Genossenschafter stimmen klar für Projektkredit

Der erste Grundstein für die neue Zuger Gartenstadt ist gelegt

Quasi einstimmig: Mit 43:1 votierte die ausserordentliche Generalversammlung für den Projektierungskredit von 444'960 Franken für die drei Neubauten der Baugenossenschaft Familia Zug.

(Bild: woz)

Die Baugenossenschaft Familia Zug liess am Donnerstag Abend an ihrer Generalversammlung über einen Planungskredit von 444’960 Franken für drei neue Gebäude in der Zuger Gartenstadt abstimmen. Das Ergebnis war glasklar: Nur ein Genossenschafter votierte dagegen. 43 waren dafür.

Der Saal im Restaurant Brandenberg, wo die ausserordentliche Generalversammlung der Baugenossenschaft Familia Zug stattfand, war voll. Die Stimmung angespannt. Die Offiziellen um Genossenschaftspräsident Peter Niederberger und Verwalter Paul Langenegger nervös.

Kein Wunder. War doch aus linken Kreisen kolportiert worden, dass ein Gegenantrag beziehungsweise ein Antrag zur Ablehnung des Projektierungskredits aus den Reihen der versammelten Genossenschafter vorgebracht werden würde. Doch ausser ein paar schüchtern gestellten Fragen kam nicht viel. Die angekündigte Palastrevolution blieb aus.

«Muess ich use, muess ich nöd use, das isch d’Froog».

Genossenschafter

«Muess ich use, muess ich nöd use, das isch d’Froog», philosophierte dagegen spontan ein anderer Genossenschafter fast im Stile Shakespeares. Und versuchte dann, das versammelte Plenum davon zu überzeugen, doch im Interesse der «Kinder» und der zukünftigen Generationen für die geplanten Neubauten zu stimmen.

Insgesamt 13 neue Wohnhäuser

Um was gehts? Bekanntlich planen in der Gartenstadt Zug die Baugenossenschaft Familia Zug und die kantonale Gebäudeversicherung in den nächsten Jahren 13 Wohnhäuser entlang der Aabach- und Hertistrasse abzureissen und mit Neubauten zu ersetzen. Ausserdem soll eine grosse Autoeinstellhalle gebaut werden.

Dagegen wehrt sich neben betroffenen Anwohnern auch der Verein Pro Gartenstadt Zug. Grund: Zum einen befürchtet der Verein einen sozialen Skandal, weil dabei um die 80 sehr preisgünstige Wohnungen abgerissen werden.

Die Wohnungen in der Gartenstadt seien nicht mehr «zeitgemäss», findet der Zuger Stadtrat. Auf dem Foto eine der Liegenschaften an der Aabachstrasse. Die Bewohner fühlen sich glücklich in den günstigen, hellen Wohnungen.

Die Wohnungen in der Gartenstadt seien nicht mehr «zeitgemäss», findet der Zuger Stadtrat. Auf dem Foto eine der Liegenschaften an der Aabachstrasse. Die Bewohner fühlen sich glücklich in den günstigen, hellen Wohnungen.

(Bild: mbe.)

Zum anderen handle es sich um einen städtebaulichen Skandal, weil die Gartenstadt unter Ortsbildschutz stehe und im Inventar schützenswerter Ortsbilder der Schweiz (ISOS) ohne Abstriche aufgeführt sei. Dies entspreche den gleichen Kriterien wie die Altstadt von Zug, so der Verein. Die IG Pro Gartenstadt hatte übrigens in sämtlichen 172 Wohnungen der Genossenschaft Aufrufe zum Besuch der Generalversammlung gemacht und zur Ablehnung des Kredits Flugblätter verteilt.

«Politisch kann man gegen das Bauprojekt nichts mehr bewirken», sagt Astrid Estermann, Gemeinderätin der Alternative-die Grünen Zug (ALG). Sie gehört dem Verein Pro Gartenstadt an. Beide Bauherren – die kantonale Gebäudeversicherung sowie die Genossenschaft Familia Zug – würden derzeit auf die Erteilung der Baubewilligung der Stadt Zug warten.

So sehen die Pläne für die 13 neuen Häuser in der Zuger Gartenstadt aus – gemäss den Plänen des Projekts DEN-EN.

So sehen die Pläne für die 13 neuen Häuser in der Zuger Gartenstadt aus – gemäss den Plänen des Projekts DEN-EN.

(Bild: zvg)

Die Stadt Zug habe offenbar Beanstandungen an den 13 geplanten Häusern an der Aabach- und Hertistrasse vorgebracht. «Zum einen werden die zu geringen Abstände zwischen den Häusern moniert», sagt Estermann. Zum anderen sei die Stadt Zug nicht bereit, die Hertistrasse, eine öffentliche Strasse im Besitz der Stadt, ab einem gewissen Punkt zu kappen. «Ab der Hertistrasse 49 würde nämlich die Strasse dann plötzlich enden und man müsste kehren, um aus der Hertistrasse wieder herauszukommen», so die alternative Politikerin.

Wohnungen rund 500 Franken teurer

Doch von all diesen Querelen war am Donnerstagabend nichts, aber auch gar nichts, zu spüren. Die Baugenossenschaft Familia Zug kann nun vielmehr mit der konkreten Planung ihrer drei Neubauten für die Aabachstrasse 33 und Hertistrasse 57-59 beginnen. Denn in der ausserordentlichen Versammlung stimmten 43 Genossenschafter dafür, nur einer dagegen.

«Wir bleiben absolut preisgünstig und bauen in einer heiklen Ortsbildschutzzone attraktve Wohnungen», beschwörte Präsident Peter Niederberger die anwesenden Genossenschafter. Eine alte Viereinhalbzimmer-Wohnung koste derzeit 1100 Franken. Neu müsse man dafür 1680 Franken berappen. Also, rund 500 Franken mehr.

Und Verwalter Paul Langenegger, seines Zeichens CVP-Politiker und Vize-Gemeindepräsident von Baar, stellte nochmals klar, dass man die die alten 21 Wohnungen nicht mehr entsprechend sanieren könne. Langenegger: «Familien mit Kind wollen heute etwas Anderes.» Auch die Isolierungen und die Ölheizungen seien nicht mehr zeitgemäss. «Wer da etwas anderes sagt, versteht wirklich nichts von der Materie.»

«Wir stellen keinen Genossenschafter auf die Strasse.»

Peter Niederberger, Präsident Baugenossenschaft Familia Zug

Die geplanten 13 Neubauten, die die Baugenossenschaft Familia Zug zusammen mit der kantonalen Gebäudeversicherung Zug in zwei Etappen bauen wird, heissen DEN-EN (japanisch: «Gartenstadt») und wurden vom Architekturbüro office haratari GmbH in Zürich konzipiert.

Die erste Bauetappe soll von 2019 bis 2021 dauern, die zweite von 2021 bis 2022. Wenn die Wohnungen gekündigt und abgerissen werden, soll aber niemand obdachlos werden. «Wir stellen keinen Genossenschafter auf die Strasse», versicherte Peter Niederberger. Neu erstellt die Baugenossenschaft Familia Zug 20 neue Zweieinhalb- bis Fünfeinhalb-Zimmerwohnungen.

Die Zuger Gartenstadt steht unter Ortsbildschutz – als Ganzes

Die «Gartenstadt» ist ursprünglich ein vom Briten Ebenezer Howard im Jahr 1898 in England entworfenes Modell als Antwort auf die schlechten Wohn- und Lebensverhältnisse der Fabrikarbeiter in Industriestädten. Der Garten diente als Nutzgarten, Spiel- und Erholungsbereich und verhalf den Arbeitern zu einer gesunden Ernährung und Lebensweise.

Die Landis & Gyr erbaute die Zuger Gartenstadt zwischen 1919 und 1960. Sie steht unter Ortsbildschutz. Ausserdem ist sie als Ortsbild von nationaler Bedeutung im Inventar schützenswerter Ortsbilder der Schweiz (ISOS) verzeichnet, und zwar mit Erhaltungsziel A. Dabei werden räumliche und architekturhistorische Qualität sowie die Bedeutung gewürdigt.

Hier zählen nicht die einzelnen Häuser, sondern das Ganze: die Gartenstadt. Von diesem Ortsbild soll nun ca. ein Drittel abgerissen werden. Fünf dieser gefährdeten Häuser werden im Verzeichnis speziell erwähnt als «strukturstarke Wohnblockreihe längs der Aabachstrasse, erb. 1952-54».

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Adrian Huerlimann
    Adrian Huerlimann, 07.12.2017, 17:18 Uhr

    Letzte Arbeitersiedlung ade?

    Die Genossenschafterinnen und Genossenschafter der Familia haben den Planungskredit angenommen und damit dem Abriss der drei Wohnblocks von 1960 in der Gartenstadt zugestimmt. Sie begrüssen den Bau neuer, angeblich komfortablerer Wohnungen, die 50 bis 120 Prozent teurer sein werden. Alle bis auf einen? Ein Drittel der Genossenschaft befürwortet eine Tiefgarage, die gefühlte fünf Millionen kosten dürfte. Alle dafür, die Betroffenen auch? Wirklich? Die Bewohner der Blöcke Aabachstrasse und Hertistrasse waren gar nicht da! Dies bezeugt der einzige Bewohner der Hertistrasse 57, der anwesend war. Aus Angst vor Benachteiligung oder Frustration. Ersatzwohnungen werden in vier Jahren nach Möglichkeit angeboten werden, aber eben nicht garantiert. Die Mieten werden nur um 50 % steigen? Die Wohnungen der ins Projekt einbezogenen benachbarten zehn Blöcke der Gebäudeversicherung werden laut Max Uebelhart „preisgünstig“ vermietet werden, was laut Reglement bis zu 2470 Franken für vier Zimmer bedeutet. Wenn Verwalter Paul Langenegger eine Sanierung für unmöglich erklärt und anmerkt, wer etwas anderes sage, der verstehe wirklich nichts von der Materie – ist damit auch der Zuger Stadtrat gemeint? Der hat den Eigentümern nämlich sehr wohl „aufgezeigt, wie die Liegenschaften saniert und erweitert werden könnten“, wie er in der Beantwortung der Interpellation vom April 2015 ausführt. Ausserdem bedauert er, dass mit der Entwicklung des Areals durch die Grundeigentümer ausserordentlich günstiger Wohnraum verloren gehe. Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen. Ausser vielleicht die Tatsache, dass mit der Bewohnerschaft mehrere Generationen Industriegeschichte entsorgt werden sollen. Daran ändert auch feigenblättriger Denkmalschutz im übrigen ISOS-Gebiet nichts.

    Adrian Hürlimann, Zug

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