Die Gesellschaft der Herren zu Schützen

Zu Besuch im exklusivsten Club der Stadt Luzern

Das Gesellschaftshaus am Löwengraben in der Stadt Luzern.

(Bild: giw)

Kaum eine Luzerner Gruppierung war einst derart einflussreich und illuster wie die «Gesellschaft der Herren zu Schützen». Inzwischen sind die Privilegien des Patriziertums Geschichte, doch im märchenhaft anmutenden Anwesen bleibt Otto Normalbürger dennoch Gast. Diesen Samstag feiert die Organisation einen besonders wichtigen Akt.

Beinahe etwas versteckt hinter einer hohen, mit Efeu und Hecke bewachsenen Mauer liegt eines der geschichtsträchtigsten Anwesen der Stadt Luzern. Eine massive Pforte am Löwengraben weist den Weg ins Innere. Stolz prangt über dem Eingang ein Wappen. Goldene Büchse und Armbrust gekreuzt auf silber-blauem Grund, den Farben von Stadt und Staat Luzern. Eine überdachte Freitreppe führt zum Garten und dem Entrée.

Das Haus gehört zu einer der ältesten Gruppierungen der Stadt Luzern. Die «Gesellschaft der Herren zu Schützen» wurde vor über 650 Jahren gegründet. Sie geht bis auf die damaligen Luzerner Elitetruppen der Armbrustschützen im 14. Jahrhundert zurück. Und Elite ist das richtige Stichwort – es entwickelte sich daraus schnell ein Club einflussreicher Familien, der bis heute besteht. Als zentralplus vorbeischaut, sind Ballsaal und Schützenstube bereits für den grossen Anlass am Samstag getafelt: Die Weihung der neuen Fahne steht bevor (siehe Box). «Bis 1850 stellte die Gesellschaft der Herren zu Schützen die meisten Mitglieder der Luzerner Regierung», erklärt Stubenherr Jean-Pierre Kilchmann.

Gesellschaft feiert neue Fahne

Zur illustren Gesellschaft passt da das exklusive Clubhaus inmitten der Stadt perfekt: Das Licht der frühherbstlichen Morgensonne flutet die hohen Räume des barocken Palais. Der hölzerne Boden knarzt leicht beim Gang entlang der weiten Fluchten. An den Wänden hängen Portraits, grosse Spiegel, überall finden sich Stuck, Kamine und Kerzenleuchter. Der 1719 errichtete Sommerpalais am Löwengraben strotzt nur so von alter Macht und Pracht. Das Anwesen wurde gebaut von Jost Franz für Sohn Franz Ludwig Pfyffer von Wyherr, Generalleutnant in königlichen Diensten, Regierungsrat, Topograph und Ersteller des berühmten Reliefs der Urschweiz, das heute noch im Gletschergarten zu betrachten ist.

Der Ballsaal ist bereit für den Festanlass im Gesellschaftshaus.

Der Ballsaal ist bereit für den Festanlass im Gesellschaftshaus.

(Bild: giw)

Fahnenweihe am Samstagvormittag

Die 650 Jahre alte Gesellschaft der Herren zu Schützen weiht diesen Samstagvormittag ihre neue Fahne ein. Ein wichtiger Akt: «Die Fahne ist unsere Identität. Sowohl auf dem Feld als auch in Friedenszeiten scharten wir uns um sie», erklärt Stubenherr Jean-Pierre Kilchmann. Anwesend sind Regierungspräsident Guido Graf, Katharina Huber, Präsidentin des Grossen Stadtrates, und ihr Nachfolger András Özvegyi.

Ausserdem sind Delegationen aller alten Gesellschaften Luzerns geladen. Der Anlass beginnt um 10.30 Uhr mit einer Messe und der Fahnenweihe in der Franziskanerkirche Luzern, anschliessend spielt die Musikgesellschaft Harmonie Sempach auf dem Barfüsserplatz. Die Cortège zum Gesellschaftshaus bildet den Abschluss der öffentlichen Festivitäten. Der Festanlass im Gesellschaftshaus findet unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.

Stubenherr Jean-Pierre Kilchmann und Stubenschreiber Albert von Frisching präsentieren die neue Fahne.
Stubenherr Jean-Pierre Kilchmann und Stubenschreiber Albert von Frisching präsentieren die neue Fahne. (Bild: giw)

Das Patrizieranwesen wurde 1808 übernommen, das bisherige Gesellschaftshaus, das heutige «Hotel des Balances», am Fischmarkt verkauft. Noch im selben Jahr wurde der Barockbau durch einen feingliedrigen, zweigeschossigen Anbau mit Ballsaal im klassizistischen Stil ergänzt, den der bedeutende Stadtarchitekt Josef Singer entworfen hatte. Einer der wichtigsten Schweizer Politiker des 19. Jahrhunderts, Vinzenz Rüttimann, war ein Schütze. Er war 1808 Landammann, sozusagen das Schweizer Staatsoberhaupt in der Helvetischen Republik.

Eine reine Männergesellschaft

Rüttimann führte 1814 mit Angehörigen der Gesellschaft der Herren zu Schützen den Staatsstreich an, der in Luzern die patrizische Verfassung wieder einführte. Das Gesellschaftshaus ist Trutzburg alten Luzerner Adels und katholisch-konservativer Werte. Doch im Sonderbundskrieg standen die Herren respektive ihre Gesellschaft auf der Verliererseite – «danach ging es mit dem politischen Einfluss nach und nach bergab», erklärt Kilchmann. Seither habe man sich «verbürgerlicht».

Die Mitgliedschaft bleibt äusserst exklusiv – sie ist auch heute noch nur vererbbar. «Der Sohn wird auf den Schild des Vaters gehoben», so Kilchmann. Zwar werden Zugewandte aufgenommen, deren Mitgliedschaft kann in der Regel nicht übertragen werden. Im aktuellen Vorstand dominieren denn auch Namen wie von Schuhmacher, von Segesser, von Wartensee, von Frisching.

Frauen können folglich nicht Mitglieder sein, würden aber in das Gesellschaftsleben integriert, wie Stubenherr Kilchmann erklärt. Lediglich noch an zwei der 15 Veranstaltungen im Jahr sind heutzutage ausschliesslich Herren anwesend. Ausgeschlossen werden die Frauen an der Generalversammlung und dem Jahresessen.

Jean-Pierre Kilchmann ist seit acht Jahren Stubenherr, respektive Präsident, der Gesellschaft der Herren zu Schützen.

Jean-Pierre Kilchmann ist seit acht Jahren Stubenherr respektive Präsident der Gesellschaft der Herren zu Schützen.

(Bild: giw)

Politik spielt keine Rolle mehr

«Einer der wichtigsten Anlässe ist der alljährliche Ball im glamourösen Saal», erklärt Kilchmann. Dafür ist der Raum wie geschaffen, denn er ist mit einem speziellen Federsystem ausgestattet, der entsprechend den Bewegungen der Tanzpaare nachgibt. «Früher war der Anlass auch Brautschau.» Rund 175 Mitglieder zählt der blaublütige Luzerner Herrenzirkel heute. Gibt es da Vorgaben, wen die Herren heiraten? «Das ist ein etwas heikles Thema», schmunzelt Kilchmann verschmitzt. Heute sei man da nicht mehr so strikt. Auf jeden Fall werde weiterhin fleissig getanzt.

Doch das ist natürlich nicht alles. Wie es der Name schon andeutet, wird natürlich auch mit Kimme und Korn geübt am alljährlichen Tontaubenschiessen. Und auch die Politik hat ihren Platz. Am Jahresessen in der Schützenstube werden jeweils Referenten eingeladen. Die Ehre hatten jüngst etwa CVP-Präsident Gerhard Pfister oder SVP-Nationalrat Roger Köppel. In dem Raum, das von schweren Möbeln mit dunklem Holz dominiert wird, hängen die Wappen der Mitglieder, geordnet nach ihrer Aufnahme in die Gesellschaft.

Für Nachwuchs ist gesorgt

Trotz den tiefen Wurzeln ist die uralte Gesellschaft beweglich und wandlungsfähig: «Seit ich vor rund acht Jahren das Amt des Stubenherrs übernommen habe, treten wir vermehrt in die Öffentlichkeit.» Man will nicht den Eindruck einer Geheimorganisation erwecken. Und auch für Nachwuchs sei gesorgt: «Wir haben viele junge Mitglieder, die sich engagieren.» Die neue Generation hätte andere Wege und Vorstellungen und das sei auch gut so.

Die Räume des Gesellschaftshauses werden ausserdem für Fremdanlässe vermietet. Nicht ohne Eigennutz: «Der Unterhalt des Hauses kostet jährlich 50’000 bis 80’000 Franken. Die Mitgliederbeiträge reichen nicht, deshalb vermieten wir unseren Sitz.» Die pompöse Heimat der Herren zu Schützen erachtet Kilchmann als Privileg und überlebenswichtigen Anker: «Ich weiss nicht, ob es uns noch gäbe ohne das Gesellschaftshaus.»

Der 76-jährige Kilchmann schaut optimistisch in die Zukunft: «Seit über 650 Jahren gibt es uns schon. Solange dieses Haus steht, werden wir auch weiterhin bestehen.»

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