Kriminalgericht verurteilt notorischen Kriminellen

Der Unhold von Luzern: Die brutale Verbrechensorgie eines 20-Jährigen

Der Beschuldigte sei «jung und naiv» gewesen. Von den illegalen Machenschaften habe er nichts gewusst – was Beweise jedoch widerlegen.

(Bild: Symbolbild: Fotolia)

Gewalt, Betrug, Diebstahl und grobe Verkehrsverletzungen: Einem jungen Luzerner brannten alle Sicherungen durch. Während weniger als acht Monaten verstiess der damals 20-Jährige gegen einen bunten Strauss an Strafgesetzen und verletzte einen Menschen schwer. Doch auch die Behörden haben versagt.

Wieder mal war eine Party im Luzerner Roadhouse angesagt: Hamsa Akram* feierte mit Freunden – doch friedlich blieb die Nacht vom 31. Juli auf den 1. August 2014 nicht. Im Club fühlte sich der damals 20-jährige Afghane von seinem späteren Opfer Peter Mattmann* «blöd angeschaut», «der Typ» habe ihn die ganze Zeit «Schnäggli» genannt, wie er später vor Gericht aussagte. Trotzdem begleitete Akram den Mann in den Bahnhofshop Aperto, wo er auf zwei Kollegen traf.

Vielleicht beschloss Akram bereits im Club, den Provokateur zu «verchlöpfen», wie der Afghane mit vorläufigem Asylstatus es formulierte, spätestens aber, als er auf die beiden Mittäter traf. Mattmann und einer von Akrams Kollegen verliessen den Bahnhof und liefen in Richtung des damaligen Restaurants Borromini am Floraweg. Akram und ein weiterer Mittäter folgten kurz darauf.

Brutale Attacke und Diebstahl

Dann, gegen fünf Uhr, eskalierte die Sache. Die Sicherungen brannten den jungen Männern durch: Ein Schlag gegen den Kopf, danach lag das Opfer wehrlos am Boden. Das hielt die drei jedoch nicht zurück. Akram trat mehrmals mit dem Fuss auf das am Boden liegende Opfer ein, danach flüchteten die Täter.

Mattmann lag danach mehr als eine Woche im Spital. Er erlitt einen doppelten Unterkiefer- und einen Jochbogenbruch und musste zwei Operationen über sich ergehen lassen. Dass das Opfer keine schlimmeren oder bleibende Schädigungen davontrug, muss laut dem Gericht als glückliche Fügung bezeichnet werden.

Eskalation im Jahr 2013

Die brutale Attacke in der Luzerner Innenstadt bildet nur den traurigen Tiefpunkt einer regelrechten Verbrechensorgie Akrams. Nun hat das Luzerner Kriminalgericht den jungen Mann verurteilt. 3 Jahre und 10 Monate muss er absitzen. Die Staatsanwaltschaft forderte vier Jahre, die Verteidigung zwei Jahre Gefängnis. Die Verteidigung hat Berufung angemeldet.

Neben der Gefängnisstrafe muss Akram 27’700 Franken für die entstandenen Verfahrenskosten bezahlen. Ausserdem sind diverse zivilrechtliche Forderungen hängig. Dem Opfer Mattmann muss er zudem 10’000 Franken Genugtuung bezahlen.

Schuldig spricht ihn das Gericht der versuchten schweren und einfachen Körperverletzung, des gewerbsmässigen Betrugs, der mehrfachen Sachbeschädigung, des Diebstahls, der mehrfachen Urkundenfälschung, Erschleichung einer Falschbeurkundung, des Fahrens eines Motorfahrzeugs als Inhaber eines Lernfahrausweises ohne Begleitperson, der Verwendung eines entwendeten Kontrollschildes sowie der mehrfachen groben Verletzung der Verkehrsregeln. Akram sitzt derzeit in einer Strafanstalt für junge Erwachsene ein.

Grobe Verletzung der Verkehrsregeln

Das erste Mal in Haft sass Akram 2011 aufgrund diverser Delikte. Unter anderem wegen Gehilfenschaft zu Raub, Drohung und einfacher Körperverletzung. Zuvor war er bereits in der Oberstufe durch sein hyperaktives Verhalten aufgefallen, indem er häufig andere Kinder schlug.

Nachdem er 2013 seinen Job als Finanzberater verlor, spitzte sich die Sache zu. Zuerst versuchte er ab Dezember 2013 illegal an Geld zu kommen, um sich den Ausgang finanzieren zu können. So schloss er insgesamt 11 Mobiltelefonverträge unter dem Namen und mit der gefälschten Unterschrift seines Bruders ab – dafür verwendete er einen gefälschten Notpass. Die dadurch erworbenen Geräte verkaufte er an seine Kollegen.

Zwischen April und Mai 2014 verkaufte er ausserdem 16 Mobiltelefone über Internet-Auktionsplattformen. Ohne jemals eines der Geräte in Besitz zu haben. Die Deliktsumme durch Betrug und versuchten Betrug beläuft sich auf gegen 17’000 Franken.

Zwischendurch gestattete sich der Übeltäter auch eine abenteuerliche Strolchfahrt mit einem ausgemusterten Auto. Dafür stahl er im Mai 2014 zusammen mit einem Kollegen Kontrollschilder und schraubte diese an den zuvor gekauften Opel. Zusammen mit dem Mittäter fuhr er von Luzern Richtung Wolhusen – obwohl die beiden lediglich Akrams Lernfahrausweis vorweisen konnten. Die Fahrt endete mit einem Selbstunfall, nachdem Akram bei Regen mit 80 Stundenkilometern durch Werthenstein gefahren und dabei die Kontrolle über das Fahrzeug verloren hatte.

Staatsanwalt versemmelt erstes Verfahren

Nur einen Tag nach der brutalen Attacke am 1. August 2014 auf Mattmann wurde Akram an Suters Meile Bistro erneut straffällig – er schlug um vier Uhr morgens einem Mann mit der Faust ins Gesicht. Das Opfer erlitt eine Rissquetschwunde an der Oberlippe, eine Prellung des Ellenbogens und eine leichte Gehirnerschütterung.

Ab Mitte Juni 2014 war Akram mehrmals kurz in Haft. Am 29. Oktober wurde er nach 35 Tagen Untersuchungshaft definitiv in den vorzeitigen Massnahmenvollzug geschickt. Doch erst im April 2017 fand die Verhandlung statt.

Grund ist eine Panne beim Strafverfahren. Denn der zuständige Staatsanwalt reichte bereits im Mai 2015 die Untersuchungsakten für ein abgekürztes Verfahren ein. Aber das Kriminalgericht wies die Akten aufgrund inhaltlicher und formeller Mängel zurück. Das Kriminalgericht fand unter anderem die rechtliche Würdigung des Sachverhalts unvollständig. Doch auch der Angeklagte sorgte mit widersprüchlichen Aussagen für eine Verzögerung des Verfahrens. Aufgrund der langen Verfahrensdauer reduziert sich die Strafe von Akram um zwei Monate.

Positiver Verlauf, hohe Rückfallgefahr

Ein Gutachten bescheinigt Akram eine dissoziale Persönlichkeitsstörung und eine ADHS-Erkrankung. Das Rückfallrisiko sei hoch. Der Verurteilte ist laut dem Gutachten prototypisch für einen jungen Erwachsenen, der in seiner Persönlichkeitsentwicklung gestört ist. Akram kam als Baby mit seiner Familie aus Afghanistan in die Schweiz.

Der laufende Massnahmenvollzug in einer auf junge Erwachsene spezialisierten Einrichtung verläuft laut dem Urteil positiv. Inzwischen hat Akram eine Koch-Lehre in Angriff genommen. Seit 2016 hat er eine Freundin und hofft laut dem Urteil, eine Familie gründen zu können. Mit seiner Familie, auch mit seinen Eltern, hat der Täter laut eigenen Angaben wieder Kontakt. Mit früheren Schulkollegen habe er die Beziehung abgebrochen.

*Die Namen von Täter und Opfer wurden von der Redaktion geändert.

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