Rotkreuz macht es vor, andere sollen nachziehen

Später in den Hörsaal: Uni Luzern führt Gespräche mit SBB

Hauptgebäude der Universität Luzern.  (Bild: rew)

Geht es nach den SBB, sollen Universitäten ihre Vorlesungszeiten auf den Fahrplan abstimmen, um Pendlerzüge zu entlasten. Das Informatik-Departement der Hochschule in Rotkreuz hat es vorgemacht. Auch Gespräche mit der Universität Luzern sind im Gange. Wieso sich dort allerdings nicht viel ändern wird.

Länger schlafen und ohne Pendler-Dichtestress in den Hörsaal: So machen es die Studierenden des Departements Informatik in Rotkreuz seit einem Jahr. Die Vorlesungen starten erst um 9 Uhr und enden um 11.25, 15.20, 18 oder 20.55 Uhr, sodass ein grosser Teil der Studis an den Pendlerströmen vorbeikommt. Ein Pionierprojekt, das Schule machen soll, sagten die Verantwortlichen der SBB damals (zentralplus berichtete).

Tatsächlich hat vor kurzem eine zweite Hochschule nachgezogen: Am neuen Campus Muttenz der Fachhochschule Nordwestschweiz werden ab Herbst 2018 die Vorlesungszeiten ebenfalls auf die Pendlerströme abgestimmt.

Die SBB führen Gespräche mit mehreren Bildungsinstitutionen – auch mit der Universität Luzern, wie diese auf Anfrage bestätigt. Werden Studis in Luzern also bald auch später zu ihren Seminaren und Vorlesungen antraben müssen und am Abend gestaffelt heimkehren?

Luzern hat kaum freie Räume

«Unmittelbar sind keine Veränderungen zu erwarten», sagt Mediensprecher Lukas Portmann. An der Uni Luzern seien viele Anpassungen bereits gemacht. «Wir haben heute schon Vorlesungen über den Mittag und in den Abend hinein.»

«Aufgrund des Platzbedarfs müssen wir das Gebäude optimal nutzen. Unsere Möglichkeiten sind daher eingeschränkt.»

Lukas Portmann, Mediensprecher Universität Luzern

Allerdings gibt es an der Universität zahlreiche Vorlesungen, die um 8 Uhr beginnen – womit zahlreiche Studierende zur selben Zeit unterwegs sind wie die Berufspendler. Dass auch die Studierenden der Uni Luzern bald länger ausschlafen können, dürfte aber schwierig werden, weil es kaum genügend freie Hörsäle hat. «Aufgrund des Platzbedarfs müssen wir das Gebäude optimal nutzen», sagt Lukas Portmann. «Unsere Möglichkeiten sind daher eingeschränkt.»

Tatsächlich hat die Uni Luzern die Vorlesungszeiten erst vor einem Jahr angepasst, weil mit der neuen Fakultät für Wirtschaftswissenschaften mehr Studenten eingeschrieben sind – und es entsprechend mehr Platz brauchte.

«Das Gedränge im Zug ist bereits sehr gross, wenn die Vorlesung um 16 Uhr zu Ende ist.»

Livia Kott, Vorstand Studierendenorganisation der Universität Luzern

Die Studierenden selber erwarten vom Rotkreuzer Modell keine Wunder. «Vor allem bei der Heimreise am Abend sind Züge und Busse sehr voll. Aber das Gedränge ist bereits sehr gross, wenn die Vorlesung um 16 Uhr zu Ende ist», sagt Livia Kott von der Studierendenorganisation der Universität Luzern (SOL). «Daher denken wir, dass eine Anpassung keine grosse Entlastung wäre.»

SBB halten sich bedeckt

Welche Züge dank einer Umstellung in Luzern besonders profitieren würden, ist ohnehin nicht bekannt. Zur Auslastung einzelner Züge mache man keine Angaben, sagt SBB-Mediensprecher Oli Dischoe. Im Rahmen der laufenden Gespräche werden laut Lukas Portmann indessen auch die Pendlerströme detaillierter analysiert.

Rotkreuz bald im Passepartout?

Für Informatik-Studierende aus dem Raum Luzern könnte das Pendeln bald noch einfacher werden. Denn zurzeit liegt Rotkreuz ausserhalb des Passepartout-Tarifverbundes. Viele brauchen deshalb zwei Abonnemente des öffentlichen Verkehrs, beispielsweise eines für die Zone 10 der Stadt Luzern und eines für die Strecke Luzern–Rotkreuz. Das könnte sich in Zukunft ändern. «Aufgrund der Entwicklung und der Ansiedlung von neuen Arbeits- und Studienplätzen sehen wir Handlungsbedarf», sagt Romeo Degiacomi, Mediensprecher des Verkehrsverbunds Luzern. «Pendler haben in der Vergangenheit den Wunsch geäussert, dass Rotkreuz als zusätzliche Zone im Passepartout aufgenommen wird.»

Man werde das Anliegen angesichts dessen erneut anstossen und gemeinsam mit den SBB, dem Tarifverbund Zug und dem Kanton Zug eine komfortable Lösung suchen, so Degiacomi. Allerdings hält er fest: «Bereits in der Vergangenheit wurden Gespräche geführt – leider ohne Ergebnis.»

Von Seiten SBB will man zurzeit noch gar keine Auskunft über den Stand der Dinge an der Uni Luzern geben. Man äussere sich zu konkreten Umsetzungen, sobald etwas spruchreif sei, so Dischoe.

Klar ist aber, dass die SBB bei den Universitäten und Hochschulen das grösste Potenzial sehen, um Pendler auf andere Züge und Busse zu verlagern. Gemäss einer Studie könnten mithilfe von verschobenen Vorlesungszeiten über 22’000 Studierende ausserhalb der Hauptverkehrszeiten reisen und so zu einer Entlastung beitragen, schätzen die SBB. Die Universität Luzern zählt knapp 3000 Studierende, wovon rund die Hälfte von ausserhalb der Stadt anreist (zentralplus berichtete).

In Rotkreuz musste man nachbessern

In Rotkreuz, wo die Vorlesungen bereits dem Fahrplan angepasst wurden, zieht man ein zufriedenstellendes Fazit. «Die Anpassung der Vorlesungszeiten ist aus unserer Sicht geglückt», sagt René Hüsler, Direktor des Departements Informatik und Leiter Ressort Ausbildung der Hochschule Luzern. Die Reaktionen seien bisher positiv ausgefallen. «Die Studierenden finden in den Zügen jetzt eher freie Plätze, wo sie in Ruhe ihre Unterlagen durchlesen und sich so besser auf die Lektionen oder Prüfungen vorbereiten können.»

René Hüsler, Direktor des Departements Informatik der Hochschule Luzern, ist zufrieden.

René Hüsler, Direktor des Departements Informatik der Hochschule Luzern, ist zufrieden.

(Bild: mbe)

Dennoch kam es nach dem Start des Pionierprojekts noch zu Anpassungen. Ursprünglich starteten die Vorlesungen um 9 Uhr. «Das war für die Studierenden zu knapp, um vom Bahnhof auf den Campus zu gelangen. Daher haben wir den Beginn der Lektionen auf 9.05 Uhr verschoben», sagt Hüsler. Und auch für die Zukunft kann es wieder zu Verschiebungen kommen, sofern der Fahrplan der SBB ändert. 

Bei der Hochschule Luzern ist man überzeugt, dass die Zufriedenheit der Studierenden nicht auf dem Campus, sondern schon in den Pendlerzügen beginnt. Nicht auszuschliessen, dass in Zukunft auch andere Departemente nachziehen. «Weitere Anpassungen an anderen Standorten der Hochschule Luzern werden geprüft», sagt Hüsler.

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