Umstrittene Spitalliste wird per 1. Juli umgesetzt

Guido Graf röngt neu die Entscheide der Luzerner Ärzte

Der Luzerner Sozialdirektor Guido Graf steht im medialen Fokus.

(Bild: guidograf.ch)

Ambulant vor stationär – dafür weibelt Gesundheitsdirektor Guido Graf seit Anfang Jahr. Am Mittwoch informierte der Regierungsrat gemeinsam mit Ärzten über die Umsetzung. Der Kanton sucht sich derzeit Verbündete in der ganzen Schweiz – und setzt auf Kontrollen bei den behandelnden Ärzten.

Seit dem 13. Januar 2017 ist bekannt, dass der Kanton Luzern eine Liste mit Behandlungen einführen wird, die grundsätzlich nur noch ambulant durchgeführt werden sollen (zentralplus berichtete). Am Mittwoch informierte Gesundheitsdirektor Guido Graf über die Umsetzung des neuen Modells.

«Fehlanreize korrigieren»

Der Kanton will künftig überprüfen, ob bestimmte ambulante Behandlungen und Untersuchungen, welche sich auf der Liste befinden, auch tatsächlich ambulant durchgeführt werden, schreibt der Kanton. Liegt für eine stationäre Behandlung keine medizinische Begründung vor, sieht der Kanton von einer Kostenbeteiligung ab. So auch bei Spitaleintritten, die bereits am Vortag einer Behandlung erfolgen.

Die betroffenen Eingriffe
  • Herzkatheteruntersuchung
  • Karpaltunneloperation
  • Operation grauer Star
  • Mandeloperation (vorübergehend sistiert)
  • Herzschrittmacher
  • Krampfaderoperation
  • Eingriffe an Blutgefässen
  • Hämorrhoiden
  • Leistenbruchoperation
  • Eingriffe am Gebärmutterhals
  • Kniespiegelung
  • Eingriffe am Kniemeniskus
  • Nierensteinzertümmerung

Obwohl es medizinische Leistungen gibt, die ambulant und stationär in gleicher Qualität und Sicherheit erbracht werden können, werden diese zum Teil stationär durchgeführt – auch wenn sie im Schnitt 2,3 Mal teurer sind als ambulante Eingriffe, steht im Communiqué des Kantons: «Für Spitäler gibt es finanzielle Anreize, Behandlungen stationär durchzuführen. Mit unserer Massnahme werden nicht nur solche Fehlanreize korrigiert, sondern vor allem auch Gesundheitskosten gesenkt und der Steuerzahler entlastet. Das ist volkswirtschaftlich klug», sagte Graf.

Im Video erklärt Regierungsrat Guido Graf worum’s geht:

 

Kontrollregime für die Ärzte

Die Umsetzung von Guido Grafs Plänen legte Dr. med. Christos Pouskoulas, Leiter der Gesundheitsversorgung, dar: «Ob ein Eingriff der Liste aus medizinischen Gründen dennoch stationär erfolgen muss, entscheidet weiterhin der behandelnde Arzt. Dieser Entscheid wird neu jedoch kontrolliert und hinterfragt.» Der Kanton Luzern fängt alle Fälle vor der eigentlichen Behandlung, bei Erhalt der Rechnung und mittels nachgelagerten Kontrollen ab. Dabei findet eine vorgängige Kostengutsprache und automatische Rechnungskontrolle sowie ein jährliches Leistungscontrolling statt. Die Instrumente dazu bestehen schon heute, schreibt die Regierung.

«Ob ein Eingriff der Liste aus medizinischen Gründen dennoch stationär erfolgen muss, entscheidet weiterhin der behandelnde Arzt.»

Dr. med. Christos Pouskoulas, Leiter der Gesundheitsversorgung

Die von der Ärzteschaft vielfach kritisierte Gaumenmandel-Entfernung bleibt zwar auf der Liste, sie wird jedoch nicht per 1. Juli umgesetzt: «Der Eingriff wird einer vertieften Prüfung unterzogen. Bereits heute wird dieser jedoch in einzelnen Kanton der Westschweiz sehr häufig ambulant vorgenommen», so Pouskoulas.

Gleich teuer für Versicherer

Der Luzerner Gesundheitsdirektor sagt, dass mit der Massnahme keine Kostenverlagerung auf die Grundversicherung stattfinde: «Stationär kostet eine Behandlung 2,3 Mal mehr. Für den Versicherer ist es also gleich teuer, wenn er 100 Prozent der ambulanten Kosten oder 45 Prozent der stationären Kosten tragen muss», so Graf.

«Die Schweiz ist bei ambulanten Behandlungen Schlusslicht.»

Guido Graf, Regierungsrat

Das juristische Vorgehen des Kantons wurde bereits durch den Bundesrat als rechtmässig erklärt. Der Kanton darf im Rahmen der Prüfung seiner Leistungspflicht die Wirtschaftlichkeit der stationären Spitalbehandlung im Einzelfall prüfen. 

Ärztegesellschaft akzeptiert Entscheid

Dr. med. Aldo Kramis, Präsident der Ärztegesellschaft des Kantons Luzern, akzeptiert das Vorhaben des Kantons und nahm Stellung zu den bisher geäusserten Bedenken seitens der Ärztegesellschaft: «Die fachlichen Inputs hat man nun sehr ernst genommen. Es gibt ein Begleit-Board zur Beurteilung des Ablaufes, kritischer Zwischenfälle, fachlicher Fragestellungen und Abschätzung der möglichen Auswirkungen.»

Regierungsrat Graf betonte, dass der Kanton mit gutem Beispiel voran gehen und etwas gegen die Kostenexplosion im Gesundheitswesen unternehmen will: «Die Schweiz ist bei ambulanten Behandlungen Schlusslicht. Der Kanton Luzern macht in diesem Bereich vorwärts und packt da an, wo es niemandem weh tut. Es handelt sich um eine angemessene und sinnvolle Massnahme. Wenn wir jetzt nichts tun, kommt es für unser Gesundheitswesen finanziell faustdick.»

Gemäss Regierungsrat Graf wäre ein Alleingang jedoch falsch. Vielmehr sei der Kanton an einer nationalen Liste interessiert und nicht an 26 verschiedenen Lösungen. Man stehe deshalb in Kontakt mit den Kantonen, der Ärzteschaft und dem Bundesamt für Gesundheit.

 

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