Wie gross das Interesse an Insekten wirklich ist

Heuschrecken auf der Menükarte der Mall-Besucher

Mall-Besucher können in der «Nooch Asian Kitchen» nun Insekten kosten.

(Bild: ida)

Bereits in drei Restaurants in der Region werden Insekten serviert. Frittierte Heuschrecken sollen nun auch den Geschmack der Shopping-Center-Besucher in der Mall of Switzerland treffen. Doch wie kommt die Proteinquelle an bei den Gästen? Noch stossen die Luzerner Gastronomen auf vielfältigste Reaktionen.

Da liegen sie, umgeben von Salat- und Spinatblättern: drei kleine Heuschrecken, ein länglicher Körper, zugeklappte Flügel und angelegte Beine. Die stecknadelkopfgrossen, braunschwarzen Augen sind erstarrt. Wo soll man da mit Essen beginnen? Beisst man direkt den Kopf ab oder beginnt man doch eher beim Hinterteil des Insekts?

Exklusive, exotische und knusprige Versuchung

Das «Nooch Asian Kitchen» serviert auf Wunsch des Gastes einen Teller mit Insekten: Für 3.50 Franken gibt’s ein exklusives Special in Form von drei Heuschrecken in Hülle und Fülle, das heisst in unverarbeiteter Form, zu seinem Menü.

Ein Koch im «Nooch Asian Kitchen» bei der Zubereitung der Heuschrecken.

Ein Koch im «Nooch Asian Kitchen» bei der Zubereitung der Heuschrecken.

(Bild: ida)

Zu Besuch im Restaurant, scheinen die jungen Gäste von Mut getrieben zu sein. «Also kann man da wirklich alles essen?», fragt eine junge Dame, packt kurz darauf bestimmt eine Heuschrecke und beisst herzhaft zu. Innerhalb einer Minute hat sie das ganze Insekt verschlungen. «Knusprig! Ich würde nicht denken, dass es etwas besonders Exotisches wäre.» Doch es brauche schon etwas Courage, in das ganze Insekt zu beissen, gibt sie zu. 

Die Gäste vor Ort betrachten die Heuschrecken vorwiegend mit einem kritischen Blick. «Vorhin habe ich so fein gegessen und nun soll ich Insekten verspeisen? Nein danke!», meint eine Besucherin lachend und schiebt den Teller mit den Heuschrecken von sich. Die meisten reagieren mit Belustigung, aber nur die wenigsten trauen sich, auch wirklich zu kosten.

Gemischte Reaktionen und geringe Nachfrage

Mit der schweizweiten Zulassung von drei Insektenarten als Lebensmittel per 1. Mai wagen nun auch erste Gastronomiebetriebe den Versuch mit Heuschrecken, Mehlwürmern und Co. (zentralplus berichtete). Dazu zählen der «Gasthof Engel» in Hüswil und das Restaurant «Kaiserstuhl» in Lungern, das zur Luzerner Gastronomiekette Sinnvoll Gastro gehört. Auch das «Ace Café» mit Sitz in Rothenburg tischt seinen Gästen im Februar eine Woche lang Insektenburger auf (zentralplus berichtete).  

Und was ist das erste Fazit der Gastronomen? Die Begeisterung der Gäste halte sich in Grenzen, bestätigt Daniel Wiesner, COO der Fredy Wiesner Gastronomie, die auch die Nooch-Filiale in der Mall betreibt. «Ich denke nicht, dass es einen grossen Hype um Insektengerichte gibt.» Die Hemmschwelle sei gross, viele Gäste ekelten sich vor den vierbeinigen Wesen, so Wiesner.

«Insekten essen, dieser Gedanke muss sich erst in der Gesellschaft etablieren», schlussfolgert Daniel Bisten, Geschäftsführer des Gasthofs «Engel».

«Ich denke nicht, dass es einen grossen Hype um Insektengerichte gibt.» 

Daniel Wiesner, COO Fredy Wiesner Gastronomie 

Andere, nichts ahnende Gäste, lachen, wenn sie mit einem Blick in die Speisekarte auf das extravagante Extra stossen. Die Nachfrage sei dementsprechend niedrig, was aufgrund des grossen Medienrummels für Gastronomiebetriebe, die neu Insektengerichte anbieten, überraschend war. 

Das «Nooch Asian Kitchen» in der Mall.

Das «Nooch Asian Kitchen» in der Mall.

(Bild: ida)

Andere Geschäftsführer sind zuversichtlicher und glauben, dass die exotischen Tiere mehr und mehr auf Beliebtheit stossen. «Eine Crevette ist ja auch nichts Schönes», rechtfertigt Larissa Schiesser, die Betriebsleiterin des Restaurants «Kaiserstuhl» in Lungern, die begrenzte Nachfrage nach Insekten. So habe auch Sushi seine Zeit gebraucht.

«Eine Crevette ist ja auch nichts Schönes.»

Larissa Schiesser, Betriebsleiterin Restaurant Kaiserstuhl in Lungern

Schiesser erzählt weiter, dass die Reaktionen der Gäste im «Kaiserstuhl» durchwegs positiv seien. Einige reagierten mit Verwunderung, andere mit Abneigung, doch empört habe sich darüber noch praktisch keiner.

In Lungern werden die Insektengerichte in einer Exotik-Karte aufgelistet. Ein ganzes 3-Gang-Menü darf es für die Mutigen sein: Als Vorspeise wird ein gemischter Salat mit frittierten Heuschrecken für einen Preis von 15 Franken aufgetischt, ein Mehlwurmburger mit Auberginen im Tomatenfocaccia als Hauptgang kostet 25 Franken. Als süsse Versuchung gibt es ein Schokoladenkrokant mit gerösteten Grillen und Sauerrahmglace für neun Franken. Der Mehlwurmburger sei besonders knusprig, meint Schiesser.

Geld offenbar nicht das Motiv

Die Gastronomen sind sich einig: Mit kleinen Insekten verdient man nicht das grosse Geld. Was sind dann gute Gründe, Insekten zu essen?

Treibende Kraft hinter der Aufnahme von Insekten in die Speisekarte ist laut Wiesner der Gedanke an Nachhaltigkeit. «Wir müssen neue Wege gehen», meint Wiesner. Insekten gelten als Alternative zu Fleisch. Sie beinhalten reichlich Proteine, Fettsäuren sowie Mineralien und Vitamine. In der Zucht sind sie platzsparend, kostengünstig und ressourcenschonend.

Eine Nahaufnahme der frittierten Heuschrecken.

Eine Nahaufnahme der frittierten Heuschrecken.

(Bild: ida)

«Wir als Gastronomen müssen den Schritt aufzeigen, Experimente wagen», sagt Wiesner. Wichtig sei, dass man künftig mehr und mehr auf Fleisch verzichte.

«Insekten essen, dieser Gedanke muss sich erst in der Gesellschaft etablieren.» 

Daniel Bisten, Geschäftsführer Gasthof Engel

Auch Bisten sieht das ähnlich: «Wir möchten unsere Gäste nicht abschrecken, sondern wir wollen sie sensibilisieren.» Bisten geht individuell auf seine Gäste ein, möchte ein Gespür dafür bekommen, was sie wirklich wollen, und stellt dementsprechend Gerichte nach Wunsch zusammen. Ihm sei es wichtig, dass man in Zukunft mehr auf Fleisch verzichte. Jedoch dauere es seine Zeit, bis die Akzeptanz der Gesellschaft gegenüber Insekten als Lebensmittel wachse. 

Strenge Gesetzgebung für kleine Tierchen

Die Insekten, die es in der Mall zu essen gibt, werden von der Zürcher Firma Essento AG bezogen. Sie ist ein Pendant zum Luzerner Unternehmen Entomos, das Bio-Insekten züchtet (zentralplus berichtete). Zur Zeit bestehe ein grösseres Interesse an Insekten, als zur Verfügung stünden. Doch die schweizerische Gesetzgebung sei so strikt, dass man als Gastronom fast keine anderen Lieferanten finde, die den Bestimmungen gerecht würden, so Wiesner. 

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