PR-Profis fordern mehr regionale «Identität»

Das Sommer-Festival feiert ohne Luzerner Agenturen

«Identität» ist beim Sommer-Festival grossgeschrieben. Doch die Macher des «Lucerne Festival» identifizieren sich nur wenig mit der Region.

(Bild: zvg)

Das «Lucerne Festival» hat einen neuen visuellen Auftritt bestellt: in Berlin und Zürich. «Identität», heisst das Thema des Sommer-Festivals. Also: Wie stark identifizieren sich die Festival-Macher mit der Region? Und: Hat Luzern zu wenig kreative Köpfe, um den kulturellen Luxusdampfer in Schwung zu halten? Die lokalen Kommunikationsbüros machen dazu die «klassische» Faust im Sack.

In globalen Zeiten liegt es im Trend, sich auf Eigenes, Lokales zu besinnen. «Zurück zur Scholle», «ehret einheimisches Schaffen», «be Swiss, buy Swiss»: Das sind mehr als nur Schlagworte in Zeiten des Preisdrucks bei Produktionen aus dem Ausland. Neuerdings nicht nur bei Kleidern und Lebensmitteln, sondern auch im Druck- und Marketinggewerbe.

Viele Kunden lassen im Ausland drucken, Marktforschung betreiben oder sich gleich ganze Kampagnen von Agenturen gestalten. Oft nicht, weil die Leistungen dort besser wären, sondern meist wegen des günstigeren Preises in den Euroländern. 

«Identität»: drei Plakat-Variationen des neuen Kommunikations-Auftritts.

«Identität»: drei Plakat-Variationen des neuen Kommunikations-Auftritts.

(Bild: zvg)

So verliess jetzt auch das «Lucerne Festival» für seinen neuen visuellen Auftritt die Region: Verantwortlich für die neuen Plakat-Gesichter des «Identität»-Sommers ist die aus Berlin international tätige Markenagentur MetaDesign. Sie betreibt nebst Standorten in Peking, Düsseldorf, Genf und San Francisco immerhin auch ein Büro im nahen Zürich. Seit 1979 entwickelt die Markenagentur Brands wie Apple, Bucherer, Four Seasons, Intel, Jaeger-LeCoultre, Migros, die Mobiliar, New York Philharmonic, NZZ, Swiss Life und Volkswagen. Das beeindruckt vorerst mal mächtig.

Grossauftrag für die kleine Region

Doch gerne hätte man den Grossauftrag von den kreativen Kollegen aus der Region ausgearbeitet gesehen. Also: Cool bleiben und sich über die durchaus gelungene Zürcher Arbeit freuen – oder doch provinziell nachfragen und sich ärgern, dass wieder einmal die Haie in den Metropolen den Egli in der Provinz Futter und Arbeit wegfressen?

Doch Halt: Für ein Unternehmen wie das «Lucerne Festival», das sich mit der grossen Wertschöpfung für die Region brüstet, müsste es doch Ehrensache sein, sich auch in der Jobvergabe so weit wie möglich an die Nächsten zu wenden. Klar: Das anstehende vierwöchige Sommerfestival mit seinen 100 Konzerten (siehe Box am Ende) hat auch Besucher aus dem Ausland, also eine internationale Klientel. Da darf man wohl auch international werben.

9 Agenturen üben Kritik

Dennoch: Nachfragen! zentralplus hat sich bei 12 der 72 Kommunikations- und PR-Agenturen im Kanton Luzern erkundigt: Gefällt die Kampagne? Wurden die Agenturen auch angefragt, um ihre Ideen unterbreiten zu dürfen? Und: Gibt es Probleme, dass eine deutsche Agentur, die in der Schweiz immerhin zwei Büros unterhält, den Auftrag erhielt?

Nina Steinhart (links) von «Lucerne Festival» ist «stolz»; Michaela Eicher findet die Kommunikation nicht nachhaltig.

Nina Steinhart (links) von «Lucerne Festival» ist «stolz»; Michaela Eicher findet die Kommunikation nicht nachhaltig.

(Bild: zvg)

Neun Agenturen haben sich gemeldet, sieben davon haben mit Freuden Red und Antwort gestanden. Zwei der grösseren Kommunikationsteams wollten nicht mitmachen, auch wenn sie diese Fragen als «dringend und sehr berechtigt» einstuften. Grund: «Die Luzerner Agenturszene schlägt sich schon länger mit diesem Problem rum. Und, ehrlich gesagt, haben wir uns damit arrangiert.»

«Immer mehr Angebote sterben aus und werden ins Ausland verlagert – vielleicht auch bald der eigene Arbeitsplatz?»

Michaela Eicher von der Agentur Scharfsinn

Michaela Eicher findet diese Entwicklung alles andere als nachhaltig. Die Geschäftsführerin und Inhaberin der Luzerner Agentur Scharfsinn sagt: «Ich bin der Meinung, dass wir als Schweizer Unternehmerinnen wenn immer möglich den eigenen Markt berücksichtigen sollten, weil sonst immer mehr Angebote aussterben und ins Ausland verlagert werden – vielleicht auch der eigene Arbeitsplatz?» Aber, sie wisse halt schon: Entscheidend sei letztlich immer die Qualität. Die Zusammenarbeit. Die gleiche Sprache. Das Gemeinsame-Ideen-Entwickeln.

Solches waren tatsächlich gute Gründe für das «Lucerne Festival», wie dessen Pressesprecherin Nina Steinhart erklärt: «Wir haben uns für MetaDesign entschieden, weil wir uns mit ihrem Ansatz zur Weiterentwicklung unserer Unternehmensidentität zu hundert Prozent identifizieren konnten.» Steinhart ergänzt: «Wir sind auch stolz auf unsere neue Webseite. Die Kölner Agentur m.i.r. media hat dafür 2017 den German Design Award in Gold gewonnen.»

Andreas Troxler (links) stellt die Kernaussage in Frage; Silvan Kaeser betrachtet die Konzeptidee als «nicht revolutionär».

Andreas Troxler (links) stellt die Kernaussage in Frage; Silvan Kaeser betrachtet die Konzeptidee als «nicht revolutionär».

(Bild: zvg)

Arbeit wird gelobt

MetaDesign hat erwartungsgemäss gute Arbeit geleistet. Der Tenor aus dem Luzerner Marketing-Chor reicht von «gelungenem Auftritt» über «werberisch statt künstlerisch» bis hin zu «auffällig». Einzelne Kritikpunkte blieben leise: «Ob es die passendste Umsetzung zur Kernaussage ‹Identität› und zum ‹Lucerne Festival› ist, stelle ich in Frage. Hier wäre sicherlich eine innovativere Lösung möglich gewesen», findet beispielsweise Andreas Troxler vom Büro Troxler.

«Es wäre sicherlich eine innovativere Lösung möglich gewesen.»

Andreas Troxler vom Büro Troxler

Lakonisch äussert sich dazu etwa Silvan Kaeser von der Planet GmbH: «Der neue Auftritt beinhaltet eine Konzeptidee, was schon mal gut ist. Diese ist zwar nicht revolutionär, passt aber zum Festival und zum Identitäts-Thema.»

Stadttheater Luzern macht’s besser

Keine der Luzerner Agenturen kam in die Kränze, sich mit der Ideenfindung auseinanderzusetzen, was mitunter bedauert wird: «Wir wurden leider nicht angefragt», lautet hier der Tenor.

Andere Kulturinstitutionen arbeiten gerne mit der lokalen Kreativwirtschaft, die jährlich mit Abgängern der Hochschule Design & Kunst gespiesen wird. So etwa das Stadttheater Luzern: Die grafischen Arbeiten werden in der Stadt realisiert und sind sicherlich so eigenständig wie jene des «Lucerne Festival».

Verein made in Lucerne sorgt für Gegenwind

Dennoch bleibt die Kritik aus Luzern verhalten. Die meisten signalisieren Verständnis oder sind insofern nicht traurig darüber, weil sie genügend ausgelastet sind. René Häfliger, Mitglied der Geschäftsleitung von Frontal, sagt: «So spielt eben der Markt, und das kommt immer wieder mal vor.»

«Das ist nicht okay. Luzern hat genügend kompetente Agenturen.»

Thomas Niederberger von Mexan

Thomas Niederberger von Mexan spricht als einziger Klartext: «Nein, das ist nicht okay. Luzern hat genügend kompetente Agenturen, die alleine oder im Verbund eine starke Kampagne hätten erarbeiten können.» Niederbergers Team begreift nicht, warum man diese Chance nachhaltiger regionaler Partnerschaften nicht nutzt: «Das ist für uns unverständlich.»

René Häfliger (links) weiss, dass «der Markt so spielt»; Thomas NIederberger findet das Ganze «unverständlich».

René Häfliger (links) weiss, dass «der Markt so spielt»; Thomas NIederberger findet das Ganze «unverständlich».

(Bild: zvg)

Andreas Troxler will nicht klagen, sondern hat schon vor drei Jahren etwas unternommen: «Wir versuchen auf dem Platz Luzern mit dem Verein made in Lucerne Gegenwind zu geben und für lokale Auftraggeber eine Übersicht zur Kreativwirtschaft unserer Stadt zu geben.» Der Verein made in Lucerne bündelt seit 2014 mit seinen 59 Mitgliedern die Luzerner Kreativwirtschaft unter einem Dach, um in Zukunft dieses Potenzial besser auszuschöpfen.

«Wenn’s sein muss, bin ich in drei Minuten dort.»

Albi Christen von der Agentur Clou

Gelassen sieht es Albi Christen, Kreativkopf der Agentur Clou: MetaDesign mit der Markenführung und Kommunikation für ein Festival dieser Grössenordnung und Ausstrahlung zu beauftragen, sei ein nachvollziehbarer strategischer Entscheid. «Das Festival kann klar von der Erfahrung und von der internationalen Tätigkeit von MetaDesign profitieren», weiss Christen. Seine Erfahrung zeigt: Wo eine Leadagentur ist, gibt es meistens auch kleinere Agenturen, die für Teilprojekte hinzugezogen werden, weil die Wege kürzer sind. Christens Clou-Team steht bereit: «Wenn’s sein muss, bin ich in drei Minuten dort.»

Albi Christen (links) findet das Vorgehen «nachvollziehbar»; Mathias Schürmann offeriert dem Festival-Chef einen Espresso.

Albi Christen (links) findet das Vorgehen «nachvollziehbar»; Mathias Schürmann offeriert dem Festival-Chef einen Espresso.

(Bild: zvg)

Anstatt «klassisch» die Faust im Sack zu machen, nimmt es Mathias Schürmann, Teilhaber der Werbeagentur Rocket, sehr sportlich: «Auch wir wurden nicht angefragt. Aber dem Intendanten des Festivals, Michael Häfliger, würden wir bei uns immer einen Espresso servieren.»

Crème de la Crème der Klassik-Szene

Am 6. September zu erleben: Anne-Sophie Mutter.

Am 6. September zu erleben: Anne-Sophie Mutter.

(Bild: Stephan Hoede, Lucerne Festival)

Vier Wochen, über 100 Konzerte: Die Weltstars der Klassik gastieren beim «Lucerne Festival» ab dem 11. August wieder in Luzern. «Identität», lautet das Motto des Sommers 2017 – ein brandaktuelles Thema im Spannungsfeld von Globalisierung und Migration. Was macht eine Person, eine Gemeinschaft, eine Kultur unverwechselbar?

Konzertprogramme spüren diesen Fragen nach und zeigen überdies, wie es Musikern gelingt, in der global vernetzten Musikwelt ihre künstlerische Eigenart zu entwickeln und zu bewahren. Zu Gast ist die Crème de la Crème der Klassik-Szene: Herausragende Solisten wie Anne-Sophie Mutter (6. September) und Dirigenten wie Sir Simon Rattle (30. und 31. August), nicht zu vergessen die internationalen Toporchester, deren «Parade» seit jeher ein Gütesiegel des Festivals ist.

Zudem ist in den Luzerner Gassen ab dem 22. August während sechs Tagen wieder das Weltmusik-Festival gratis zu erleben: Allabendlich (am Samstag auch vormittags) sorgt «In den Strassen» für ein buntes Musikspektakel unter freiem Himmel. (hae)

Zweimal mit den Berliner Philharmonikern zu hören: Sir Simon Rattle.

Zweimal mit den Berliner Philharmonikern zu hören: Sir Simon Rattle.

(Bild: Stephan Rabold, Lucerne Festival)

www.lucernefestival.ch

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