Luzerner Patchwork-Band Alois vor Debütalbum

So leicht klang Luzerner Pop schon lange nicht mehr

Pop für Tagträumer: Alois mit Sänger Martin Schenker im Südpol-Club.

(Bild: jwy)

Die Luzerner Band der Stunde hört auf den Namen Alois. Ihr Debüt «Mints» bewegt sich mit traumwandlerischer Sicherheit durch die Sphären des Pop. Ein Probenbesuch vor der Plattentaufe.

Wie wär’s mit elektronischen Handclaps zum Schellenring? Als wir Alois im Club des Südpol besuchen, diskutiert die Band gerade über einen neuen Song. In der letzten Strophe fehlt noch etwas, auch mit dem Synthie-Intro sind sie noch nicht zufrieden.

«Wir sind noch nicht sicher, ob wir den Song am Freitag spielen», sagt Sänger Martin Schenker auf der Bühne. Die Gitarre umgehängt, Baseball-Cap auf dem Kopf. Er hält sein Handy ans Mikrofon und spielt einen Song ab, um zu demonstrieren, was er meint. Seine drei Bandkollegen neben ihm am Bass, Schlagzeug und Perkussion/Synthesizer hören zu.

Es ist kurz vor Mittag am dritten Tag der Probewoche als Residenzband im Südpol – das Energielevel war schon höher. Zwei weitere lange Tage liegen vor ihnen. Die Band spielt «Meant to Stay» an, den zweiten Song ihres Debütalbums. Hier gibt’s nicht mehr viel zu diskutieren, der Song sitzt: der lockere Groove, die Bass- und Gitarrenlinien sowie die vielen Details aus Perkussion und Synthie. «It seems so easy / only to pretend», haucht der Sänger.

Schlafzimmer-Musik

Alois ist die Luzerner Band der Stunde, am Freitag veröffentlicht sie ihr Debütalbum «Mints». Schon lange tönte Popmusik nicht mehr so luftig: federleichte Songs, melancholisch gebettete Träumereien, süsse Melodien. Als «Daydream-Indiepop» betiteln sie ihren Sound selber. «Als blättere man durch ein futuristisches Traumtagebuch.»

«Es soll leicht tönten, dich aber trotzdem herausfordern.»

Martin Schenker, Sänger von Alois

Es ist Popmusik, die eher im Schlafzimmer ersonnen ist als im fetten Studio. Wobei, Pop: Die vier Mitglieder von Alois kommen aus dem Jazz, ihre detailverliebte Musik hat denn auch immer wieder verspielten und experimentellen Einschlag. «Wie eine Welle, in der man baden kann», beschreibt Florian Schneider den Alois-Sound.

3 Fragen an Alois:

 

Eine Patchwork-Band

Der 25-jährige Gitarrist Martin Schenker hat Alois als instrumentales Soloprojekt begonnen, 2014 wuchs es zum Trio und schliesslich zur heutigen Viererband mit Gesang. «Diese Band ist ein Patchwork», sagt Schenker. Die Songs kommen aus unterschiedlichsten Richtungen, was sich aber durchziehe, sei die Soundästhetik. «Einerseits soll es leicht tönten, dich aber trotzdem herausfordern», sagt er.

Die vier Mitglieder haben sich an der Luzerner Jazzschule getroffen und formiert. Die Band zeugt von der Offenheit und vom Selbstverständnis heutiger Jazzschüler, die sich in die Pop-Ecke wagen und kaum Berührungsängste zeigen. Alois ist Teil des Musiker-Kollektivs Red Brick Chapel, in dem sich viele ehemalige Jazzschul-Abgänger aus Luzern tummeln. Martin Schenker spielt daneben noch bei John Hood, die ebenfalls bald ihr Album taufen, Florian Schneider unter anderem bei Gaia (zentralplus berichtete).

Sie sind Alois: Martin Schenker (vorne), Pascal Eugster (links), Lukas Weber (hinten Mitte) und Florian Schneider.

Sie sind Alois: Martin Schenker (vorne), Pascal Eugster (links), Lukas Weber (hinten Mitte) und Florian Schneider.

(Bild: zvg/Joan Seiler)

Kein Zuckerschlecken

Später beim Zmittag in der Shedhalle besprechen die Vier, was es noch zu erledigen gibt: Sänger Martin Schenker fährt am Nachmittag ins Radiostudio nach Zürich für ein Interview in der SRF3-Sendung «Sounds». Leinwände für die Visuals an der Plattentaufe müssen abgeholt werden. Am Abend dann weiterproben – eine Residenzwoche ist kein Zuckerschlecken. Vor allem nicht für eine Band wie Alois, die so detailversessen ist, ewig an Sounds und Grooves herumdoktert und viel Wert auf die Soundästhetik legt.

Debütalbum und Plattentaufe

Alois: «Mints» erscheint am 29. September (Red Brick Chapel/Irascible). Die Band ist diese Woche Residenzband und nutzt den Club als Probelokal – Ende Woche ist Plattentaufe: Freitag, 29. September, 21 Uhr, Südpol Club. Das Konzert findet im Rahmen des Festivals zum Saisonbeginn statt. 
Danach tritt um 23 Uhr DJ Marcelle aus Amsterdam auf.

«Das ist, was Alois ausmacht: Wir checken verschiedene Arrangements aus, wie verschiedene Teile klingen sollen, auch wenn’s nur ganz kleine Elemente sind», sagt Schlagzeuger Florian Schneider, der auch für das Recording verantwortlich war. «Es ist ein sehr detailreiches Album, aber kleine Details machen bei uns viel aus», sagt auch Martin Schenker.

Mut zum Weglassen

Alois – benannt übrigens nach dem 80er-Fernsehfilm «Faulheit oder Der hinkende Alois» – beweisen, dass der interessanteste Pop aus der Impro-Jazz-Ecke kommt. Songs wie «Isolator» mit seinem vielstimmigen Chörlein, den verspielten Harmonien und experimentellen Einschlägen. Oder der Song «Flowers», der so smooth in die Gehörgänge reingeht, dass auch Radiostationen wie SRF3 oder Couleur 3 auf Alois aufmerksam wurden. Für die «Sonntags-Zeitung» ist die Luzerner Combo eine der «angenehmsten Überraschungen des Schweizer Musikjahres».

Video zu «Flowers»:

 

Das Debütalbum «Mints» ist weniger fixes Konzept als Produkt von langen Sessions. Mal im Studio, mal im Bandraum oder eben im Schlafzimmer. Man hört den Songs an, dass sie das Ergebnis von langem Ausprobieren sind. «Mir ist es lieber, wenn man zu viel Material hat und am Schluss wieder radikal kürzt», sagt Schenker. Auch das gehöre zum Konzept: «Dass wir lange an etwas schaffen und es dann trotzdem weglassen.»

Wie die Band das live umsetzt, kann man diesen Freitag erleben. Bis dann feilt die Band weiter an den richtigen Sounds – und Handclaps.

Alois proben im Südpol Club.

Alois proben im Südpol Club.

(Bild: jwy)

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