Politiker verlangen Gratis-Velos für alle Luzerner

Bike-Sharing: Drei weitere Anbieter wollen nach Luzern

Werden rege genutzt, seit sie gratis sind: Die Leihvelos von Nextbike, hier an der Bruchstrasse.

(Bild: jal)

Nicht nur O-Bike, sondern noch zwei weitere Anbieter wollen in Luzern ihre Gratis-Velos anbieten. Doch Stadtluzerner fahren dieses Jahr bereits gratis mit Nextbike. Nun verlangen SP und Juso, dass die Stadt unbegrenzt kostenlose Leihvelos anbietet. Dieser Vorstoss dürfte dazu führen, dass nur ein Anbieter zugelassen wird.

Lange schlummerten sie auf ihren Parkplätzen, doch seit einigen Monaten sieht man immer mehr Luzerner mit einem Mietvelo von Nextbike durch die Stadt düsen. Der Grund für das Erwachen aus dem Dornröschenschlaf: Seit März können die Einwohner der Stadt die Velos gratis benutzen. Mit der Kampagne «take a bike» sollte das Angebot in sechs Gemeinden bekannt gemacht werden. Während die Nextbikes beispielsweise in Sursee und Horw während drei Jahren gratis sind, läuft die Kampagne in Luzern Ende Jahr aus. Danach kosten die Velos wieder (siehe Box).

Gratis-Abgabe führte zu Schwemme von Anmeldungen

Das will die SP-/Juso-Fraktion jedoch verhindern. Sie verlangt, dass die Stadt in Zukunft gratis Mietvelos anbietet. «Es ist sinnvoll, für Distanzen innerhalb der Stadt das Velo zu nutzen. Der Anreiz dafür sollte möglichst gross sein», begründet Erstunterzeichner Gianluca Pardini. 

Und mit einem kostenlosen Angebot sei das der Fall, so der SP-Grossstadtrat. Das zeigen auch die Zahlen. Wenige Monate nach dem Start der Gratis-Kampagne haben sich die Anmeldungen bei Nextbike verzehnfacht, hiess es bei der Stadt Ende Juni auf Anfrage (zentralplus berichtete). Inzwischen sind 4093 Nutzer in der Stadt und Umgebung registriert. In der laufenden Saison verzeichnete die Stadt über 57’200 Fahrten. 

«In den Vorjahren waren es jeweils deutlich weniger», sagt Martin Urwyler, Projektleiter Mobilität bei der Stadt Luzern. «Die Kampagne war also ein Erfolg.» Das findet auch Gianluca Pardini. «Gerade zu den Stosszeiten, beispielsweise am Feierabend, sind viele Velos in Gebrauch.» 

Wie viele springen wegen 50 Franken ab?

Doch glaubt die SP wirklich, dass alle Mietvelofahrer wieder abspringen, wenn sie nun 50 Franken pro Saison für die Mietvelos zahlen müssen? Gianluca Pardini tut sich schwer damit, dieses Risiko einzuschätzen. «Allgemein lässt sich jedoch beobachten, dass sich viele zweimal überlegen, ob sie ein Angebot nutzen, das plötzlich etwas kostet.»

«Luzern ist noch nicht die Velostadt, zu der alle hochblicken.» 

Gianluca Pardini, SP-Grossstadtrat

Anders schätzt man die Lage bei der Stadt ein. «Unsere Erfahrung ist: Wenn die Menschen die Hemmschwelle überschritten haben, sich mal anmelden und das Velo brauchen, schätzen sie nachher die Vorteile», sagt Martin Urwyler. Er rechnet zwar mit einem leichten Rückgang der Nutzerzahlen, sobald das Angebot wieder kostet. «Ich bin aber überzeugt, dass viele Nutzer bereit sind auch einen kleinen Betrag zu zahlen, weil es ihnen das wert ist.» Und, so Urwyler weiter, mit 50 Franken Jahresgebühr sei der Preis sehr moderat.

50 Franken pro Saison – zwei Franken die Stunde

Ein Jahres-Abo von Nextbike gibt’s für 50 Franken: Damit fährt man pro Tag zweimal für eine Stunde gratis. Darüber hinaus kostet eine Stunde Velofahren zwei Franken. Wer länger als 4,5 Stunden unterwegs ist, dem wird automatisch der Tagestarif von 20 Franken verrechnet.

Für die Registration wird der Kreditkarte ein Franken abgebucht – der anschliessend aufs Guthabenkonto fliesst. Bei diversen «Vergehen» fallen Gebühren an, etwa, wenn das Velo nicht dort steht, wo man es angeblich zurückgegeben hat oder wenn das Schloss fehlt.

Für alle, die in der Stadt Luzern, in Horw oder in Sursee wohnen ist Nextbike dieses Jahr kostenlos, weil die Gemeinden das Angebot bewerben wollen. Die Abogebühr entfällt, täglich sind vier Stunden Radeln inbegriffen.

Ist es Aufgabe der Stadt, all ihren Bürgern ein Velo zur Verfügung zu stellen? «Es ist eine essentielle Aufgabe der öffentlichen Hand, nachhaltige Mobilität zu fördern.» Ginge es nach Gianluca Pardini, wäre auch Busfahren deutlich günstiger als es heute ist – und für Studierende, Rentner oder solche mit tiefem Einkommen sogar gratis. «Doch es ist unrealistisch, dass sich das umsetzen liesse», räumt er ein, denn bei den öV-Tarifen könne die Stadt nicht einfach den Hebel ansetzen. Anders bei den Velos. Und da besteht gemäss Pardini noch Luft nach oben. «Luzern ist noch nicht die Velostadt, zu der alle hochblicken.» 

Wie viel sich die Stadt das Engagement kosten lassen soll, lässt Pardini offen. Klar ist: Die Gratis-Kampagne für Nextbike hat die Stadt rund 57’000 Franken gekostet, sagt Martin Urwyler. In diesem Rahmen würden sich wohl die Kosten für eine Weiterführung bewegen.

Umfassender Datenschutz gefordert

Doch so erfolgreich die Kampagne gelaufen ist: In Zukunft müsste die Stadt nicht zwingend mit Nextbike zusammenarbeiten. Die SP-/Juso-Fraktion fordert, dass der Stadtrat mit dem besten Anbieter einen Leistungsvertrag vereinbart. Die Suche soll in einem offenen Verfahren ablaufen. Dabei hat der Datenschutz gemäss Pardini einen hohen Stellenwert.

Gerade bei asiatischen Anbietern werden gemäss Medienberichten teilweise Daten gesammelt und für kommerzielle Zwecke gebraucht – beispielsweise, um Aussagen über den idealen Standort für ein Restaurant zu machen. «Für die Leihvelo-Nutzer sollte ein umfassender Datenschutz etabliert und gewährleistet werden», so Pardini.

Ein Jahr lang konnten die Stadtluzerner Nextbike kostenlos nutzen – nun läuft die Marketingkampagne aus.

Ein Jahr lang konnten die Stadtluzerner Nextbike kostenlos nutzen – nun läuft die Marketingkampagne aus.

(Bild: jal)

Darüber hinaus werden sowohl ökonomische als auch soziale Kriterien berücksichtigt. Das heisst: Ein Anbieter wie die Caritas, die Nextbike betreibt und dabei Langzeitarbeitslose beschäftigt, hätte einen Pluspunkt. 

Angesichts dieser Punkte scheint klar, dass Nextbike den Zuschlag erhalten müsste. Pardini verneint aber, dass man die Kriterien gezielt auf diesen Anbieter zugeschnitten habe. «Ich will überhaupt kein Unternehmen schlecht- oder schönreden. Alle sollten dieselben Chancen haben, deshalb schlagen wir einen Wettbewerb vor.» Der Zuschlag solle zudem befristet sein und die Ausschreibung regelmässig wiederholt werden, um eine Monopol-Stellung zu verhindern. 

Wie laufen die Verhandlungen?

Denn Nextbike, seit acht Jahren in Luzern präsent, ist längst nicht mehr der einzige Player im Bikesharing-Business. Vor einigen Wochen kündigte der asiatische Anbieter O-Bike an, in der Stadt Luzern mehrere hundert Mietvelos hinzustellen. Der Clou: Bei O-Bike können die Nutzer die Zweiräder irgendwo im öffentlichen Raum zurückgeben – fixe Stationen gibt es nicht mehr. Nach anfänglicher Zusage – und Berichten über chaotische Zustände in Zürich – ist die Stadt auf die Bremse getreten (zentralplus berichtete). 

«Die vielen Anfragen haben dazu geführt, dass wir nicht allen einfach sagen können: Kein Problem, kommt nach Luzern.»

Martin Urwyler, Leiter Mobilität Stadt Luzern

Seither ist es ruhig geworden. Doch die Verhandlungen sind nicht etwa gescheitert oder an einem strittigen Punkt stehen geblieben, sagt Martin Urwyler. Vielmehr sind aus den Gesprächen mit O-Bike grundsätzliche Fragen erwachsen. Denn inzwischen haben zwei weitere Bikesharing-Anbieter Anfragen in Luzern deponiert. «Das hat dazu geführt, dass wir nicht allen einfach sagen können: Kein Problem, kommt nach Luzern», sagt Urwyler. Die zuständige Direktion erarbeite zurzeit Grundsätze zum Thema und definiere, unter welchen Bedingungen eine Bewilligung erteilt werde. Gemäss Urwyler werden die Ergebnisse bis Ende Oktober vorliegen.

Wie stehen denn die velofreundlichen Linken zu kommerziellen Mietvelo-Anbietern wie O-Bike oder Ofo, die aus dem asiatischen Raum nach Luzern drängen und ihre Velos ohne fixe Stationen verleihen? «Man kann nicht unendlich viele Velos auf die Strassen stellen, denn wir haben nicht eben einen Überfluss an Veloparkplätzen», sagt SP-Grossstadtrat Gianluca Pardini. Deshalb unterstützt er das «geordnete Vorgehen» der Stadt. Aus den Folgen eines offenen Wettbewerbs für die Leihvelo-Konkurrenz macht Pardini keinen Hehl. Sollte die Forderung der SP-/Juso-Fraktion überwiesen werden, dürfte das dazu führen, dass nur ein Anbieter auf städtischem Boden zugelassen wird. 

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Peter Bossi
    Peter Bossi, 10.10.2017, 08:37 Uhr

    Sorry aber O-Bike ist besser. Tiefere Preise und mehr Flexibilität. Ausserdem nimmt man das Geld der Asiaten in Luzern ja gerne, da darf man auch mal was zurück senden!

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