Littauer Cheerstrasse als Test für Zusammenhalt

Fusionsängste neu aufgelegt – ein Experte über den Stadtfrieden

Reto Steiner führte eine Machbarkeitsstudie zur Fusion zwischen der Gemeinde Littau und der Stadt Luzern durch.

(Bild: zvg)

Die Ausgangslage für die Littauer vor der Abstimmung über die Cheerstrasse ist einfach: Entweder das lange Warten hat ein Ende oder man steht vor dem Nichts. Letzteres würde jene auf den Plan rufen, welche schon immer gegen eine Fusion mit der Stadt Luzern waren. Reto Steiner analysierte damals die Ausgangslage. Das sagt er zum Stadtfrieden.

In Littau brodelt’s. Bereits vor der Fusion mit der Stadt Luzern hatte die Littauer Bevölkerung 2009 die Umfahrung Cheerstrasse beschlossen. Geschehen ist mit der Strasse seither nichts. Und jetzt – fast zehn Jahre später – droht gar das Ende des Projekts. Am 24. September stimmt die Stadtbevölkerung über einen Zusatzkredit von 4,8 Millionen Franken ab. Inklusive höheren Unterhaltskosten und dem bereits beschlossenen Kredit würde die Cheerstrasse 20 Millionen Franken kosten.

Zu viel, finden die Gegner aus dem rot-grünen Lager. Betrachtet man die politischen Mehrheiten in der Stadt, ist es durchaus denkbar, dass diese Argumentation verfängt und die Littauer bald vor einem Scherbenhaufen stehen.

«Heute wohl der teuerste Grasballen-Lagerplatz im Kanton Luzern», schreibt das Komitee auf seiner Webseite zur 2005 erbauten Unterführung.

«Heute wohl der teuerste Grasballen-Lagerplatz im Kanton Luzern», schreibt das Komitee auf seiner Webseite zur 2005 erbauten Unterführung.

(Bild: zvg/ Ja-Komitee)

Reto Steiner ist Experte für öffentliches Management und Direktor der ZHAW School of Management and Law. Im Vorfeld der Fusion von Littau mit der Stadt Luzern erarbeitete er eine Machbarkeitsstudie. Zehn Jahre nach der Fusionsabstimmung schätzt er das Cheerstrassen-Projekt ein.

zentralplus: Reto Steiner, ist es überhaupt zulässig, dass die Stadtluzerner den Littauern ein Projekt verwehren, welches diese bereits an der Urne beschlossen haben?

Reto Steiner: Rechtlich ist das absolut unproblematisch. Weil das Projekt massiv teurer wird, muss die Bevölkerung der neuen Gemeinde nochmals darüber entscheiden. Schliesslich wird die Strasse von der gesamten Stadtbevölkerung bezahlt.

zentralplus: Aber in Littau wird man sich übergangen fühlen.

Steiner: Tatsächlich gibt es bei dieser Abstimmung einen moralischen Aspekt. Die Bevölkerung der alten Gemeinde Littau hatte das Projekt in gutem Glauben abgesegnet. Dem bringt der Stadtrat Respekt entgegen – er steht hinter der Cheerstrasse.

«Die Stadt lebt von einer Kohäsion über die Stadtgrenzen hinweg.»

zentralplus: Das Projekt wird dennoch torpediert. Vor der Fusion gab es in Littau Ängste, man könnte übergangen werden. Genau das könnte eintreffen.

Steiner: Diese Ängste sind tatsächlich vor vielen Fusionen vorhanden. Selten treffen diese jedoch ein. Denn mit einer Fusion übernimmt die neue Gemeinde die Rechte und Pflichten der alten. Es ist doch wünschenswert, findet im vorliegenden Fall ein Diskurs statt. Quartiere und Parteien können ihre Argumente einbringen. Das sensibilisiert für die gegenseitigen Bedürfnisse.

zentralplus: Das klingt harmonisch. Im Abstimmungskampf spricht man von einer Gefährdung des Stadtfriedens.

Steiner: Sollte permanent ein Stadtteil übergangen werden, wäre das problematisch. Die Stadt lebt von einer Kohäsion über die Stadtgrenzen hinweg. Infrastruktur-Projekte sind speziell. Sie kosten viel – der Kreis der Nutzer ist jedoch beschränkt. Aber von einem gestörten Gleichgewicht zu sprechen, nur weil man eine Abstimmung verliert, wäre dann doch zu dramatisch.

«Littau hat die Fusion bewusst gesucht.»

zentralplus: Littau war rechtsbürgerlich geprägt, während in der Stadt die Allianz aus SP, Grünen und Grünliberalen eine Mehrheit hat. War man sich dessen im Vorfeld bewusst?

Steiner: Diese Mehrheit besteht ja erst seit den letzten Wahlen. Und mit der Zeit kann es Veränderungen geben. Es wäre jedoch falsch, von einer linken Stadt Luzern zu sprechen. Die Musik spielt beim Volk noch immer in der politischen Mitte. Und dennoch: Die neue Mehrheit hat selbstverständlich das Recht, ein Projekt wie die Cheerstrasse nochmals neu zu beurteilen. Es stehen ja auch finanzielle Fragen im Zentrum. Auch hier, wenn man nur an die Situation des Kantons Luzern denkt, kann sich die Lage innert wenigen Jahren drastisch verändern. Und etwas muss man in der Diskussion unbedingt auch noch bedenken: Littau hat die Fusion bewusst gesucht.

«Infrastrukturprojekte sind immer umstritten», sagt Steiner.

«Infrastrukturprojekte sind immer umstritten», sagt Steiner.

(Bild: zvg)

zentralplus: Vielleicht erweist sie sich als Fehler?

Steiner: Es ist wie bei einer Heirat. Man gibt einen Teil seiner Unabhängigkeit auf. Aber seien wir ehrlich: In Littau war nicht alles perfekt. Die neue Gemeinde bietet viele Chancen. Mit Stefan Roth konnte der erste Stadtpräsident gestellt werden. Und die Stadt setzt sich dafür ein, den Stadtteil Littau aufzuwerten.

«Dass sich die Littauer in eine Opferrolle begeben, ist Teil der politischen Agenda.»

zentralplus: Man könnte das geplante Schulhaus Staffeln nennen. Die Befürworter der Cheerstrasse tröstet das jedoch wenig. Sie wollen einfach unbedingt ihr Projekt.

Steiner: Dass dieses Geschäft Emotionen auslöst, ist völlig klar. Dass sich die Littauer in eine Opferrolle begeben, ist jedoch auch Teil der politischen Agenda. Auf alle Fälle geht es nicht um ein allgemeines Urteil, was mit Littau passiert ist.

 

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