Baarer Walter Lipp für Gemeinderat nominiert

Wenn ein Gemeindeschreiber Politiker werden will

Wurde nominiert als CVP-Kandidat für den Gemeinderat und fürs Präsidium: Baars Gemeindeschreiber Walter Lipp.

(Bild: zvg)

Wenn ein Gemeindeschreiber plötzlich die Seiten wechselt, um in die Politik zu gehen, ist das nicht gerade alltäglich. Zumal ein solcher Wechsel in der Regel mit einer Lohnreduktion verbunden ist. Doch genau dies ist die Absicht von Walter Lipp, der in Baar Gemeinderat werden will. Was also steckt hinter seiner Absicht?

Im nächsten Jahr wird auch in Baar ein neuer Gemeinderat gewählt. Nun hat der Vorstand der CVP Baar für die Nominationsversammlung im Januar das «Dreierticket» bekanntgegeben, mit dem die Partei möglichst erfolgreich sein will.

Dass der Parteivorstand dabei die amtierende Schulchefin Sylvia Binzegger, seit 2003 Gemeinderätin der CVP, sowie Sicherheitschef und «Räbevater» Pirmin Andermatt nominiert, verwundert nicht. Doch dass auch Walter Lipp, seit 16 Jahren Gemeindeschreiber und Urgestein im Baarer Rathaus, plötzlich zum Exekutivpolitiker mutieren soll, lässt aufhorchen.

Nicht weil der 54-jährige Familienvater nicht imstande wäre, die Komplexität der politischen Geschäfte einer 24’000-Einwohnergemeinde unter einen Deckel zu bringen. Weit gefehlt. Schliesslich hat Lipp ja die vergangenen Jahre als Beisitzer des Baarer Gemeinderats in all den Jahren nichts anderes gemacht. Er ist quasi der politische Baar-Experte.

«Der achte Gemeinderat»

CVP-Kommunikationschef Silvan Meier und Wahlkampfleiter Thomas Pfiffner loben den Gemeindeschreiber in ihrer Medienmitteilung in den höchsten Tönen. Wörtlich: «Der Gemeindeschreiber führt seit vielen Jahren umsichtig die Verwaltung und bringt als «achter Gemeinderat» alle Voraussetzungen mit, um die Gemeinde Baar weiterzubringen. Der gebürtige Entlebucher ist ein engagiertes Gemeindemitglied, beispielsweise als OK-Präsident von Schwingfesten.»

«Warum ich das mache? Das ist eine gute Frage.»

Walter Lipp, Baarer Gemeindeschreiber

Die Frage geht mehr in die Richtung, ob ein Gemeindeschreiber den Seitenwechsel von der operativen auf die strategische Ebene der Politik verinnerlichen kann. Für sich und für die Wähler. Schliesslich ist der politische Blick dann mit einer Parteibrille bestückt. Und man verlässt den sicheren Schutz des Schreibtischs und begibt sich ins Haifischbecken der politischen Debatten. Das ist nicht so einfach.

Im Kanton Zug ist in den letzten Jahren denn auch kein Fall bekannt, dass sich ein Gemeindeschreiber für ein Exekutivamt in der gleichen Gemeinde beworben beziehungsweise aufstellen lassen hat.

«Warum ich das mache? Das ist eine gute Frage», sagt Walter Lipp gegenüber zentralplus. Er habe sich eben nach dem Bekanntwerden der Nichtmehrkandidatur von Gemeindepräsident Andreas Hotz Gedanken gemacht, ob er sich so einen Seitenwechsel vorstellen könne. Er habe in den letzten 16 Jahren drei verschiedene Gemeindepräsidenten erlebt.

«Es geht um lösungsorientierte Politik.»

Walter Lipp

Ausserdem ist sich Lipp sicher, dass es in so einem gemeindlichen Exekutivamt ja in erster Linie um Sachfragen gehe, nicht um Parteipolitik. «Es geht um lösungsorientierte Politik.» Ob ein Schulneubau etwa notwendig und zweckmässig sei oder nicht. «Ich habe als Entlebucher die gesunde Einstellung, für gute Lösungen einzutreten.»

Als Gemeinderat «nur» noch 87’000 Franken brutto

Hört sich sehr idealistisch an. Zumal Lipp auf seinen gut dotierten Job als Gemeindeschreiber mit einem Bruttogehalt von 170’000 bis 190’000 Franken pro Jahr verzichten würde. Als Gemeinderat in Baar bekäme er im 50-Prozent-Pensum «nur» noch 87’000 Franken brutto.

Als Bauchef mit 70-Prozent-Pensum und als Gemeindepräsident mit 80-Prozent-Pensum verdiene man entsprechend mehr. «Ich würde natürlich neben dem Exekutivmandat weiter einen Beruf ausüben wollen», sagt der gelernte KVler mit Verwaltungsausbildung. Nur eben nicht mehr als Gemeindeschreiber. «Wenn ich nicht gewählt würde, müsste ich in Sachen künftiger Berufsausübung dann nochmals über die Bücher», so Lipp.

Doch zurück zur Frage, wie oft ein Gemeindeschreiber sich in der Praxis tatsächlich in ein «political animal» verwandelt. Sprich: eben aktiver Partei- und Gemeindexekutivpolitiker wird. Wohl gemeint nochmals: in der gleichen Gemeinde.

«Das ist wirklich sehr selten.»

Iwan Rickenbacher, Politikberater

«Das ist wirklich sehr selten», sagt Iwan Rickenbacher, renommierter Politikberater aus Schwyz und früherer CVP-Generalsekretär. Doch im Kanton Zug im Allgemeinen und in Baar im Besonderen sei der Gemeindeschreiber eben schon längst nicht mehr nur Gemeindeschreiber. Sondern so eine Art CEO der gesamten Gemeindeverwaltung. Der Gemeinderat ähnle mehr einem Verwaltungsrat. «Und wenn eben ein CEO in den Verwaltungsrat, also in die Gemeindeexekutive, geschickt wird, ist das sehr wohl vertretbar.» Er verstehe diesen Schachzug der Baarer CVP deshalb durchaus – sagt der Politikexperte.

CVP-Sicherheitsdirektor Beat Villiger war früher auch Baarer Gemeindeschreiber, bevor er zum Regierungsrat gewählt wurde.

CVP-Sicherheitsdirektor Beat Villiger war früher auch Baarer Gemeindeschreiber, bevor er zum Regierungsrat gewählt wurde.

(Bild: mbe.)

Heutzutage müsse eben nicht mehr jeder Politiker eine Ochsentour von unten nach oben absolvieren, um eine politische Karriere zu machen. «Und ob dieser Seitenwechsel politisch legitim ist, das entscheiden ja am Ende die Baarer Wähler», so Rickenbacher.

Beat Villiger war auch zuerst Gemeindeschreiber

Sagts und weist daraufhin, dass etwa auch Beat Villiger als früherer Baarer Gemeindeschreiber politische Karriere machte – indem er zum Regierungsrat gewählt wurde. «Bei den Zugern scheint also das Amt des Gemeindeschreiber durchaus einen hohen politischen Stellenwert zu haben.»

Bleibt zu spekulieren, ob Walter Lipp von der CVP-Nominationsversammlung in diesem Sinn auch noch als potentieller Gemeindepräsidentenkandidat auf den Schild gehoben wird.

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