Luzerner Studie zeigt grosses Sparpotenzial

Wohnungsnot? Hier würde eine kleinere Bleibe reichen

Im Quartier Matthof/Langensand leben besonders viele Leute, denen eine kleinere Wohnung reichen würde.

(Bild: Emanuel Ammon)

Die Wohnung oder das Haus ist eigentlich zu gross – doch etwas Kleineres ist schwierig zu finden oder sogar teurer: In dieser Situation sind in Luzern mehr als 2’700 Haushalte. Das zeigt eine Studie der Hochschule Luzern. Welche Massnahmen sich die Stadt vorstellen kann.

Sechs Prozent der Stadtluzerner haben selber das Gefühl, in einer zu grossen Wohnung zu leben. Das ist das Resultat einer Studie der Hochschule Luzern (siehe Box am Textende). Im Klartext heisst das: Bei mehr als 2700 Haushalten würde es eine kleinere Wohnung auch tun. Das ist gerade in einer Stadt, die unter Wohnungsnot leidet, bemerkenswert. Besonders in Zeiten, in denen der Flächenbedarf steigt und die Zeichen auf Verdichtung stehen. 

Studienleiterin Katia Delbiaggio ist denn auch überzeugt, dass hier Potenzial im Kampf gegen die Wohnungsnot in den Städten schlummert. «Wenn diese Personen eine kleinere Wohnung beziehen, könnte man einerseits den Flächenverbrauch reduzieren, andererseits für zufriedenere Einwohner sorgen», so die Ökonomin der HSLU.

Privilegierte Lagen

Besonders ausgeprägt ist das Phänomen am linken und rechten Seeufer. Im Quartier Langensand-Matthof beispielsweise liegt der Wert bei 7,5 Prozent, im Gebiet Bellerive-Schlössli sogar bei über 9 Prozent. Am anderen Ende der Skala rangiert das Quartier Basel- und Bernstrasse, in dem nur gut 4 Prozent der Bewohner lieber eine kleinere Wohnung möchten.

Die Karte zeigt, wie hoch der Anteil der Haushalte mit zu grosser Wohnfläche in welchen Quartieren ist. (Grafik: zvg)

Die Karte zeigt, wie hoch der Anteil der Haushalte mit zu grosser Wohnfläche in welchen Quartieren ist. (Grafik: zvg)

Überrascht hat das Katia Delbiaggio nicht. In privilegierten Quartieren dominieren grosse Einfamilienhäuser mit stattlichen Gärten, in denen oft wohlhabende ältere Menschen leben. Die Ökonomin weist aber ein gängiges Klischee zurück: «Oft können sich die Menschen nicht von der Wohnung lösen, in der sie ein Leben lang gewohnt haben – das betrifft nicht nur Wohlhabende.»

Gerade in den Quartieren wie beispielsweise dem Würzenbach liegt die Erklärung darin, dass sie in den 70er-Jahren stark gewachsen sind, weil junge Familien zuzogen. «Die Kinder sind inzwischen ausgezogen und die Eltern bleiben in den zu grossen Wohnungen und Häusern.» Nun würde ein Generationenwechsel anstehen.

Beratungsstelle oder Tauschbörse

Doch genau das passiert in vielen Fällen nicht. Delbiaggio sieht mehrere Ursachen. «Manche werden sicher nie umziehen, weil ihre Erinnerungen zu stark an einer Wohnung oder einem Haus hängen. Und es ist natürlich ihr gutes Recht, zu bleiben.» Delbiaggio glaubt aber, dass in vielen Fällen ein Umzug daran scheitert, dass die Betroffenen Mühe haben, eine neue Wohnung zu finden. «Dort kann man ansetzen und das Sparpotenzial ausschöpfen.»

«Wir möchten die Leute keineswegs zwingen, ihre Wohnungen zu verlassen.»

Katia Delbiaggio, Studienleiterin

Ökonomin Katja Delbiaggio.

Ökonomin Katja Delbiaggio.

(Bild: zvg)

Gerade der Preis sei oft ein Hindernis. «Im Moment entstehen viele altersgerechte Wohnungen im oberen Marktsegment, auch weil die Wohnungen in den Städten grundsätzlich teuer sind.» Der Spielraum der Behörden sei diesbezüglich beschränkt. «Es braucht auch bei privaten Anbietern ein Umdenken.»

«Wir möchten die Leute keineswegs zwingen, ihre Wohnungen zu verlassen», hält Delbiaggio fest. «Aber wir sollten Anreize dafür schaffen, sodass jene, die dazu bereit wären, Unterstützung erhalten.» Sie denkt beispielsweise an eine Beratungsstelle, die älteren Leuten hilft, eine kleinere Wohnung zu finden. Auch eine Tauschplattform sei eine Idee.

Für Delbiaggio ist klar: Solche Stellen müssten sehr lokal arbeiten, weil die Betroffenen oft in einem Quartier verwurzelt sind. «Die meisten möchten nicht in eine ganz andere Umgebung ziehen, sondern irgendwo im Ort bleiben.» 

Was sagt die Stadt?

Bei der Stadt Luzern teilt man die Ansicht, dass Potenzial vorhanden wäre. Die Studie zeige, dass es «zu wenig zahlbare kleine und hindernisfreie Wohnungen» gebe, sagt Sarah Grossenbacher, stellvertretende Leiterin Stadtentwicklung. Das sei bereits 2013 in der städtischen Wohnraumpolitik als Herausforderung erkannt worden. «Wir haben schon länger Kenntnis von diesem Phänomen und sind ebenfalls auf der Suche nach Massnahmen, um diesem zu begegnen.»

Die Stadt ist mit der HSLU im Gespräch betreffend eines «Modellprojekts zur Förderung der Haushaltsmobilität im Alter». Ob das Projekt aufgenommen und weiterverfolgt wird, ist noch offen. Das Ganze hängt vom Entscheid der Metropolitankonferenz Zürich ab. Dieser Verein von Kantonen und Gemeinden hat eine Ausschreibung lanciert, im Rahmen derer das Luzerner Projekt eingereicht wurde.

«Es stellt sich die Frage, ob eine solche Plattform Aufgabe der Stadt sein kann.»

Sarah Grossenbacher, stellvertretende Leiterin Stadtentwicklung Luzern

Vorgesehen ist laut Grossenbacher zudem, dass die neue Anlaufstelle für Altersfragen, die 2018 ihre Arbeit aufnimmt, bei der Wohnsituation von älteren Menschen Unterstützung bietet. «Es handelt sich ja überwiegend um ältere Menschen, die in subjektiv zu gross empfundenen Wohnungen leben.»

Auch einer Plattform zum Wohnungstausch steht die Stadt offen gegenüber – hat aber Vorbehalte. «Eine solche aber nur für betroffene Quartiere zu schaffen, scheint wenig sinnvoll – wenn, dann müsste auch die Zusammenarbeit mit angrenzenden Gemeinden gesucht werden», sagt Grossenbacher. «Es stellt sich zudem die Frage, ob eine solche Plattform Aufgabe der Stadt sein kann.» Zwar könne die Quartierarbeit darauf aufmerksam machen – sie zu betreuen könne aber nicht ihre Aufgabe sein.

Noch viele Fragen offen

Sowieso: Vorerst bleibt alles beim Alten. Allfällige Massnahmen werden laut Grossenbacher im Rahmen des ersten Zwischenberichts zur Umsetzung der städtischen Wohnraumpolitik geprüft. Und dieser wird voraussichtlich 2019 vorliegen. Sie hält zugleich fest, dass trotz der Erkenntnisse der HSLU noch vieles unklar sei. Gemäss Grossenbacher bräuchte es weitergehende und vertiefte Studien, die zeigen würden, welche Massnahmen tatsächlich wirken und einen hohen Aufwand bei der Verwaltung rechtfertigen würden. Denn zurzeit sei nicht klar, wie viele Personen bei entsprechendem Angebot tatsächlich in einere kleinere Wohnung ziehen würden.

Und auch, was das Angebot betrifft, dämpft Grossenbacher die Erwartungen. Ob teure 4-Zimmer-Wohnungen oder preiswerte 2-Zimmer-Wohnungen gebaut würden, entschieden in der Regel die Investoren.

Zwar kann die Stadt im Rahmen von Bebauungsplänen gewisse Vorgaben machen. Durch den gemeinnützigen Wohnbau werde dem Wohnungsmangel entgegengewirkt, weil viele Genossenschaften verbieten, dass eine Person allein in einer grossen Wohnung lebt. Dennoch sagt Grossenbacher: «Der Handlungsspielraum der Stadt, um im Wohnungsmarkt zu intervenieren, ist beschränkt.»

Gefühle und Zahlen – Hintergrund der Studie

Die Studie «Wohnflächenkonsum und Wohnflächenbedarf» von Katia Delbiaggio und Gabrielle Wanzenried macht Aussagen über das subjektive Empfinden hinsichtlich der Wohnungsgrösse. Das heisst: Es geht nicht um die Frage, wer faktisch in einer zu grossen Wohnung lebt, sondern wer das selber so einschätzt. Streng genommen handelt es sich dabei um eine Schätzung. Denn es existieren keine Daten zur Frage, welcher Stadtluzerner der Meinung ist, er lebe in einer zu grossen Wohnung.

Diese gibt es aber in anonymisierter Form auf die Gesamtschweiz bezogen. Delbiaggio und Wanzenried haben nun die Kriterien in diesen Haushaltspanels herausgesucht, die tendenziell für eine zu grosse Wohnung sprechen – und diese anschliessend auf die Luzerner Quartiere angewandt. So haben sie die Wahrscheinlichkeit errechnet, mit der die Bewohner in einem Quartier das Gefühl haben, ihre Wohnung sei zu gross. Die Studie wurde vom Bundesamt für Wohnungswesen in Auftrag gegeben.

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