Tellerwäscher-Karriere des Gastro-Paars Sezer

Von der Kebab-Bude aufs Monopol-Dach

Hülya und Erdal Sezer in ihrem neuen Restaurant Botticelli in Luzern.

(Bild: Natalie Ehrenzweig)

Das Gastronomen-Paar Hülya und Erdal Sezer hat diesen Sommer auf dem Dach des Hotel Monopol ein neues italienisches Restaurant eröffnet. Es ist der bisherige Höhepunkt einer Tellerwäscher-Karriere der zwei gebürtigen Türken, die in einem Bieler Kebabladen begann.

Die Geschichte von Erdal und Hülya Sezer hat etwas von einem Märchen aus 1001 Nacht. Erdal Sezer arbeitete als Maschinenmechaniker Schicht in Biel. Seine Frau Hülya hat eine kaufmännische Ausbildung gemacht, bildete sich zur Erwachsenenbildnerin und im Marketing weiter. Doch die Schichtarbeit hat das Paar belastet.

Da kam es wie gerufen, dass sie 1998 den Kebab-Stand von Erdals Vater übernehmen sollten. «Ich wollte einfach weg aus der Fabrik», erinnert sich Erdal Sezer. Kurz darauf kamen die beiden Töchter zur Welt.

Heute gehört Hülya und Erdal Sezer die «Suite» auf dem Dach des Hotel Monopol, das «Little Istanbul», «The Mexican» und seit diesem Sommer das «Botticelli», ebenfalls im Hotel Monopol. Ausserdem betreiben sie die «Cipriano»-Bar in Lausanne. Dazwischen liegen viele Jahre, in denen die Selfmade-Gastronomen viel Lehrgeld bezahlt haben.

Von Biel nach Luzern

Aus dem Kebab-Laden sollte sich mehr entwickeln. Also eröffneten die beiden in Biel eine Bar. «Diese lag allerdings im sogenannten Bermuda-Dreieck. Wir wohnten über der Bar und fanden, dass es kein guter Ort ist, um zwei Kinder grosszuziehen. Wir wollten weg», erzählt Hülya Sezer.

«Innert drei Monaten verloren wir praktisch alles.»

Erdal Sezer, Gastronom

Bedingung war: Sie wollten in die deutschsprachige Schweiz und an einen See. Das Paar wollte das damalige «P1» übernehmen, das war 2004. «Doch ich glaube, man traute uns das nicht zu. Wir bekamen eine Absage. Als Alternative übernahmen wir das ‹Simplon› und eröffneten die ‹Havanna›-Bar», erzählt die Gastronomin. Und das schlug ein: Es lief sofort so gut, «dass wir die Übersicht über das Controlling verloren», so Sezer. Das sei vor allem in der Gastronomie verheerend, weil man in dieser Branche mit kleinen Margen arbeite.

Gut für Ferien, schlecht für Geschäfte

Mit dem «Havanna» wurde dem Ehepaar das kleine italienische Lokal vis-à-vis der Bar angeboten: Das Konzept für das «Basilico» entstand. Kurze Zeit später bekamen sie schliesslich ein Angebot für das «P1». «Wir waren Feuer und Flamme für das Lokal, da die Aussicht und die Lage fantastisch sind. Das Havanna haben wir verkauft und versuchten, vom Mietvertrag des Basilico auszusteigen.»

Doch die Übergabe des «P1» verzögerte sich. Als Alternative eröffnete das Gastronomen-Paar eine Bar in einem Shoppingcenter in Istanbul. «Innert drei Monaten verloren wir praktisch alles», erinnert sich Erdal Sezer. Er sei lieber ein Unternehmer in der Schweiz. Die Türkei sei ein schönes Land für Ferien, aber nicht für Geschäfte.

Gutes Personal ist rar

Am Tiefpunkt angelangt, ging es dann im ehemaligen «P1» weiter, parallel dazu wurde das «Basilico» umgebaut, eröffnet und bald an Erdal Sezers Bruder verkauft (zentralplus berichtete). Nun ging es für die Familie aufwärts.

Heute ist das Ehepaar nur strategisch in seine Projekte involviert und kümmert sich um die Kaderstellen. «Gutes Personal zu finden, ist sehr schwierig. Die Gastronomie mit ihren Arbeitszeiten wird immer unbeliebter», weiss Hülya Sezer. Dies kommt dem jungen Paar allerdings zu Gute: «Als die Kinder klein waren, hat sich Erdal tagsüber um die Kinder gekümmert und ich nachts», sagt sie.

Das Paar hat sich die Arbeit aufgeteilt, das habe sich ganz natürlich ergeben. Hülya sei in der Administration stark, sei eine Macherin und Motivatorin. Erdals Stärke seien sein grosses Netzwerk und die vielen Ideen. «Einmal haben wir gedacht, wir tauschen mal die Rollen. Das kam nicht so gut», erinnern sich die zwei lachend.

Das Gastronomen-Paar Hülya und Erdal Sezer in der «Suite».

Das Gastronomen-Paar Hülya und Erdal Sezer in der «Suite».

(Bild: Natalie Ehrenzweig)

Weg vom Alltäglichen

Wenn man heute die verschiedenen Betriebe des Paars anschaut, gibt es auf den ersten Blick keinen roten Faden. Die Gastronomen sehen das anders: «Unseren Projekten ist gemeinsam, dass wir weg vom Alltäglichen gehen. Im ‹Little Istanbul› gibt es nicht den 08-15-Kebab, im ‹Botticelli› findet man keinen Tomaten-Mozzarella-Salat. Ausserdem haben alle unsere Betriebe eine offene, einsehbare Küche.»

Die offenen Küchen dienen mehreren Zwecken: «Sie schaffen Vertrauen und Transparenz und sie bieten Action für den Kunden. Es ist eine Art Erlebnisgastronomie», sagt Erdal Sezer. Der Kunde wolle nämlich immer wieder etwas Neues.

«Der Kuchen wird nicht grösser, man muss immer gut den Bedarf abklären.»

Erdal Sezer

Etwas Neues wollen auch Erdal und Hülya Sezer. «Uns macht es Spass, neue Projekte zu entwickeln, Ideen zu spinnen, etwas Neues anzureissen», sagt die gebürtige Türkin mit leuchtenden Augen. Gerade arbeitet das Ehepaar am nächsten Projekt, einer Industriehalle in Aarau, in der sie gleich vier verschiedene Gastro-Betriebe eröffnen werden. «Wir fahren eine zweigleisige Strategie. Konzepte wie das ‹Little Istanbul› eignen sich gut für die Systemgastronomie, das treiben wir vorwärts. Aber dann haben wir die ‹Suite›, die zusammen mit dem ‹Botticelli› unser Flaggschiff ist. Diese Projekte sind sehr personenbezogen», betont Hülya Sezer, die in ihrer Freizeit gern Sport macht und liest.

Zwei Gastro-Familien

Die beiden Sezer-Familien, die in Luzern gastronomisch tätig sind, arbeiten zwar nicht zusammen, aber unterstützen sich durchaus. «Wenn man mal dringend Personal braucht, dann hilft man einander. Und wir achten darauf, einander nicht direkt zu konkurrenzieren. Dafür sorgen die Brüder schon», betont Hülya Sezer.

Für die Zukunft wünschen sich die beiden, dass ihre Projekte gut aufgestellt sind, so dass ihre älteste Tochter Sidal (19) übernehmen kann. «Sie interessiert sich schon jetzt dafür. Die 17-jährige Selin ist dafür noch etwas jung, zeigt aber auch immer mehr Interesse am Unternehmen», so die Mutter.

Sie wünschen sich dereinst auch, dass sich ein gutes türkisches Restaurant in Zürich in ihrem Portfolio befindet. «Die türkische Küche ist so vielfältig und gesund. Dies, kombiniert mit einer modernen Fusionsküche, das fehlt», ist der leidenschaftliche Schwimmer überzeugt. Mehr Projekte in der Zentralschweiz sind im Moment nicht angedacht. «Der Kuchen wird ja nicht grösser, da muss man zuerst immer gut den Bedarf abklären.» Vorläufig haben die zwei noch genug mit ihrem Industriehallen-Projekt in Aarau zu tun.

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