Zug lädt ein, junge Debütautoren entdecken

«Durch die Sofalesungen wird Literatur lebendig»

Autor Semi Eschmamp vor einer imaginären Kaffeekanne.

(Bild: Laura Livers)

Ach, Bücherlesen. Sollte man viel öfters tun. Nur: Welche Bücher? Die Sofalesungen in Zug stellen junge Autoren vor und helfen so beim Entscheid. zentralplus hat sich mit aufs Sofa gesetzt.

Es ist ein idyllischer Sonntagabend in Zug – die Strassen leergefegt, das Seeufer überfüllt und der Duft von Grilladen in der Luft. Vereinzelt sind in der Hofstrasse Fussgänger anzutreffen, und die sind auf dem Weg an die Sofalesung mit Semi Eschmamp im Atelier63.

Die erste Lesung in der Zentralschweiz fand im Sommer 2016 in einer WG in Luzern statt. «Die Wohnung war zum Bersten gefüllt», erzählt Daniela Krienbühl, die für die Zentralschweizer Sofalesungen zuständig ist. «Damals konnten wir Meral Kureyshi mit ihrem Debüt-Roman ‹Elefanten im Garten› für die Lesung gewinnen.» Krienbühl, die nebenbei auch noch für das «lit.z» arbeitet, liegt die Literatur besonders am Herzen: «Das Lesen hat etwas sehr Intimes und Einsames an sich. Durch die Sofalesungen wird dieser Prozess geöffnet und macht die Literatur lebendig.»

Egal wo, es funktioniert immer

Mittlerweile finden drei bis vier Lesungen pro Monat statt – in den Kantonen Zürich, Basel, Aargau und der Zentralschweiz. «Egal, wo wir bis jetzt waren, ob in einem riesigen Dachboden oder einem kleinen Wohnzimmer, auf einer Terrasse oder auf wackligen Stühlen in einem Garten, es funktioniert eigentlich immer», erzählt Krienbühl. «Oft überziehen wir masslos, weil die Gespräche, die sich ergeben, zu spannend sind, um sie zu unterbrechen.»

Die Sofalesung im Atelier 63 in Zug.

Die Sofalesung im Atelier 63 in Zug.

(Bild: Laura Livers)

Die Idee der Sofalesungen hat ihren Ursprung im Format «Zwischen/Miete» des Literaturbüros Freiburg im Breisgau: Von Studenten organisiert und moderiert, kommen junge Autoren zu Besuch in eine Wohngemeinschaft und erzählen von, aus und über ihr Buch. In kleinstem Rahmen und inmitten freundlich gesinntem Publikum kann die jüngste Schriftstellergeneration so den Schritt in die Öffentlichkeit wagen und jenseits von Mikrofonen und Scheinwerfern den Dialog mit den Zuhörern suchen.

«Das Lesen hat etwas sehr Intimes und Einsames an sich.»
Daniela Krienbühl, Organisatorin Sofalesungen Zentralschweiz

Es ist mittlerweile 19 Uhr in Zug und die Plätze auf den farb-bekleckerten Sofas sind mit Sonnenhüten und Taschen reserviert. Mit Weingläsern in der Hand schlendern die Besucher durch das Grossraumatelier, lassen ihre Blicke über die unzähligen Kunstwerke schweifen und warten auf den Anfang.

Das passende Sofa zum passenden Autor

Die kuratierte Programmauswahl legt den Fokus vor allem auf vielversprechende Debütautoren und -autorinnen aus der Schweiz und anderswo. So trifft man beim Stöbern im Veranstaltungsarchiv auf einen Haufen (noch) unbekannter Namen, meist Schweizer Autoren, die sich in der Grauzone zwischen Debütanten und anerkannter Autorschaft befinden.

Eine Sofalesung ist sozusagen eine fleischgewordene Buchempfehlung: Anstelle einer gedruckten Buchkritik gibt der Autor gleich selbst einen Eindruck in sein Werk. Wer sich angesprochen fühlt, kann vor Ort das Buch erwerben und zu Hause fertig lesen.

Wieder zurück in Zug, begibt sich Semi Eschmamp auf die improvisierte Bühne. Ohne Spickzettel oder Buch beginnt der Autor seine Lesung mit einer Geschichte über ein Gespräch mit dem imaginären Grossvater. «Du schreibst über Dinge, die es gar nicht gibt!?!», echauffiert sich der Grossvater, während er seine Zunge in der Zuckerdose wendet und dann genüsslich auf dieser rumkaut. »Dinge. Die. Es. Nicht. Gibt?», fragt der Grossvater und streicht auf dem Tisch seinen Kaffee glatt und packt ihn in die Brieftasche.

«Ich bin eines Morgens aufgewacht und mein Zimmer war voller Lärm.»
Semi Eschmamp

‹Mein erstes Buch schreib ich gleich selbst› heisst Eschmamps Debüt-Werk. Inspiriert von den skurrilen Geschichten von Daniil Charms beschreibt er Alltagsgeschichten, welche nie ganz der Realität entsprechen. Umso mehr machen sie die Zuhörer zum Komplizen dieser einzigartigen Weltansicht. «Ich bin eines Morgens aufgewacht und mein Zimmer war voller Lärm. Also hab ich ihn gefangen, in ein Couvert gepackt und der Regierung geschickt», erzählt Eschmamp und zuckt, unter Gekicher der Zuhörer, mit den Schultern. «Antwort hab ich noch keine bekommen, aber ich geb die Hoffnung nicht auf.»

Ein Buch voller gekritzelter Bildergeschichten

Eschmamp, der im wirklichen Leben Eschmann heisst, fühlt sich sichtlich wohl in seiner Rolle als Erzähler. Während der Lesung packt er überdimensionale Karton-Objekte auf den Tisch, führt mit Hilfe zweier Tape-Recorder Interviews mit imaginären Autoren, deren Geschichten er grad erzählt hat.

Eschmamp sprengt nicht nur mit seiner Lese-Art die Klischees des Literaten, auch sein Buch ist nur im weitesten Sinne als Roman zu bezeichnen. Es ist voller gekritzelter Bildergeschichten, mal illustrierend zur eben gelesenen Geschichte, mal kontextfrei, reingepflanzt wie die Pointen seiner Geschichten. Das sichtlich entspannte Publikum folgt ihm dabei auf Schritt und Tritt in diese fantastischen Welten.

Sein Ziel hat die Sofalesung in Zug auf jeden Fall erreicht: Sichtlich inspiriert schmökern die Besucher am Büchertisch, diskutieren über Literatur und Wortneuschöpfungen und verabschieden sich erst, als es längst dunkel geworden ist.

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