Zug und seine «Lingua Franca» (4): Johnson&Johnson

«Hochdeutsch bei der Arbeit fällt mir viel schwerer als Englisch»

Adrian Gfeller und Vanessa Müller arbeiten bei Johnson&Johnson in Zug – und sprechen im Prinzip den ganzen Tag Englisch.

(Bild: woz)

In Zug gibt es zig internationale Unternehmen mit zig internationalen Mitarbeitern. Zum Beispiel Johnson&Johnson. Da ist Englisch im Büro ein «Must». «No problem» sagen zwei Schweizer Mitarbeiter.

Die freundliche Dame an der Rezeption bei Johnson&Johnson begrüsst einen mit einem herzlichen Grüezi. Und der Herr, der wenige Minuten später mit der gleichen Dame plaudernd in den Nachmittag gleitet, spricht auch Deutsch. Schwiizerdüütsch sogar. Andererseits hängt an der Wand hinter der Rezeption in leuchtenden Buchstaben das Credo der Firma. Alles in Englisch. Of course! Ja, was nun?!

Johnson&Johnson Switzerland in Zug hat rund 1000 Mitarbeiter. «Darunter sind 40 verschiedene Nationalitäten. Der Anteil Schweizer im Vergleich zu den Expats ist etwa fifty-fifty», sagt Adrian Gfeller. Der «Senior Key Account Manager» sitzt gerade mit seiner Kollegin Vanessa Müller, «Customer & Shopper Marketing Assistant», in der Kantine des weltweit tätigen amerikanischen Pharmazie- und Konsumgüterherstellers an der Zuger Gubelstrasse.

Der 33-Jährige und die 22-Jährige arbeiten bei Johnson& Johnson zusammen mit 28 anderen Personen im Team des Consumer-Bereichs für die Schweiz. Das heisst: Eigentlich haben sie es gut. Denn sie können noch Deutsch und Schwiizerdüütsch in ihrer Abteilung sprechen – denn ausser einer Brasilianerin sind alle anderen Mitarbeiter in der Schweiz oder Deutschland aufgewachsen. «Und die Kollegin aus Brasilien kann inzwischen gut Deutsch.»

In der Kantine von Johnson&Johnson: Der Senior Key Accountant Manager und die Customer & Shopper Marketing Assistant.

In der Kantine von Johnson&Johnson: Der Senior Key Accountant Manager und die Customer & Shopper Marketing Assistant.

(Bild: woz)

Andererseits kennen beide bestens die sprachlichen Gepflogenheiten in einem internationalen Unternehmen wie Johnson&Johnson. «In der Kantine, im Lift oder in der Parkgarage sage ich eben Good Morning, how are you?», meint Adrian Gfeller, der gebürtige Berner, der in Züri wohnt. Und seine aus Küssnacht stammende Arbeitskollegin versichert: «Den ganzen Tag Englisch zu sprechen macht mir überhaupt nichts aus. Seit ich mit 15 ein Jahr in den USA verbracht habe, ist mir die Sprache in Fleisch und Blut übergegangen.» No problem, also.

«Wenn ich zum Mittagessen in die Kantine gehe, setze ich mich neben jemanden, der mir angenehm ist. Und nicht, weil er Deutsch spricht.»

Vanessa Müller, Customer & Shopper Marketing Assistant, Johnson&Johnson

Aber wie ist das zum Beispiel, wenn man alleine in die Kantine geht? Setzt man sich dann nicht doch automatisch neben einen Schweizer – so aus einem genetisch bedingten Heimat-Feeling heraus? Oder quatscht man nicht schnell mal Schwiizerdüütsch oder Deutsch, wenn in der Teeküche ein Schweizer Kollege steht?

Not necessarily. Nicht unbedingt. «Wenn ich zum Mittagessen in die Kantine gehe, setze ich mich neben jemanden, der mir angenehm ist und mit dem ich mich verstehe. Und nicht, weil er Deutsch spricht», sagt Vanessa Müller. Sie wolle ja eine angenehme Pause erleben. «Und ausserdem habe ich ja vorher gewusst, dass ich in einem englisch sprechenden Betrieb arbeite.» Sie habe deshalb auch schon das Business-KV in Zug mit Schwerpunkt Englisch absolviert.

Gebot der Höflichkeit

Adrian Gfeller empfindet ähnlich. «Wenn ich mit einer schweizerischen Kollegin in der Teeküche bin, und es kommt beispielsweise eine holländische Kollegin hinzu, stelle ich ihr natürlich auf Englisch meine Kollegin vor. Das ist schon ein Gebot der Höflichkeit.» What a wonderful world!

Und doch ist nicht alles ganz so einfach in einem Betrieb, in dem Englisch für alle der gleiche sprachliche Nenner ist. Denn während die Expats unter den Mitarbeitern und die schweizerischen Kollegen mühelos und ohne «Grammatik-Alarm» miteinander den Tag über locker parlieren, steigt der Puls schon mal an: Wenn man beispielsweise jemanden beruflich von der englischen oder amerikanischen Abteilung an der Strippe habe.

Beim Minigolfen in der Firma: Adrian Gfeller und Vanessa Müller.

Beim Minigolfen in der Firma: Adrian Gfeller und Vanessa Müller.

(Bild: woz)

«Da muss ich mich dann schon mehr konzentrieren und mich bemühen, keine Fehler beim Sprechen zu machen», räumt Vanessa Müller ein. Denn Englisch sei nun mal nicht ihre Muttersprache. Wobei sie gesteht, dass sie sich viel unwohler fühlt, wenn sie mit Arbeitskollegen aus dem nordrhein-westfälischen Neuss telefoniert. «Hochdeutsch bei der Arbeit fällt mir viel schwerer als Englisch». Irre!

«Bei uns in der Firma sind die Expats gut integriert.»

Adrian Gfeller, Senior Key Account Manager, Johnson&Johnson

Auch in Sachen Integration laufe nicht immer alles so rund. «Bei uns in der Firma sind die Expats zwar gut integriert», erklärt Gfeller. Aber privat sei es dann schon öfters der Fall, dass Ausländer ohne Familienanschluss, vor allem Jüngere, die zumeist noch in Zürich wohnten, sich eben doch lieber in best organisierten «Expat-Circles» bewegten als sich mit Schweizer Kollegen zu treffen. «Und so mancher Schweizer Kollege, der mit Familie in Zug wohnt und lebt, trifft sich in der Freizeit dann eben doch lieber mit Schulfreunden oder Vereinskollegen als einen neuen englisch sprechenden Kollegen kennenzulernen. Doch also eine «small world». Irgendwie.

Aber jetzt mal ganz ehrlich. Es muss doch auch Tage geben – nach einem Hangover bei einer feuchtfröhlichen Party beispielsweise – an denen man wirklich null Bock hat, Englisch zu sprechen. «Das Englisch ist dann nicht das Problem in solchen Situationen», versichert Vanessa Müller. Das Englisch nehme sie gar nicht mehr so richtig wahr, weil es auch gar keine Energie brauche. Wobei die 22-Jährige ein spezieller Fall ist, spricht sie doch auch in ihrer Zürcher WG mit zwei Ausländern am Feierabend Englisch. 

Schon «aligned»?

Wahrgenommen haben die beiden Jonhson&Johnson-Mitarbeiter dagegen bei sich ein ganz anderes Phänomen. Nämlich, dass sich in ihren persönlichen Wortschatz inzwischen so viele Anglizismen eingeschlichen haben, dass sie dies erst bemerken, wenn aus ihrem persönlichen Umfeld, im Ausgang etwa, mal jemand wieder leicht befremdet mit der Wimper zuckt.

«Also wir sprechen ja nur noch von events, purpose und ähnlichem», sagt Adrian Gfeller und findet es selbst etwas «strange». Man sage auch immer untereinander in der Firma: «Ja, wir haben uns schon aligned.» Hä?! «Align heisst soviel, wie sich ausrichten, sich auf Linie bringen, sich angepassen», meint Gfeller. Echt lustig.

Am Töggelikasten zur Entspannung.

(Bild: woz)

Und was ist eigentlich mit den Expats? Regen sich die schweizerischen Kollegen bei Johnson&Johnson denn nicht mal drüber auf, warum ihre ausländischen Kollegen noch kein richtiges Deutsch können. «Wenn die nur zwei, drei Jahre hier sind, haben die nicht wirklich ein Interesse daran, Deutsch zu lernen. Sie wissen ja, dass es mit Englisch funktioniert», sagt der 33-Jährige lapidar.

Die Expats – und das mit dem Deutschlernen

Doch auch hier ist die Welt nicht so «black and white», wie man denkt. Vanessa Müller nimmt ihre ausländischen Kollegen sofort in Schutz. «Solche, die Deutsch gelernt haben, werden ja in Zug sofort auf Englisch angesprochen, wenn die Leute merken, dass sie nicht perfekt Deutsch sprechen. Das mache ich auch so», räumt sie selbstkritisch ein.

«Und dann muss man ja sehen, dass Ausländer, die Deutsch gelernt haben, auch noch auf Dialekt sprechende Schweizer stossen. Die müssen sich also gleich zweimal vor den Kopf gestossen fühlen», ergänzt Gfeller. To speak or not to speak, also. Echt.

Das ist der Schluss der vierteiligen Serie «Zug und seine Lingua Franca»

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