Uni-Rektor Bruno Staffelbach: ein Jahr im Amt

«Donatoren wollen nicht, dass wir mit ihrem Geld die Heizkosten bezahlen»

Uni-Rektor Bruno Staffelbach in seinem Büro ist jetzt seit zwölf Monaten im Amt.

 

(Bild: pze)

Seit zwölf Monaten ist er der höchste Akademiker Luzerns. Im Interview spricht Uni-Rektor Bruno Staffelbach über die Folgen des Luzerner Sparkurses, seinen eigenen Vorschlag für die Inseli-Debatte und verrät, wie er die Bekanntheit der Tourismusstadt Luzern für sich nutzen will.

Ein Jahr ist es her, seit der langjährige Rektor der Universität Luzern Paul Richli in Pension ging. Sein Nachfolger: Professor Bruno Staffelbach. Mit dem 60-Jährigen kam gleichzeitig die Wirtschaftsfakultät an die Uni. Deren Einführung und öffentliche Bekanntmachung war eine Herkulesaufgabe für die Institution und den neuen Chef. Staffelbach hatte also von Anfang an alle Hände voll zu tun. Jetzt, nach zwölf Monaten hat er sich eingelebt, Zeit für ein Fazit.

Wir treffen den Luzerner in seinem Büro im vierten Stock des Universitätsgebäudes zum Interview.

zentralplus: Bruno Staffelbach, was macht ein Uni-Rektor in den Sommerferien?

Bruno Staffelbach: Ich hatte fast drei Wochen Ferien, konnte also eine sehr entspannende Feriendosis geniessen. Zuerst war ich im Juni mit meiner Frau zehn Tage in Italien. Diesen Aufenthalt konnte ich mit einem Seminar des Internationalen Roten Kreuzes verbinden. (Bruno Staffelbach ist Mitglied des IKRK, A.d.R.). Ende Juli verbrachte ich eine Woche auf einem Bauernhof von Freunden im Burgund – dort gehe ich jedes Jahr hin zum Abschalten.

zentralplus: Nach einem Jahr als Rektor der Universität Luzern: Sind Sie zufrieden mit ihren ersten zwölf Monaten?

Staffelbach: Es ist sehr früh für ein Fazit. Wenn ich persönlich zurückschaue, muss ich sagen: Es war echt noch streng (lacht). Man muss sehen: Ich war Quereinsteiger hier. Ich kam von Zürich, also waren die Leute, die Prozesse und die Umgebung neu. Die Geschäfte in Luzern liefen einfach weiter – da war es in erster Linie wichtig, nicht vom Surfbrett zu fallen. Aber es gab und gibt viele, die mir helfen, mich zurechtzufinden.

Zur Person

Prof. Dr. Bruno Staffelbach (60) ist Luzerner. Er ist ordentlicher Professor für Betriebswirtschaftslehre und Rektor der Universität Luzern. Von 1992 bis 2016 war er Inhaber des Lehrstuhls für Human Resource Management an der Universität Zürich. Er ist Mitglied des Internationalen Roten Kreuzes (IKRK).

zentralplus: Die Universität Luzern ist eine kleine, fokussierte Universität. Ist das ein Vorteil?

Staffelbach: Unser Fokus liegt auf den Kultur- und Sozialwissenschaften. Wir interessieren uns für alles, was mit Menschen oder menschlichen Institutionen zu tun hat. Schaut man über den Tellerrand in die Welt hinaus, so sieht man die Digitalisierung, Urbanisierung, Mobilität, Gesundheit, Umwelt oder einfach die demographische Entwicklung als Megatrends. Genau hier ist die Universität Luzern aufgestellt.

zentralplus: Aber in der Bildungslandschaft Schweiz wird Luzern nicht als so relevant wahrgenommen.

Staffelbach: Das stimmt, das werden wir noch nicht. Aber das hat auch damit zu tun, dass wir uns in den letzten 16 Jahren stark vergrössert haben, seit die Universität entstanden ist. Die Studierenden-Zahlen haben sich fast verzehnfacht. Man war so stark mit dem Aufbau beschäftigt, dass wir kaum dazu gekommen sind, uns im Konzert der Universitätslandschaft der Schweiz breit zu profilieren. In Teilbereichen ist uns dies aber schon gelungen.

«Es gibt Forschungsprojekte, bei denen mit der Unterstützung des Kantons geplant wurde und die wir jetzt verkleinern oder kürzen müssen.»

zentralplus: Momentan regiert im Kanton Luzern der Rotstift. Fürs 2017 muss die Universität mit Kürzungen rechnen – Besserung ist auch 2018 nicht in Sicht. Bereiten Ihnen die Kürzungen beim Kanton Sorgenfalten?

Staffelbach: Ja.

zentralplus: Können Sie das ausführen?

Staffelbach: Es ist nicht nur der Kanton, der mir Sorgen macht. Auf Bundesebene wird der Verteilungsschlüssel der Beiträge der interkantonalen Universitätsvereinbarung geändert – voraussichtlich zu unseren Ungunsten. Ich befürchte, dass der Kanton Luzern dieses anfallende Loch nicht stopfen wird.

zentralplus: Wie machen sich tiefere Kantonsbeiträge bemerkbar?

Staffelbach: Es gibt Forschungsprojekte, bei denen mit der Unterstützung des Kantons geplant wurde und die wir jetzt verkleinern oder kürzen müssen. Ausserdem fehlt Geld für die Entwicklung der Universität – denn wie gesagt: Wir behandeln die heutigen Megatrends, da ergeben sich grosse Chancen für eine Weiterentwicklung. Um die anfallenden Kosten zu decken, müssen wir jetzt neue Finanzierungsquellen finden.

«Forschung ist immer ergebnisoffen und wir können keine Gegenleistungen für Spenden versprechen.»

zentralplus: Das ist doch problematisch, wenn Wissenschaft mit privaten Geldern getätigt wird?

Staffelbach: Es gibt durchaus problematische Beispiele. Die Frage ist, wie man mit solchen Geldgebern umgeht. Beim Aufbau der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät gab es 30 bis 35 private Donatoren. Nur schon strukturell hat da der Einzelne nichts zu sagen – das wäre anders, wenn eine Einzelperson oder eine Institution alleine 100 Millionen Franken spendet. Das war hier nicht der Fall.

zentralplus: Haben Sie keine Angst vor amerikanischen Verhältnissen? Dass man Forschung auf einmal kaufen kann?

Staffelbach: Dann wären wir quasi eine Service-Organisation für bezahlte Auftragsforschung. Das sind wir nicht. Wir haben Donatoren, die haben sich in eine Idee verliebt und stellen Gelder zur Verfügung, dieser Idee nachzugehen. Wir von der Universität müssen rechtzeitig signalisieren, dass wir nicht einfach für einen bestimmten Geldbetrag wissenschaftliche Gutachten ausstellen. Forschung ist immer ergebnisoffen, und wir können keine Gegenleistungen für Spenden versprechen.

zentralplus: Was sind denn die konkreten Massnahmen, die man trifft?

Staffelbach:  Die Donatoren sind in keiner Kommission, wenn es um Personen, um Forschungsstrategien oder um Lehrpläne geht. Von daher ist die Verantwortlichkeit für die Unabhängigkeit von Förderern ausschliesslich bei Leuten von der Universität selber. Dazu kommt die Transparenz: Im Jahresbericht 2016 veröffentlichten wir zum ersten Mal eine Liste mit Donatoren für die ganze Universität. Wenn der Geldgeber nicht namentlich genannt werden will, heisst es im Bericht ‹Donation ohne Namensnennung›.

Der 15 Millionen Jahre alte Kristall in seinem Büro hat für Bruno Staffelbach eine grosse Bedeutung: «Die einzelnen Kristalle erscheinen chaotisch verteilt, und trotzdem verkörpern sie klare physikalische Gesetze.»

Der 15 Millionen Jahre alte Kristall in seinem Büro hat für Bruno Staffelbach eine grosse Bedeutung: «Die einzelnen Kristalle erscheinen chaotisch verteilt, und trotzdem verkörpern sie klare physikalische Gesetze.»

(Bild: pze)

zentralplus: Also gehört es nicht zu den Spielregeln für die Donatoren, dass man mit dem Namen zu seiner Spende stehen muss?

Staffelbach: Wir sind insofern transparent, dass wir alle Beträge ausweisen. Wenn Donatoren nicht mit Namen genannt werden wollen, müssen wir das respektieren. Die Kontrolle erfolgt hier durch den Universitätsrat.

zentralplus: Nicht nur bei der Universität wird gekürzt. Die Stipendien werden ebenfalls heruntergefahren: 2017 sinkt der verfügbare Betrag um 800’000 Franken auf 9,6 Millionen Franken – das macht pro Stipendium im Schnitt 1’300 Franken aus. 2018 soll es zu weiteren Kürzungen von mindestens 1,2 Millionen Franken kommen. Das kann Ihnen als Uni-Rektor nicht gefallen.

Staffelbach: Das ist nicht in unserem Interesse. Wir wollen, dass alle Studierenden, welche die Voraussetzungen für ein erfolgreiches Studium mitbringen, studieren können – unabhängig von ihrer aktuellen finanziellen Situation.

zentralplus: Transportiert das die Universität Luzern als Institution auch in Richtung Politik?

Staffelbach: Auf die Budgetierungs- und Genehmigungsprozesse haben wir keinen Einfluss. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, was die Politik entscheidet.

zentralplus: Aber machen Sie keine Lobbyarbeit? Setzt die Universität Luzern sich bei den Politikern nicht für die Studenten ein?

Staffelbach: Das würden wir machen – zu den Kürzungen führten aber Prozesse, die passierten, bevor ich hier angefangen habe.

zentralplus: Gibt es Möglichkeiten, Studenten von Seiten der Uni zu unterstützen?

Staffelbach: Wir haben vier Möglichkeiten: Erstens führen wir auf der Website einen Überblick über alle Möglichkeiten der verschiedenen Stipendien auf. Zweitens führen wir universitätsintern einen Studierendenfonds. Drittens kann man ein Gesuch um Reduktion der Studiengebühren stellen – ein kleiner Beitrag, aber immerhin können wir da etwas ausrichten. Und viertens gibt es eine Finanz- und Budgetberatung der Frauenzentrale, die auch Studierenden offensteht.

zentralplus: Andere Universitäten zehren von einer langen Geschichte, Luzern wird mitten im Aufbau von kantonalen Sparmassnahmen ausgebremst. Färben die kantonalen Kürzungen auf das Image von Luzern als Bildungsstandort ab?

Staffelbach: Ja, es gibt Imagerisiken. Diese gilt es zu managen.

zentralplus: Welche Risiken wären das?

Staffelbach: Da wären beispielsweise die Geldgeber: Wenn jemand einen Betrag spendet, so ist das projektbezogen. Die Donatoren wollen nicht, dass die Universität das gespendete Geld am Ende zum Bezahlen der Heizkosten braucht (schmunzelt). Wir müssen klar kommunizieren, dass das Geld vollumfänglich dem unterstützten Projekt zugutekommt und nicht für den «Service public» verwendet wird.

Ausserdem: Stellen wir einen Professor oder eine Professorin ein, so müssen wir diesen Leuten eine langfristige Planungssicherheit bieten können. Da gibt es ein Imageproblem, ein Risiko: Als Arbeitgeber müssen wir seriös und zuverlässig sein. Dasselbe gilt für unsere Studierenden: Wenn ich als Student in Luzern in einen Studiengang eintrete, muss ich sicher sein, dass dieser in drei oder fünf Jahren noch existiert.

zentralplus: Zu etwas ganz Anderem: Der Vorplatz der Universität könnte durchaus einladender sein. Fühlen Sie sich wohl, direkt an der Strasse und ohne Grün?

Staffelbach: Es stimmt, der Vorplatz ist keine Oase. Es ist ein Kreuzungspunkt, wo neben Studierenden auch Besucher des KKL, des Inselis oder Touristen verkehren. Das hat auch Vorteile: Es ist ein Treffpunkt, der auch Leute von ausserhalb dazu einlädt, in die Universität hineinzugehen.

Hauptgebäude der Universität Luzern.  (Bild: rew)

Der Vorplatz der Universität Luzern ist direkt an der Strasse und ohne viel Grün.

(Bild: rew)

zentralplus: Momentan sind Ideen für das Inseli gefragt (zentralplus berichtete) – da könnten Sie sich doch miteinbringen?

Staffelbach: In meinen ersten zwölf Monaten bin ich ehrlich gesagt nicht dazu gekommen, solche Fragen anzugehen. Das Haus gehört dem Kanton, und will man etwas verändern, ist dies mit Investitionen verbunden. Ja, warum sollte es kein Gesamtkonzept Universität, KKL und Inseli geben? Das sind zwar keine universitären Aufgaben, doch man könnte von unserer Seite her durchaus Vorschläge machen. 

zentralplus: Luzern wird nicht wie eine Studentenstadt wahrgenommen. Die Uni Luzern gilt als Pendler-Universität. Stört es Sie, dass die Studierenden oft nicht hier leben, und das studentische Leben in Luzern nicht wirklich existiert?

Staffelbach: Ich bin etwas befangen: Ich habe als Student selber gependelt und hatte nie das Gefühl, nicht am studentischen Leben teilzuhaben. Die Universität Luzern liegt sehr zentral. Und rund 50 Prozent unserer Studierenden kommen aus der Zentralschweiz. Da ist Pendeln strukturell gegeben. Aber man kann das auch als Vorteil anschauen: Vielleicht sind wir die extremste Pendler-Uni der Schweiz, in fünf Minuten sind Sie aus dem Hörsaal im direkten Zug an die Flughäfen Zürich und Genf. Das gibt es sonst nirgends: Jede und jeder kann von überall her unkompliziert zu uns kommen.

Ich würde es begrüssen, wenn Luzern nicht nur als Tourismus- oder Kulturstadt, sondern eben auch als Universitätsstadt gelten würde.

zentralplus: Trotzdem kommt die Hälfte der Studierenden aus der Zentralschweiz. Hat die Stadt – und damit die Universität – zu wenig Strahlkraft für Studierende über die Region hinaus?

Staffelbach: Von der Hardware her bringt Luzern alles mit: Es hat drei Hochschulen mit 11’000 Studierenden und 2’800 Mitarbeitenden, Kunst, Kongresse, Bibliotheken, Museen und ein aktives Kultur- und Nachtleben für alle Altersklassen. Die Stadt hat dank dem Tourismus eine grosse Offenheit für Leute von aussen – es wäre alles da, um eine Studentenstadt zu sein.

zentralplus: Woran hapert es denn?

Staffelbach: An der Software: Wir haben nicht die gleiche Geschichte wie etwa die Universitätsstädte Fribourg oder Basel. Die Uni ist noch zu klein und zu jung. Ich habe es intern schon ein paar Mal gesagt: Die ganze Welt kennt Luzern – aber nicht die ganze Welt weiss, dass es hier eine Universität gibt. Und diejenigen, die es wissen, sagen: «Hinter dem KKL steht die Universität.» Ich würde es begrüssen, wenn sich hier die öffentliche Wahrnehmung entwickelt.

zentralplus: Wie kann man dies aktiv verbessern?

Staffelbach: Ich würde es begrüssen, wenn Luzern nicht nur als Tourismus- oder Kulturstadt, sondern eben auch als Universitätsstadt gelten würde. Deshalb würde ich gerne mit verschiedenen Luzerner Akteuren wie dem KKL und dem Lucerne Festival oder Luzern Tourismus eine Allianz bilden. Ich denke mir: Warum spannen wir nicht zusammen und stellen Luzern auch als Universitätsstadt dar?

zentralplus: Sind Sie da mit Luzern-Tourismus-Chef Marcel Perren dran?

Staffelbach: Es ist ein Traum von mir, und ich habe bereits verschiedene Personen, auch Herrn Perren, darauf angesprochen.

zentralplus: Wie stellen Sie sich das konkret vor?

Staffelbach: Nimmt man einen Slogan wie ‹The Sound of Lucerne›, so ist das gut fürs KKL – aber schlecht für uns. Nimmt man stattdessen ‹The Spirit of Lucerne›, so ist das gut für uns beide. Insofern müssen wir schauen, dass wir auf der Reputation- und Imagewelle, die sich Luzern bereits erarbeitet hat, mitsurfen können.

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