«Oper mal anders» in der Luzerner Johanneskirche

Wenig Pomp, wenig Zuschauer – aber grandios umgesetzt

(Bild: Michael Arn)

Die Oper «Ariadne – eine Frau sieht rot» ist wirklich anders und dies in einem positiven Sinn. Sie amüsiert, überrascht und nimmt sich selbst nicht zu ernst.

In einem Moment noch an der Bushaltestelle «Schlösslihalde» im Luzerner Würzenbachquartier, dann auf einmal an einem mystischen Ort mit griechischem Flair. Bereits bevor die griechische Tragödie in Form einer Oper beginnt, fühlt sich der Zuschauer an das Werk herangeführt: Mit dem berühmten roten Faden der Ariadne, mithilfe dessen Theseus in der Sage aus dem Labyrinth entfliehen kann, findet nun das Publikum den rechten Weg zum Apéro.

Verköstigen kann man sich mit einem griechischen Apéroteller oder aber mit Brötchen und Olivenpaste, auf den Tischchen steht eingetopfter Rosmarin. Der moderne und verwinkelte Betonbau der Johanneskirche hilft dem Zuschauer zusätzlich, sich mit allen Sinnen der Atmosphäre hinzugeben.

Eine mehrdimensionale Oper mit wenig Zuschauern

Die Oper beginnt und der erste negative Kritikpunkt geht nicht etwa an die Musiker, sondern an die Zuschauer: Sehr zahlreich erschienen sind sie nicht – vor allem junges Publikum hat seinen Weg in den einem Amphitheater ähnlichen Kirchenraum nicht gefunden. Dies verwundert aufgrund der Qualität und des Unterhaltungswerts des Werkes: In «Ariadne – eine Frau sieht rot» sind Operngucker völlig unnütz.

In «Ariadne – eine Frau sieht rot» sind Operngucker völlig unnütz.

Die Sängerinnen und Sänger singen ab und zu über das Publikum hinweg, wagemutig steigen sie barfuss über Kirchenbänke und singen dabei aus voller Kehle. Wenn sich Ariadne und Theseus über einige Publikumsreihen singend anschmachten, erklingen unterdrückte Laute des Vergnügens von den Zuschauern. Immer wieder überraschen die Sänger und Sängerinnen auch mit ihren Auftrittsorten – mal hinter dem Publikum, mal drei Meter über der Hauptbühne.

Wahnsinnige Wirkung trotz weniger Requisiten

Überraschend ist auch die Klangwirkung in der Kirche: Das Stück beginnt mit einer gesprochenen Einleitung, einige Wörter sind beinahe geflüstert und sind trotzdem unüberhörbar. Ein Zuschauer quittiert dies mit einem geflüstertem «Wahnsinnige Akustik!» – und wird von allen anderen gehört.

«Ariadne – eine Frau sieht rot» kommt mit wenig Requisiten aus. Nebst der spartanisch ausgestatteten Bühne sind auch die Sänger und Sängerinnen nicht pompös verkleidet. Trotzdem – oder gerade deswegen – sind die Kostüme wirkungsvoll. Die gefühlsvolle Musik, die ausserordentliche schauspielerische Leistung und passende Lichteffekte helfen den Zuschauern dabei, sich in der Gefühlswelt der Personen zurechtzufinden und den Handlungsstrang nachzuvollziehen.

Das Programmheft liefert alle Informationen zur Oper, die man braucht: Nebst einer Zusammenfassung der Handlung liefert es ein «Libretto», in dem alle italienischen und englischen Liedtexte übersetzt verzeichnet sind. Dies hilft ungemein bei der Orientierung und stiftet nur einmal allgemeine Verwirrung, als eine Arie Theseus’ und ein Auftritt des Chores chronologisch vertauscht sind.

Herausragende Umsetzung

Diese Verwirrung legt sich jedoch bald wieder und wird überschattet von der Gewaltigkeit des Stücks: Nicht nur die Leistungen der Sänger und Sängerinnen ist beachtlich, auch die Ausarbeitung der Figuren ist grossartig. Ariadne, mit Stierhörnern auf dem Kopf und gleichzeitig grazil in ihrem Kleid, trägt ihre innere Zerrissenheit praktisch schon als Kostüm. Das Publikum fühlt und leidet mit ihr, schaut den imaginären geschieferten Steinen nach, die Hippolythos aus dem Handgelenk wirft, und spürt Theseus’ Zorn und später dessen Reue im ganzen Körper.

Das Musiktheater kommt ohne pompöse Requisiten aus – und erzielt dennoch grosse Wirkung.

Das Musiktheater kommt ohne pompöse Requisiten aus – und erzielt dennoch grosse Wirkung.

(Bild: Michael Arn)

Ein grosser Erfolg

Das Standing Ovation am Ende der Vorführung ist keine Überraschung. «Ariadne – eine Frau sieht rot» besticht durch Abwechslung, viele Überraschungsmomente und kleine Details wie die Umsetzung der in der Zusammenfassung angekündigten «leidenschaftlichen Liebesnacht». Ein Stück mit antiken Zügen, modern und zeitgerecht umgesetzt.

Weitere Vorstellungen:

Mi 14. Juni 19.30 Uhr, Do 15. Juni 19.30 Uhr, Sa 17. Juni 19.30 Uhr, So 18. Juni 18.00 Uhr, Mi 21. Juni 19.30 Uhr, Fr 23. Juni 19.30 Uhr (Derniere)
Kasse und Theaterbar öffnen jeweils 1 Stunde vor Vorstellungsbeginn. Hier geht’s zur Ticket-Reservation

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