Luzerner Kulturförderung ist ausgesetzt

Kultur: Nun geht’s den Kleinen an den Kragen

Die Tänzerinnen und Choregrafinnen Deborah Gassmann (links) und Hyun Jin Kim erhielten für ihr «Soom Project» kürzlich 40'000 Franken vom Kanton Luzern – weitere Ausschreibungen sind nun gestoppt.

(Bild: zvg)

Die kantonale Luzerner Kulturförderung muss bluten: 0,8 Millionen Franken fallen 2017 und 2018 weg. Die grossen Häuser kommen diesmal ungeschoren davon, dafür ist die Verunsicherung in der freien Szene umso grösser. Klar ist auch: Ausschreibungen wurden bereits abgesagt – und es könnte noch dicker kommen.

Die gute Nachricht zuerst: Die Beiträge an die Grossen Kulturbetriebe werden nicht angetastet – Luzerner Theater, Sinfonieorchester, Kunstmuseum, Lucerne Festival und Verkehrshaus sind von der neusten Sparrunde ausgenommen. Verständlich, haben doch die Leuchttürme bereits zwei Kürzungsrunden hinter sich. Erst diesen Frühling haben sich Stadt und Kanton Luzern auf eine neue Übergangsfinanzierung geeinigt (zentralplus berichtete).

Die schlechte Nachricht: Die Kultur trifft es trotzdem hart. 0,8 Millionen Franken sollen alleine dieses Jahr bei der Kulturförderung eingespart werden, ebenso so viel ist es für 2018. Das hat der Regierungsrat so beschlossen, neben vielen anderen Notmassnahmen etwa bei der Prämienverbilligung, im Asylbereich, bei Gesundheit oder Polizei (zentralplus berichtete).

Sollte der Kantonsrat im September zudem die Lockerung der Schuldenbremse verweigern, kommt es noch dicker: Der Kultur würden dann sogar 1 Millionen Franken fehlen. Weitere 1,6 Millionen würden eingespart durch die angedrohte Schliessung des Natur- und historischen Museums (zentralplus berichtete).

Es trifft die Kleinen

Wo konkret gespart wird und wer betroffen sein wird, darüber kann man erst spekulieren – entschieden ist noch nichts. «Zurzeit können wir noch nicht sagen, was die massiven Kürzungen im Kulturbereich konkret bedeuten würden. Wir sind daran, mögliche Konsequenzen zu prüfen», sagt Karin Pauleweit, Leiterin der Dienststelle Hochschulbildung und Kultur. Man müsse die Entscheide des Kantonsrates im September abwarten.

«Das trifft die Kulturförderung, trifft Einrichtungen und einzelne Projekte.»

Urs Bugmann, Präsident IG Kultur

Im Entwurf des Regierungsrates heisst es lediglich: «Konzentration auf grosse Kulturbetriebe, Verzicht auf Zuwendungen im Bereich Theater, Musik und bildende Kunst sowie Verzicht auf Ausschreibungen, Konferenzen und teilweise Projektbeiträge».

Klar ist indes: Es trifft die Kleinen. Dazu Karin Pauleweit: «Wenn wir tatsächlich so grosse finanzielle Einschnitte im Kulturbereich vornehmen müssen, dann sind wir gezwungen, die verbleibenden Mittel auf bestimmte Schwerpunkte zu fokussieren.»

Spitzenförderung in Gefahr

Unter Beschuss geraten werden wichtige kantonale Förderungsinstrumente wie Werkbeiträge, die selektive Produktionsförderung (zuletzt gab’s 230’000 Franken für acht Projekte, zentralplus berichtete), Atelieraufenthalte für Künstler, die Literaturförderung, die Filmförderung und weitere Beiträge an Kunst und Kultur.

Die Kürzung ist umso bitterer als der Kanton mitten in einem langwierigen Umbau seiner Förderstruktur steckt: Statt in die Breite will er die Spitze fördern (zentralplus berichtete). Wollte er zumindest – ob dieser Anspruch noch eingelöst werden kann, ist mehr als fraglich. Alleine für die Musik wären jährlich 120’000 Franken vorgesehen, über alle Kunst- und Kultursparten hinweg rund 750’000 Franken.

Nun wird die Spitzenförderung unter dem Sparhammer ausgesetzt: Die nächste Ausschreibungsrunde für Beiträge in den Sparten Musik, Theater, Tanz, Kunst, Verlage wäre diesen Juni gestartet – nun ist sie bereits gestrichen. Auf der Website der Kulturförderung heisst es: «Die zweite Ausschreibungsrunde der selektiven Produktionsförderung 2017 kann aufgrund der Sparmassnahmen des Kantons Luzern nicht getätigt werden.»

Aufruf zu öffentlichem Protest

Die Luzerner Kultur, insbesondere Vertreter der freien Szene, sind alarmiert. Die IG Kultur ruft in einem Schreiben zu öffentlichem Protest gegen den Luzerner Regierungsrat auf. Nicht nur die angedrohte Schliessung der beiden Museen, sondern bereits die 800’000 Franken Kürzung für dieses Jahr und nächstes Jahr hält die IG Kultur für «unverantwortbar und perspektivlos».

Für Urs Bugmann, Präsident des Verbands, greifen die Massnahmen «im Sozialen die Schwachen, in der Bildung die Zukunft und in der Kultur die Vielfalt an». Das Sparen bei den «Kleinen» findet er stossend: «Das trifft die Kulturförderung, trifft Einrichtungen und einzelne Projekte.» Denn die Kultur im Kanton sei gerade durch die vielen Kleinen und Einzelnen lebendig und vielfältig.

Urs Bugmann, Präsident IG Kultur, spricht an der Kundgebung gegen die Sparmassnahmen (Bild: pze).

Urs Bugmann, Präsident IG Kultur, an einer Kundgebung gegen Sparmassnahmen im Dezember 2016 (Bild: pze).

Die Kulturausgaben im Kanton Luzern seien jetzt schon bescheiden, die Erträge daraus aber «unschätzbar und ihre Kürzung einschneidend und nicht allein für die Betroffenen ein Schaden mit unabsehbaren Auswirkungen», so Bugmann. Dass die Gemeinden für die Kürzungen des Kantons in die Bresche springen, glaubt Bugmann nicht: «Das werden die Gemeinden nicht übernehmen können.»

Wie war das mit der Relevanz?

Auch der freie Luzerner Theaterschaffende Patric Gehrig äusserte sich deutlich: «Der Kultur geht’s an den Kragen!», schreibt er auf Facebook. Und weiter: «Wohlgemerkt: Bei den kleinen, nichtetablierten, freien Kulturschaffenden, da wird die Brechstange angesetzt. Ausschreibungen werden abgesagt, Projektbeiträge und -zuschüsse gekürzt oder gestrichen! Wie war das nochmals mit der Relevanz der freien Szene?»

Adrian Albisser, Grossstadtrat und Co-Präsident des Sedel-Vorstands, twittert: «Unverantwortbar und perspektivlos – die Kulturförderung des Kantons Luzern verschwindet im Nirvana.»


Das Luzerner Kleintheater schliesslich schrieb unverblümt: «Freie Szene, habt ihr verstanden wo gespart werden soll? Liebe freie Kulturschaffende, macht doch einstweilen eine Kreativpause und geht kellnern. Entschuldigt den Zynismus aber wir sind fassungslos, sollte sich dieses Szenario bewahrheiten.»

Das Kleintheater erhält zwar ohnehin keine direkten Gelder des Kantons, aber das Haus arbeitet mit vielen Kulturschaffenden zusammen, die jetzt unter Druck geraten dürften.

 

Es wird ein heisser Herbst für die Luzerner Kultur – oder wie es der Theaterschaffende Damiàn Dlaboha schreibt: «Das wird ein lauter, grosser, wilder und kreativer Kampf.» Auch Act Zentralschweiz, der Berufsverband der Freien Theaterschaffenden, kündigt weitere Aktionen an und schreibt zynisch: «ACT-Z bedankt sich schon mal beim Regierungsrat für die gestrichenen Ferien und setzt sich dran, die nächsten Schritte zu planen.»

 

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