habe», erklärt er.

Dann schaut Hegglin auf sein Telefon, murmelt «Tele 1 hat sich jetzt nicht mehr gemeldet. Mal schauen, ob das Interview überhaupt stattfindet» und steht dann auf. Die Fraktionssitzung ruft.

14.30 Uhr – Warum ist das Sitzungszimmer leer?

Als wir vor besagtem Sitzungszimmer stehen, realisiert Hegglin, dass er sich um eine halbe Stunde vertan hat. Die Sitzung ist erst um 15 Uhr. Bleibt also noch etwas Zeit. Für ein, zwei Telefone. Für einen Besuch der Raucherterrasse, von der aus man eine grossartige Aussicht über die Aare, das Marzili und den Gurten hat. Wäre das Wetter nicht so garstig, hätten wir hier die Berner Alpen in voller Pracht vor der Nase. Eine rauchende Politikerin erklärt: «Es gibt eine klare Regel hier draussen. Was hier besprochen wird, verlässt diese Terrasse nicht. Das wissen auch die Journalisten, die hier draussen sind.»

Die drei Eidgenossen begrüssen den Bundeshausbesucher in der Haupthalle.

Die drei Eidgenossen begrüssen den Bundeshausbesucher in der Haupthalle.

(Bild: wia)

Wieder «on the record» sagt uns Ex-Regierungsrat Hegglin: «Es war für mich schon eine Umstellung, als ich vor zwei Jahren von der Exekutive in die Legislative gewechselt habe. Der Einfluss, den ich nun habe, ist deutlich geringer. Gleichzeitig hatte ich, jedenfalls bis jetzt, deutlich mehr Aufwand, weil ich mich als Neuling in alle Dossiers einlesen musste.» Weiter erklärt er: «In der Regierung hatte ich jeweils ein Kollegium neben mir und wir vertraten alle eine Haltung. Hier stehe ich alleine da und bearbeite zudem alle Themenbereiche. Das ist nicht ohne.» Bereut er es etwa, den Schritt in die nationale Politik gemacht zu haben? «Nein. Man kann ja nicht ewig Regierungsrat sein.»

15.00 Uhr – Die Fraktion tagt ohne Journalisten

Die Fraktionssitzung beginnt. Journalisten bleiben naturgemäss draussen, daher setzen wir uns in einen Sessel im Gang und beginnen zu schreiben. Nun, da weder der Stände- noch der Nationalrat tagen, zeigt sich erst, welche beruhigende Anmut dieses Haus begleitet. Und das, ohne prunkvoll daherzukommen. Immer wieder gehen Schweizer Politgrössen freundlich nickend an uns vorbei. Verschwinden in Räumen oder auf Treppenabsätzen.

Eineinhalb Stunden später ist die Sitzung vorbei, Hegglin freut sich offensichtlich darüber, dass sie nicht allzu lange gedauert hat. Wir setzen uns in die Galerie des Alpes, trinken etwas, und Hegglin setzt sich wieder mit seiner Mailflut auseinander.

Etwas später kommen wir auf den NFA zu sprechen. «Wie Sie am Mittag gemerkt haben, wird man als Zuger überhaupt nicht ernst genommen in der NFA-Debatte. Als einer von sechs Geberkantonen, die gegen zwanzig Nehmer ankämpfen, hat man schlichtweg keine Chance», sagt Hegglin resigniert.

Peter Hegglin tritt aus dem bereits ziemlich leeren Bundeshaus.

Peter Hegglin tritt aus dem bereits ziemlich leeren Bundeshaus.

(Bild: wia)

Irgendwann sind die Mails abgearbeitet. Für diesen Abend hat Hegglin vier Einladungen erhalten. Warum also nehmen wir bei der «Soirée Sélection» von der Migros teil? Hegglin zuckt mit den Schultern und sagt: «Da war ich noch nie und es klingt unterhaltsam, weil wir selber kochen.» Das klingt tatsächlich vielversprechend. Hegglin knüpft sich die Krawatte auf, versorgt sie und kommentiert lachend: «Die soll ja nicht in der Pfanne landen.»

18.30 Uhr – Schürze an, Rüsterli in die Hand

Auf geht’s in Richtung Kornmarkt, zu «Le table de Urs Hauri», einem renommierten Schweizer Koch. Und gleich im Eingangsbereich trennt sich der Weizen von der Spreu. Links geht, wer sich lieber dem Weisswein und der Konversation hingibt, rechts hingegen, wer Hand anlegen und mitkochen will. Und das tun wir denn auch. Hegglin schnappt sich eine Schürze, gesellt sich zur Aargauer FDP-Nationalrätin Corina Eichenberger und beginnt, Zwiebeln wie instruiert in winzige Stücke zu schneiden.

Die Stimmung in der grossen Küche ist entspannt und doch konzentriert. SVP-Nationalrätin Alice Glauser erzählt von ihren Kindern, Eichenberger davon, was sie an Weihnachten kocht, währenddessen entsteht ein selbst gemachtes Fünfgangmenü. Häppchen, Forellenfilet, Senflinsen, Kartoffel-Pastinaken-Stock, ein Parfait mit Absinth und Bratäpfel. Das subtile Lobbying scheint die Migros im Griff zu haben. 

Gemeinsam mit der FDP-Nationalrätin Corina Eichenberger kocht Peter Hegglin beim Gourmet-Menü mit.

Gemeinsam mit der FDP-Nationalrätin Corina Eichenberger kocht Peter Hegglin beim Gourmet-Menü mit.

(Bild: wia)

20.00 Uhr – Unzählige Namen, Voten und Eindrücke

Der Zuger Ständerat scheint in guter Gesellschaft zu sein und sich wohl zu fühlen zwischen Profiköchen und Parlamentariern. Wir überlassen die ausgelassene Runde sich selber. Den Kopf voller Namen, voller Voten, voller Eindrücke. Mit dem Gefühl, dass es schön sein muss, in solch illustrer Gesellschaft und in einem solch imposanten Haus zu politisieren. Und leiserer Erleichterung darüber, das Lobbying getrost hier in Bern lassen zu können.

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