FCL-Konditionstrainer Christian Schmidt

Der Schleifer mit den Sport-BHs

Konditionstrainer Christian Schmidt.

(Bild: Martin Meienberger/freshfocus)

Er ist der akademische Kopf-Arbeiter und bringt die FCL-Spieler an ihre physischen Grenzen. Konditionstrainer Christian Schmidt kommt aus seiner fünften und bisher schwierigsten Saisonvorbereitung mit dem Club. zentralplus traf den Korsen mit dem deutschen Namen und sprach mit ihm über den schmerzhaften Prozess des Erfolges.

Christian Schmidt stiess im Sommer 2013 als Konditionstrainer zum FC Luzern. Als einen seiner besten Transfers bezeichnete ihn der damalige Sportdirektor Alex Frei später. Die beiden lernten sich zehn Jahre zuvor beim französischen Erstligisten Stade Rennes kennen und schätzen. Der Konditionstrainer half dem späteren Nati-Rekordtorschützen durch eine schwierige Verletzungs-Zeit.

Als Christian Schmidt beim FC Luzern unterschrieb, kam der Verein aus einer Saison mit Abstiegssorgen. In keiner der darauffolgenden Saisons war der FCL am Ende schlechter platziert als Rang fünf. In dieser Zeit wurden Präsidenten, Sportdirektoren, Chef- und Assistenztrainer ausgetauscht – der Konditionstrainer blieb.

Das derzeit dienstälteste Mitglied des Trainerteams sagt: «Der Unterschied zwischen jetzt und vor vier Jahren ist unglaublich gross.» Jetzt sei alles professioneller, die Infrastruktur besser und auch die Mentalität der Spieler sei anders. Aber: «Wir sind noch nicht so weit, wie ich möchte.» Christian Schmidt brachte den Verein dazu, die Infrastruktur auszubauen. Gleichzeitig wurde er seinem Ruf gerecht, ein Schleifer zu sein, der die Spieler bis an ihr Limit treibt.

GPS-Sender auf der Brust

Christian Schmidt ist Sportwissenschaftler, ausgebildeter Fitness-Instruktor und seit 20 Jahren im Spitzenfussball tätig (siehe Box). Die Strukturen beim FC Luzern, sagt er, seien zu seiner Anfangszeit «ein bisschen amateurhaft» gewesen. «Deshalb habe ich mich bei den Vereinsverantwortlichen dafür eingesetzt, dass wir investieren. Jedes Jahr 10’000 bis 20’000 Franken, um neue Maschinen und Geräte zu kaufen.» Dazu gehören auch GPS-Sender, welche die Spieler in einer Art Sport-BH um die Brust tragen, und die während den Spielen Daten über Position, Geschwindigkeit oder Laufleistung messen.

Er tue alles dafür, dass sich der Verein strukturell professionalisiere, sagt Schmidt. «Die Investoren haben mir viel Vertrauen geschenkt und ich hoffe, dass ich dieses Vertrauen zurückzahlen konnte.»

«Je mehr Messungen man hat, desto näher ist man bei der Wahrheit.»

Christian Schmidt, FCL-Konditionstrainer

«Ich ziehe jedes Jahr Bilanz», erzählt Schmidt. Er erkläre Trainern und Investoren genau, was gemessen wurde, welche Ziele erreicht wurden und welche noch nicht. «Das soll den Investoren zeigen, dass die Investitionen tatsächlich einen Effekt haben.»

Vor Christian Schmidt gab es beim FC Luzern noch keine methodischen Messungen – keine Sport-BHs mit GPS-Sendern. In grossen Ligen haben Vereine 100-Prozent-Stellen einzig für die Daten-Analyse. Beim FC Luzern macht das Christian Schmidt alleine – neben all den anderen Aufgaben als Konditionstrainer. Er sagt: «Beim GPS gibt es bis zu 200 Analyse-Werte. Alle kann ich alleine aber nicht auswerten.»

Gemessene Wahrheit

Da der FC Luzern nicht dieselben finanziellen Möglichkeiten hat wie die grossen Vereine, muss Schmidt effizient arbeiten. So wird zum Beispiel das «Global Positioning System» (GPS) nur in Spielen eingesetzt und nicht in Trainings, da die Datensammlung und Auswertung dafür zu aufwendig wäre. Bei der ersten Mannschaft und der U21 werden alle Spiele gemessen – bei den Jugendmannschaften von U16 und U18 acht bis zehn Partien pro Saison. «Diese Daten können wir mit der ersten Mannschaft vergleichen.»

Wenn ein junger Spieler nicht die nötige Kapazität mitbringe, werde es schwierig, den Sprung zum Profi zu schaffen. «In unserem Spielsystem müssen die Spieler viel laufen», erklärt Schmidt, der mittlerweile eine Datenbank angelegt hat, mit der sich die Werte eines Spielers über die Jahre vergleichen lassen. «Je mehr Messungen man hat, desto näher ist man bei der Wahrheit.»

Der FCL im Trainingslager mit Konditionstrainer Christian Schmidt.

Der FCL im Trainingslager mit Konditionstrainer Christian Schmidt.

(Bild: Martin Meienberger/freshfocus)

Zu Christian Schmidts Aufgaben gehört auch, die Methodik weiterzuentwickeln, um junge Spieler an die Spitzenmannschaft heranzuführen. Man dürfe nicht faul sein, sagt er, der als akribischer Arbeiter gilt. Wenn ein Spieler verletzt ist, erhält er von Schmidt ein auf ihn zugeschnittenes Trainings-Handbuch.

Wenn man mit den Spielern in ihrer Verletzungs-Zeit nur reden würde, könne man sich drei Stunden Arbeit am Tag sparen – aber das sei nicht professionell, sagt Schmidt, der die Entwicklungen beim Verletzten täglich protokolliert. «Für mich muss ein verletzter Spieler Unterstützung erhalten, ein individuelles Programm und wöchentliche Bilanzen.»

Kranke Professionalität

Schmidt gilt als fordernder Trainer. Zwar habe er keine Ahnung, woher der Übername «Schleifer» komme und was er bedeute – aber er hat auch kein Problem damit. Er sagt: «Ich bin schon ein bisschen angefressen.» Für diesen Job müsse man das sein, aber auch ein hohes Mass an Professionalität sei Pflicht. «Wenn du mit den Spielern ans Limit gehst, dann müssen die Spieler dich verstehen und dir vertrauen.»

«Ohne Schmerz geht es nicht. Das ist Spitzensport.»

Schmidt hilft den Spielern dabei, Selbstvertrauen zu entwickeln und ihr eigenes Limit herauszufinden. Als eine Art «Borderline-Mentaltrainer» drückt er die Spieler in die sogenannte «rote Zone» – das tue dann weh. «Viele Trainer sagen dann: Es ist genug», so Schmidt. «Sie wollen keine Konflikte mit den Spielern.» Dabei sei es das Beste, findet er, wenn man in diese rote Zone eindringe. «Da kommt der Fortschritt!»

Christian Schmidts Motto im Training heisst: «No pain, no gain» – kein Schmerz, kein Erfolg. «Ohne Schmerz geht es nicht. Das ist Spitzensport.» Deshalb ist er auch der Anpeitscher, der die Spieler an ihre Grenzen bringt. Ihm sei es egal, wenn er dadurch eine schlechte Reputation bekäme. Beleidigungen von Spielern habe er bisher jedenfalls keine gehört. Eher wachse mit den Fortschritten auch der Respekt.

Auf dem Platz übergeben: eine wertvolle Erfahrung

Er versuche zwar immer auch lustig zu sein, aber Christian Schmidt weiss: Seine Trainings sind intensiv. «Vielleicht sagen die Spieler: Der Kondi ist verrückt!» Manchmal pusht er seine Spieler nicht nur in die rote, sondern auch an die schwarze Zone. «Es kann sein, dass der Spieler sich auf dem Platz übergeben muss.» Das sei schon passiert und ein Spieler müsse in seiner Karriere diese Erfahrung machen.

«Bei mir gibt es Leidenschaft, Herzblut und Einsatz», sagt er deshalb. «Und wenn ein Spieler Fortschritte will, bringe ich ihn an seine maximale Kapazität.» Aber dazu brauche es auch Spieler, die das auch wirklich wollen. In Luzern könne er sich glücklich schätzen, weil es hier viele gute Spieler mit der richtigen Mentalität und Ambition gebe, sagt Schmidt. «Viele wollen weiter gehen. Das ist hier wie auf einem Trampolin!»

«Ich stelle die Spieler nicht zueinander in Konkurrenz.»

Christian Schmidt, FCL-Konditionstrainer

Man dürfe die Spieler nicht untereinander vergleichen oder zueinander in Konkurrenz stellen, erklärt Christian Schmidt. «Jeder Spieler hat seine eigenen Kapazitäten.» Man müsse stattdessen eine Methode finden, damit der Spieler für sich arbeite und dadurch auch für die Mannschaft. «Du kannst ihnen die GPS-Werte der besten Spieler Europas auf ihrer Position zeigen und mit ihnen vergleichen. So können sie sehen, woran sie arbeiten müssen.» So könne man auch Intervall- und Ausdauertraining schmackhaft machen.

Stürmische Hoffnung

Normalerweise seien neue Spieler überrascht über die hohe Trainings-Intensität beim FC Luzern. Dieses Jahr war die Vorbereitung nicht so intensiv wie sonst. Das liege an der kurzen Erholungszeit, erklärt der Konditionstrainer. «Der Körper ist keine Maschine, er braucht Pausen.» Drei Wochen Ferien seien das absolute Minimum. Deshalb sagt Christian Schmidt, wäre diese Saisonvorbereitung eine der schwierigsten seiner gesamten Karriere gewesen. Die mannschaftliche und individuelle Vorbereitung in so kurzer Zeit sei komplex, man müsse präzise sein und dürfe keine Fehler machen.

Im Trainingslager des FC Luzern: Konditionstrainer Christian Schmidt mit Spieler Lucas Scholl.

Im Trainingslager des FC Luzern: Konditionstrainer Christian Schmidt mit Spieler Lucas Scholl.

(Bild: Martin Meienberger/freshfocus)

«Wenn alle Spieler fit sind, haben wir eine gute Mannschaft. Da habe ich keine Angst für diese Saison», sagt Schmidt und gibt trotzdem zu bedenken, dass der Anfang wohl schwierig sein werde, weil nicht alle zu Beginn topfit seien. Einige Spieler seien entweder verletzt oder hatten wegen Einsätzen in der Nationalmannschaft später Ferien.

Besonders die Offensivkräfte werden zurzeit sehnlichst erwartet. Die FCL-Stürmer dürfen sich in guten Händen wissen, denn als Christian Schmidt vor zehn Jahren Alex Frei durch seine Verletzungs-Zeit half, wurde dieser daraufhin Torschützenkönig seiner Liga.

Hinweis: Der FC Luzern spielt am 20. Juli das Rückspiel in der 2. Runde der Europaleague-Qualifikation zuhause gegen NK Osijek.
Zum Start der Super League spielt der FC Luzern am 23. Juli um 16 Uhr, ebenfalls zuhause, gegen den FC Lugano. Verfolgen Sie beide Spiele im Ticker auf zentralplus.

Von Korsika nach Luzern

 

Christian Schmidt wurde am 5. Mai 1971 als Sohn einer Österreicherin und eines Deutschen auf der französischen Insel Korsika geboren. Für das Sport-Studium zog Schmidt von der korsischen Hauptstadt Bastia nach Nizza. An der dortigen Universität holte er den Master und arbeitete in der sportmedizinischen Forschung.

Neben einer Tätigkeit als Lehrer kam er durch seine Arbeit im Labor in Kontakt mit Spitzensportlern. Unter anderem arbeitete er für die französische Turn-Nationalmannschaft und seit 1998 im Spitzenfussball. Christian Schmidt ist verheiratet und Vater dreier Kinder. Er geht in seine fünfte Saison als Konditionstrainer beim FC Luzern.

Schmidts Stationen im Spitzenfussball: OGC Nizza (1998–2003), Nationalmannschaft Tunesien (1998–2003), FC Stade Rennes (2003–2009), AS Monaco (2009–2011), OGC Nizza (Januar 2012–Juni 2012), Al-Hilal Riad, Saudi-Arabien (2012–2013), FC Luzern (seit 2013).

 
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