Polizei ist Herausforderungen nicht gewachsen

Ylfete Fanaj: «Paul Winiker macht seinen Job nicht»

Betrachten die momentane Situation als unbefriedigend: Sicherheitsdirektor Paul Winiker (links), SP-Kantonsrätin Ylfete Fanaj und CVP-Kantonsrat Peter Zurkirchen.

(Bild: lwo, CVP Kanton Luzern)

Die Luzerner Polizei kann ihren politischen und gesetzlichen Auftrag nur bedingt erfüllen. Dabei hatte der Sicherheitsdirektor noch im Mai eine Offensive angekündigt. Das Problem: Die finanzielle Situation des Kantons hat wichtige Entwicklungen in den letzten Jahren verhindert.

Die momentane finanzielle Situation des Kantons Luzern macht umfassende Massnahmen in allen Bereichen der Verwaltung dringend notwendig. Davon ist auch die Polizei nicht ausgenommen.

Nun räumt die Regierung offiziell ein, dass die aufgrund der massiven Sparmassnahmen erfolgten Pensenreduktionen die Arbeit der Polizei und der Strafverfolgungsbehörden sehr schwierig macht. So bleiben viele Fälle bei der Staatsanwaltschaft liegen, und die Polizei kann bei Notfällen teilweise nicht adäquat reagieren (zentralplus berichtete). Denn vielmehr bedarf es eigentlich eines Personalausbaus.

Für moderne Aufgaben kaum gerüstet

Insbesondere neue Kriminalitätsformen wie Cyberkriminalität und Menschenhandel können laut der Regierung – im Gegensatz zu anderen Kantonen – nicht wirksam bekämpft werden. Dies soll sich aber mittelfristig bessern. Ab 2019 sieht der Regierungsrat bei der Polizei wieder einen Stellenausbau vor. Ob dies die erhoffte Verbesserung bringt, steht allerdings in den Sternen. Denn auch dann fährt die Polizei noch auf dem absoluten Minimum.

«Weitere Kürzungen und Verzögerungen bei der Umsetzung werde ich auf gar keinen Fall akzeptieren.»

Peter Zurkirchen, CVP-Kantonsrat

Auch die Staatsanwaltschaft steht bereits jetzt vor grossen Problemen. Jeder zehnte Fall kann wegen Personalmangel nicht bearbeitet werden. «Aufgrund der aktuellen Lage könnte sich dies weiter verschärfen», so die Regierung.

So lautet zusammengefasst die Antwort der Regierung auf eine Anfrage, die von 30 Parlamentariern, hauptsächlich aus der CVP-Fraktion, unterzeichnet wurde. Die Regierung sollte darin die Entwicklung der Mittel für die polizeilichen Leistungen und die Strafverfolgung aufzeigen.

SP-Kantonsrätin fordert eine Untersuchungskommission

In die gleiche Richtung zielt auch die Antwort auf einen Vorstoss von Ylfete Fanaj. Das Postulat der SP-Kantonsrätin forderte die Regierung auf, bei der Kriminalpolizei umgehend zwei Stellen zu schaffen, um Ermittlungen im Bereich Menschenhandel wieder aufnehmen zu können. 

Die Regierung will nun aber trotzdem bis auf Weiteres auf solche Ermittlungen verzichten. Dabei führt sie die fehlende rechtliche Grundlage ins Feld. Bevor man wieder tätig werden könne, müsse das Polizeigesetz angepasst werden. Die entsprechenden Vorbereitungen wurden im Mai dieses Jahres aufgrund der notwendigen Sparmassnahmen und fehlenden personellen Ressourcen allerdings sistiert.

«Das ist verheerend.»

Ylfete Fanaj, SP-Kantonsrätin

Dies lässt Ylfete Fanaj nicht gelten. «Der Kanton Zürich verfügt auch nicht über eine spezifisch kantonale Gesetzesbasis und ermittelt trotzdem im Bereich Menschenhandel», sagt sie. Auch in Luzern wurde bis 2015 trotz des Fehlens einer Rechtsgrundlage entsprechend gehandelt. Es fehle deshalb am politischen Willen, den Menschenhandel zu bekämpfen. Wäre dieser vorhanden, könne man die Arbeit sofort wieder aufnehmen, sagt sie.

Empört zeigt sie sich insbesondere über die eingestellte Arbeit am entsprechenden Gesetzesartikel. «Zu warten, bis man die finanziellen Mittel hat, bedeutet, dass bis frühestens 2021/22 die notwendige Personalaufstockung ausbleibt. Das ist verheerend», so Fanaj.

Sind gemäss Ylfete Fanaj viel zu wenig geschützt: Eine Prostituierte spricht mit einem Freier.

Sind gemäss Ylfete Fanaj viel zu wenig geschützt: Eine Prostituierte spricht mit einem Freier.

(Bild: Fotolia)

Sie fragt sich, ob dieses Nichthandeln seitens des Regierungsrates gegen übergeordnetes Recht verstösst. Denn die Kantone seien verpflichtet, gegen Menschenhandel vorzugehen. «Die Aufsichts- und Kontrollkommission des Kantonsrates hat zu untersuchen, ob sich Herr Winiker nicht an übergeordnete Gesetze hält.» Sie fällt ein hartes Urteil: «Paul Winiker macht seinen Job nicht.»

Parlamentarier ist zurückhaltend

Weniger kritisch zeigt sich CVP-Kantonsrat Peter Zurkirchen, Erstunterzeichner der Anfrage über die Ressourcenausstattung, mit der Antwort der Regierung. Er ist insofern zufrieden, als dass diese sehr ehrlich sei und die Probleme und Herausforderungen schonungslos aufzeige.

Das Erreichen der in der regierungsrätlichen Antwort formulierten Ziele, vor allem des Personalausbaus, schätzt er als eminent wichtig ein. Auch wenn die momentane Finanzlage des Kantons deren Realisierung sicherlich nicht einfacher mache.

«Ein gutes Sicherheitsgefühl ergibt eine gute und erhöhte Lebensqualität, was sich als Standortvorteil eines Kantons auswirkt. Diese Ziele können mittelfristig nicht vollumfänglich erreicht werden.»

Justiz- und Sicherheitsdirektion

«Weitere Kürzungen und Verzögerungen bei der Umsetzung werde ich auf gar keinen Fall akzeptieren», betont Zurkirchen. Die zur Verfügung stehenden Mittel für die gesetzten Ziele erachtet er als sehr knapp berechnet.

Doch wo sollen die notwendigen Mittel herkommen? Darauf hat Peter Zurkirchen keine Antwort parat. «Die Begehrlichkeiten sind weitherum verstreut. Die Verteilung von freien Geldern muss deshalb breit diskutiert werden», sagt er.

Nun ist die Regierung am Zug

Um die Ziele zu erreichen, braucht die Polizei pro Jahr eine Million Franken zusätzlich. Der Gesamtaufwand des Kantons Luzern beläuft sich auf 3,5 Milliarden Franken jährlich. Es wird sich weisen müssen, inwiefern die Mittel für die Polizei lockergemacht werden können. In jüngster Vergangenheit hat sich jedenfalls gezeigt, dass bereits um weit kleinere Posten teils heftig gerungen wird.

«Es fehlen praktisch bei allen polizeilichen Tätigkeiten die adäquaten Mittel.»

Justiz- und Sicherheitsdirektion

Peter Zurkirchen schiebt die Verantwortung folglich der Regierung zu. Sie müsse nun rasch aufzeigen, inwiefern sich die angestrebten Entwicklungen umsetzen lassen. Da werde man ein Auge darauf halten. Es müsse jedenfalls rasch etwas geschehen, so Zurkirchen.

90’000 Stunden als Ziel

Doch was will die Regierung konkret unternehmen, um die Situation zu verbessern? Eines der Ziele ist, die Zahl der für Patrouillen aufgewendeten Stunden mittelfristig auf jährlich 90’000 zu erhöhen. Dafür braucht es mehr Personal. Im Budget 2018 sind jedoch nur 75’000 Stunden vorgesehen. Parlamentarier Zurkirchen betrachtet die Situation folglich als unbefriedigend.

Die Polizei könne heute in Bagatellfällen wie einem Einbruch wegen mangelndem Personal nicht ausrücken. «Die Polizei sagt heute oft einfach, die Leute sollen den Schaden halt der Versicherung angeben», so Peter Zurkirchen.

Immerhin ist die Regierung nicht versucht, die Situation schönzureden. «Es fehlen praktisch bei allen polizeilichen Tätigkeiten die adäquaten Mittel», gibt sie unumwunden zu.

«Die Leute fühlen sich nach wie vor sicher.»

Peter Zurkirchen, CVP-Kantonsrat

Die Problematik zeige sich insbesondere bei der so genannten Polizeidichte (Anzahl Einwohner pro Polizist). Diese hat sich laut dem Regierungsrat in den letzen Jahren verschlechert. Entgegen dem schweizerischen Trend, wie er schreibt.

Entwicklung der so genannten Polizeidichte im Kanton Luzern: Während die Bevölkerung stetig wächst, nimmt die Zahl der Polizisten ab. Erst ab 2019 soll sich der Trend ändern.

Entwicklung der so genannten Polizeidichte im Kanton Luzern: Während die Bevölkerung stetig wächst, nimmt die Zahl der Polizisten ab. Erst ab 2019 soll sich der Trend ändern.

(Bild: Sicherheits- und Justizdirektion Kanton Luzern)

Der Bericht des Regierungsrates liest sich folglich wie eine Anklage. Sowohl in Richtung Parlament als auch in Richtung Bevölkerung. So schreibt die Regierung: «Nach der Ablehnung der Steuerfusserhöhung ist eine Situation entstanden, die weder geplant noch gewollt war.»

Mühe bei der Umsetzung des gesetzlichen Auftrages

Höchste Zeit für Verbesserungen also. Denn «gemessen an den Vorgaben haben die Luzerner Polizei und die Staatsanwaltschaft zu wenig Ressourcen», schreibt die Regierung. Sie zeigt schonungslos auf, dass die Polizei aufgrund des personellen Notstandes den wachsenden gesellschaftlichen Veränderungen nicht gewachsen ist.

«Ein gutes Sicherheitsgefühl ergibt eine gute und erhöhte Lebensqualität, was sich als Standortvorteil eines Kantons auswirkt. Diese Ziele können mittelfristig nicht vollumfänglich erreicht werden», schreibt die Regierung in ihrer Antwort weiter.

Können wir uns noch sicher fühlen?

Dass Handlungsbedarf besteht, scheint der Regierung also klar zu sein. «Sowohl für die Polizei wie auch die Staatsanwaltschaft gilt nach wie vor als oberstes Ziel, den gesetzlichen Auftrag zu erfüllen, die Sicherheit objektiv hoch zu alten und das Sicherheitsgefühl der Luzerner Bevölkerung zu stärken», so der Regierungsrat.

Trotz der vielen Probleme schätzt Kantonsrat Zurkirchen die Lage noch nicht als dramatisch ein. «Die Leute fühlen sich nach wie vor sicher», sagt er. Ein akutes Sicherheitsproblem gebe es daher nicht.

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