Orris-Block in Zug bietet mehr als wüste Fassade

Aussen: na ja, innen: aber hallo!

Der Orris-Wohnblock in Zug: von aussen nicht unbedingt schön, aber …

(Bild: woz)

Orris Speisefett war früher ein Klassiker in der Zuger Lebensmittelbranche. Ein Klassiker in Sachen Architektur ist dagegen noch immer das Gebäude, wo die Firma untergebracht war. Genauso wie der Wohnblock daneben in der Untermüli. Letzterer hat schon öfters sein Fett abbekommen. Dabei verfügt das Haus über innere Werte.

Der Putz blättert ab. Fensterläden sehen von aussen so marode aus wie jene an Mietskasernen in lateinamerikanischen Plattenbauten – oder jene wie in der früheren DDR. Überhaupt: Die ganze Fassade des siebenstöckigen Hauses wirkt vom Wetter gegerbt wie die ledrige Haut eines 100-jährigen Apachenhäuptlings. Der Verfall lässt grüssen.

Möchte man hier wirklich wohnen, fragt man sich, wenn man am Orris-Block entlangfährt und in die Höhe blinzelt. Diese Frage drängt sich besonders auf, wenn man noch den modernen und zweifellos schicken Zuger Skyscraper direkt hinter dem Mietshaus erblickt. Wohnst du noch oder lebst du schon? So oder ähnlich lautet jene schadenfroh tönende Ikea-Werbung.

«Wir sind dran an der Fassade.»

Hans Voorgang, Liegenschaftsbesitzer

Das von seiner Architektur sehr dynamisch wirkende Gebäude in der Untermüli wurde 1960 vom Baarer Architekten A. Adorni gebaut und sechs Jahre später sogar um ein Stück nach Westen verlängert.

Helles und harmonisch gestaltetes Treppenhaus.

Helles und harmonisch gestaltetes Treppenhaus.

(Bild: woz)

«Wir sind dran an der Fassade», sagt Hauseigentümer Hans Voorgang. Man habe ein wenig zugewartet und Geld in andere Immobilien investiert. Doch in den nächsten drei Jahren soll die Fassade des Orris-Blocks generalsaniert werden.

Vorfahren stammen aus den Niederlanden

Voorgangs Vorfahren stammen aus den Niederlanden und aus dem dortigen Grenzgebiet zu Deutschland. Sie wanderten 1880 in die Schweiz aus. Einige seiner Ahnen waren in der Textilbranche tätig.

Ein anderer aus der Familie versuchte sein Glück mit Speisemargarine. Zuerst in Wien und Oerlikon. Dann in Zug, wo die Orris Fettwerk AG sich in der ehemaligen Getreidemühle Untermüli mit ihrem weiss-roten Sichtbackstein und den imposanten Treppengiebeln niederliess. Von 1937/38 bis 2002 wurde hier Speisemargarine produziert. 20 Tonnen am Tag. Für Bäckereien und Konditoreien, die damit ihre Berliner und Gipfeli buken.

Heute firmiert die neu gegründete Orris Untermüli Immobilien AG im ehemaligen Büro der Orris Fettwerk AG – im Erdgeschoss des Wohnblocks. Ein Berliner auf einer Werbung baumelt wie ein kulinarisches Memo von der Decke im Gang. Hans Voorgang, der im Attikageschoss des Mietshauses wohnt, weilt jeden Tag im geräumigen Büro, das den Odem der Vergangenheit atmet.

Das klassische Bad aus den 60-er Jahren: Mit vanillegelben Plättli und schwarzweiss Fliessen.

Das klassische Bad aus den 60-er Jahren: Mit vanillegelben Plättli und schwarzweiss Fliessen.

(Bild: woz)

Der 79-Jährige kümmert sich täglich um die Liegenschaften, die er von seinem Vater 1992 erbte. Neben seinem Schreibtisch hängen Schwarz-Weiss-Fotos aus den 60er-Jahren mit dem neu gebauten Block. Und es gibt sogar ein Bild aus dem Ersten Weltkrieg. Als das riesige Areal neben der Untermüli noch eine grüne Wiese war.

Doch wie wohnt es sich eigentlich in dem Orris-Block, der 61 Wohnungen hat, der von aussen aber alles andere als einladend aussieht? Sehr gut eigentlich. Hans Voorgang offeriert Einblicke in zwei Viereinhalb-Zimmer-Wohnungen.

Altes Bad mit Bidet

Die eine ist noch im ursprünglichen Zustand der 60er-Jahre: mit alten Küchengeräten und knarziger Essensdurchreiche. Und mit einem Bad, das mit vanillegelben Plättli an den Wänden und schwarz-weissen auf dem Boden gefliest ist, dafür aber sogar schon ein Bidet hat.

«Das ist heute nicht mehr so gefragt, die Leute wollen lieber einen Turm für Waschmaschine und Tumbler.»

Hans Voorgang, Immobilienbesitzer

«Das ist heute nicht mehr so gefragt, die Leute wollen lieber einen Turm für Waschmaschine und Tumbler», erklärt Voorgang. Die Wände sind frisch gemalt, überall hat es Parkettböden. Kostenpunkt: 1’600 Franken Miete pro Monat.

Was sofort auffällt: Dadurch, dass die Wohnung so geschnitten ist, dass sie sich mit ihren rund 100 Quadratmetern über die ganze Stockwerkbreite erstreckt, ist sie sehr hell. Der Grund: Von zwei Seiten strömt Licht in die Wohnung. Morgensonne und Abendsonne. Beeindruckend modern.

Moderne Wohnküche

Innen erstrahlt in den sanierten Wohnungen eine moderne Wohnküche mit V-Zug-Geräten.

Innen erstrahlt in den sanierten Wohnungen eine moderne Wohnküche mit V-Zug-Geräten.

(Bild: woz)

Die andere Viereinhalb-Zimmer-Wohnung, die völlig identisch vom Grundriss ist und nur zwei Etagen höher liegt, hat eine moderne, offene Wohnküche mit V-Zug-Geräten. Das Badezimmer ist modisch gefliest und hat einen Waschmaschinenturm, Badewanne, Dusche und Toilette. Im alten Bad war das WC noch abgetrennt. Kostenpunkt für diese höchst attraktive Wohnung im vierten Stock mit Blick vom Balkon auf Rigi, Pilatus, Park Tower und Zuger Bahnhof: 2’200 Franken mit Nebenkosten. Beide Wohnungen haben übrigens auch in allen Räumen Parkett. Nicht schlecht.

«Ich bin froh, dass ich die Aussenrenovation noch nicht gemacht habe», gesteht Hans Voorgang, dem auch noch zwei Mehrfamilienhäuser in Zürich gehören. Denn inzwischen gebe es Isolierputz, der für die Erhaltung der Architektur von grosser Bedeutung sei.

Lichtfurchflutete, grosse Wohnungen mit stilvollem Parkett.

Lichtfurchflutete, grosse Wohnungen mit stilvollem Parkett.

(Bild: woz)

Deine Ideefür das Community-Voting

Die Redaktion sichtet die Ideen regelmässig und erstellt daraus monatliche Votings. Mehr zu unseren Regeln, wenn du dich an unseren Redaktionstisch setzt.

Deine Meinung ist gefragt
Deine E-Mailadresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert. Bitte beachte unsere Netiquette.
Zeichenanzahl: 0 / 1500.


0 Kommentare
    Apple Store IconGoogle Play Store Icon