Auf dem Esoterik-Trip bei den Oberwiler Kursen

Hurra, die Astralwesen sind da: Wir lernen pendeln

Es gibt mehr, als unser Auge sehen kann.

 

(Bild: flickr)

Wir machen uns auf die Suche nach Orten der Kraft. Das Rüstzeug dafür haben wir uns bei den Oberwiler Kursen in einem Pendelkurs geholt – und sind dabei auf freundliche Bananen und lebendiges Wasser gestossen. Und ganz am Ende sind wir noch drei Astralwesen begegnet.

Im Kanton Zug schlummert verborgene Energie im Untergrund. Nicht jene, welche die WWZ fördert, sondern die geomantische – jene, die Esoteriker in Hochstimmung versetzt und die Orte der Kraft befeuert. Darüber will ich mehr wissen.

Zu diesem Zweck habe ich mich zu einem der Oberwiler Kurse angemeldet. Denn ich möchte pendeln können, und im Dienst des fundierten Journalismus will ich natürlich nur von den Besten lernen. Anton Styger, ein Architekt aus Oberägeri, ist seit 40 Jahren in diesem Bereich tätig – er ist eine Art Guru, Meister des Tensors und des Rutengehens. Styger ist bekannt dafür, dass er Wasseradern oder magnetische Störfelder im Haus feststellt und auch mal ein verschwundenes Kätzchen aufspürt. Ausserdem vertritt er ein paar sehr seltsame Theorien, wie ich noch sehen werde.

Mit Messing ans Werk

Zwanzig Leute haben sich für Stygers Anfänger-Pendelkurs im Schulhaus Oberwil versammelt – die Jüngste ist dreissig Jahre alt, der Älteste schon in Pension. Vor mir liegen ein Skript und ein Tensor: eine an einem Draht befestigte Messingspule mit Griff.

Damit arbeiten wir: Skript und Hochleistungspendel mit allen Teilen.

Damit arbeiten wir: Skript und Hochleistungspendel mit allen Teilen.

(Bild: mam)

Die erste Übung: Wir pendeln Gegenstände aus. «Der Körper reagiert auf alles», sagt Anton Styger. Folglich wird er mir auch sagen, ob er die Banane auf dem Pult mag oder nicht. Dazu bringe ich die Messingspule zwischen Hand und Gegenstand und warte, in welcher Richtung der Tensor ausschlägt. Verbindende Ausschläge in die Waagrechte heissen: Der Körper wünscht sich die Banane. Trennende Ausschläge in der Senkrechten zeigen an, dass er sie nicht braucht.

Na, wer sagt’s denn: Es geht

Nach einer Weile beginnt die Messingspule tatsächlich, hin und her zu pendeln. Ein Hochgefühl macht sich breit – es funktioniert! «Sie müssen die Banane erst schälen», bremst Anton Styger. Sonst werde die Beschaffenheit nicht richtig wahrgenommen. Also runter mit der Schale und alles von vorne. Nach einer Weile kommt wieder ein positives Zeichen: Die Banane ist bekömmlich. Meine Sitznachbarin untersucht derweil eine Süssigkeit und jubelt: «Yeah, mein Körper will Caramel!»

«Der Körper reagiert auf alles.»

Anton Styger

Nach der Banane pendle ich meine Wasserflasche aus. Industriell abgefülltes Mineralwasser sei tot und werde vom Körper kaum je positiv bewertet, hat uns Styger eingetrichtert. Doch der Tensor schlägt wieder waagrecht aus: Das Wasser ist gut für mich. Liegt wohl daran, dass ich es morgens am Hahn abgefüllt habe, gemäss Styger «noch das Beste». Glück gehabt.

Blockaden lösen

Nun eine Vitamintablette. Die will der Körper nicht. Der Tensor macht trennende Ausschläge. Klar, die Tagesration habe ich schon geschluckt. Eine zweite wäre schlecht für den Organismus.

Das Praktische am Pendeln ist, dass sich leicht ein Grund dafür findet, wenn das Resultat unerwartet ausfällt. Sei es durch falsche Handhabung des Tensors oder eine geistige Blockade. Letztere lässt sich beheben: Styger empfiehlt uns, kurz auszutreten und uns selbst gut zuzureden.

Ein Stück Draht hätte auch gereicht

Während sich meine Nachbarin damit abmüht, ihrem Parfüm zu entlocken, ob es gut für sie ist, bin ich mit dem Verlauf des bisherigen Kurses hochzufrieden. Alles klappt bisher.

Styger spricht nun über Geomantie, über Wasseradern und Magnetfelder, welche die Erde gitterartig überziehen. Um sie sichtbar zu machen, greift er sich ein verbogenes Stück Draht: «Mit der Rute geht es einfacher», sagt er und marschiert im Klassenzimmer umher, wobei die Rute alle paar Meter ruckartig ausschlägt. Genau diese Magnetfelder will ich auch feststellen können. Aber warum pendeln wir mit dem Messingtensor, wenn auch ein Stück Draht reichen würde?

Die Macht des Wortes

«Mit dem Tensor funktioniert es ebenso,» sagt Styger. Wir müssten uns einfach die Frage stellen, ob Magnetfelder vorhanden sind, und das Pendel werde entsprechend ausschlagen.

Esoterik, Gaumenfreude und Photoshop

Die Oberwiler Kurse bieten einen bunten Mix aus Veranstaltungen zum Thema Genuss, Lebensimpulse, Kommunikation, Psychologie, Kommunikation und Natur. Man kann Engel-Seminare besuchen, Schamanen-Trommeln bauen oder sich über Instagram oder Photoshop weiterbilden.

Genau genommen bezeichnet «Oberwiler Kurse» das Seminar- und Kursangebot der Freizeitanlage Oberwil bei Zug. Die Freizeitanlage Oberwil ist eine Stiftung der Nachbarschaft Oberwil-Gimenen, der Gemeinnützigen Gesellschaft des Kantons Zug und der Einwohnergemeinde Zug. Sie besteht seit über 45 Jahren, ist eine Non-Profit-Organisation und erhält finanzielle Unterstützung der Stadt und des Kantons Zug.

Wir versuchen nun, eine höhere Stufe der Erkenntnis zu erreichen, und gehen zum «mentalen Pendeln» über. Den Holzgriff am Tensor haben wir gegen einen Messinggriff getauscht. Wir stellen Fragen – etwa, ob unser Körper zu wenig Magnesium hat oder wir eine Verbindung zu unsern Ahnen haben. Diese Fragen sind im Skript abgedruckt und wir halten eine Art Stromprüfer, der mit dem Tensor verbunden ist, auf die Textstelle. Gemäss Styger hat das geschriebene Wort Energie – was ich als Schreiber natürlich gern glauben möchte.

Suche nach der richtigen Haltung

Damit der Tensor auf die Fragen antworten kann, müssen wir ihn in eine Grundschwingung versetzen. Fängt die Messingspule rechtsrum zu drehen an, ist das ein Ja, linksrum ein Nein. Passiert nichts, ist die Antwort ausweichend und wir müssen weitersuchen.

Klingt einfach, ist es aber nicht. Das Problem fängt schon beim Kalibrieren des Pendels an. Wir müssen erst die Position suchen, in der die Messingspule in der Grundschwingung möglichst keinen Eigendrall entwickelt. Vier Positionen sind möglich, Stygers High-Tech-Tensor bietet die nötigen Unterscheidungsmerkmale.

So oder andersrum?

Während ich versuche, eine neutrale Grundschwingung hinzubekommen, erzählt unser Lehrer aus seiner langjährigen Praxis als Pendler: wie er herausbekommen hat, dass ein Tierheim die falsche Futtermarke verwendete, oder wie er bei einem Klienten ein Loch im Herzen feststellte.

Das zweite Problem ist, herauszufinden, welche Drehrichtung der Messingspule für Ja steht. Ich bin nämlich Linkshänder, und bei denen kann unter Umständen alles spiegelverkehrt laufen, wie mir unser Instruktor erklärt hat. Die erpendelten Antworten helfen bei der Orientierung nicht weiter, denn sie sind widersprüchlich und ergeben kaum Sinn.

Hahnenwasser zum Zmittag

Vielleicht liegen meine Probleme ja an mangelnder Konzentrationsfähigkeit. Es ist der erste kühle Tag nach einer langen Hitzeperiode und ich fühle mich müde. Also erst mal essen gehen und einen Espresso runterstürzen.

Mittags pilgert die Klasse in ein Restaurant am Ufer des Zugersees. Die Musterschüler bestellen zum Menü lebendiges Hahnenwasser, keinen toten Industriesprudel. Der Kellner schluckt seinen Ärger mühsam herunter – doch was weiss der schon von Energie?

 

Jetzt wird’s gruselig

Nachmittags geht’s dann weiter im Text. Wir lernen, wie wir unsere Chakras erpendeln, oder wie wir allfällige Rückenschmerzen deuten können. Gegen Schluss wird’s dann noch richtig übersinnlich. Magie und Geisterwesen kann der Tensor nämlich auch feststellen.

Jetzt kommen einige aus unserer Gruppe richtig in Fahrt. Die neuen Pendlerkolleginnen aus dem Zürcher Unterland und dem Sankt Galler Rheintal hören gebannt zu, wie Anton Styger von seinen Begegnungen in der Zwischenwelt erzählt und Fotos herumzeigt, auf denen Dämonen in Form von Blasen und Lichtblitze als wandernde Seelen zu sehen sein sollen.

Aufgepasst auf die Geister

Es tut sich eine Welt aus christologischen Versatzstücken, Wiedergeburtsglaube und esoterischen Begrifflichkeiten auf, die Styger in mehreren Büchern ausgebreitet hat, die mir aber völlig fremd ist.

Er solle doch bitte eine kurze Vorstellung geben, wird Styger gebeten. Der nimmt sich nach ihrem Einverständnis die dreissigjährige Kursteilnehmerin Angelika vor und befragt den Tensor laut und schnell über ihr Innenleben. In welche Richtung sich die Messingspule dreht, vermag ich nicht richtig zu erkennen, aber der erfahrene Pendler hat keine Zweifel: Nach einiger Zeit diagnostiziert er den Befall von drei Astralwesen. «Ja», sagt die Kursteilnehmerin, das sei ihr wohlbekannt und ihr auch schon einmal von einem Heiler erklärt worden. Doch habe sie angenommen, dass ihr die Astralwesen ausgetrieben worden seien. «Können die denn auch zurückkommen?»

Es reicht

Mir wird es zu bunt und ich spiele den Partycrasher, indem ich eine langweilige Frage nach Wasseradern und Mangetfeldern stelle. Styger antwortet routiniert und dann ist die Veranstaltung zu Ende.

Bilanz: Das physikalische Pendeln habe ich nach dem Anfängerkurs im Griff, das mentale Pendeln wollte leider nicht recht funktionieren. Vermutlich bin ich blockiert, eventuell fehlt mir auch der rechte Glaube. Ich tröste mich mit den einleitenden Worten, die der Geschäftsführer der Oberwiler Kurse, Martin Meier, zu Beginn der Veranstaltung an uns Teilnehmende gerichtet hat: Mit dem Pendeln sei es wie mit dem Klavierspielen, hat er gesagt. Man müsse zu Hause unaufhörlich üben, um gut zu werden. Also: Freu dich, Familie, ich werde am Ball bleiben.

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