Bruchbude für Nothilfebezüger in Unterägeri

«Dieses Haus macht krank»

(Bild: lih)

Mit Brettern beschlagene Fenster und feuchte Mauern: Nothilfebezüger wohnen in einem abbruchreifen Haus in Unterägeri. Das muss so sein, sagt das Sozialamt.

«Dieses Haus macht krank», sagt Abdullah Kahlil und fährt mit den Fingern den feuchten Mauern entlang. Das Haus an der Zugerstrasse 91 in Unterägeri sieht nicht gut aus: Viele Fenster sind kaputt und notdürftig mit Brettern beschlagen, es frisst sich Rost in Heizkörper und Metall-Leitungen, die Treppen und Zimmer riechen nach feuchtem Keller. Eine der beiden Toiletten ist kaputt. Wie lange schon, kann Kahlil nicht genau sagen.

«Wenn Strom oder Wasser nicht gehen, dann kommt jemand vorbei, um es zu reparieren», erzählt er. Trotz diesen Reparaturbesuchen geht aber weder im Keller noch im Erdgeschoss das Licht. Abdullah Kahlil zuckt mit den Schultern. «Normal», sagt er. Im Winter sei es sehr kalt hier. Vielleicht deswegen hat die SAE Immobilien AG an der Kellertür eine Notiz hinterlassen: «Bitte Türe schliessen», steht da auf dem firmeneigenen Briefpapier.

Die Zugerstrasse 91 in Unterägeri ist Teil der Nothilfe. Darauf haben diejenigen Anrecht, die einen negativen Asylentscheid bekommen haben. In der Nothilfe inbegriffen sind acht Franken pro Tag und eben ein Dach über dem Kopf. Nothilfebezüger sind nichts Ungewöhnliches. Im Kanton Zug gibt es laut dem kantonalen Zuger Sozialamt derzeit 63 davon. 32 davon leben bereits seit mehr als 24 Monaten von diesen acht Franken pro Tag. Abdullah Kahlil selbst wohnt seit rund zwei Jahren im Haus an der Zugerstrasse 91.

2’500 Franken vom Kanton

Der Kanton Zug verfügt selber nicht über die Immobilien, um Nothilfewohnungen zur Verfügung zu stellen. Deswegen mietet der Kanton solche Häuser von privaten Firmen, wie in diesem Fall von der SAE Immobilien AG, vormals Spinnereien Unterägeri. Der Kanton Zug bezahlt laut SAE Immobilien rund 2’500 Franken Miete pro Monat.

«Die Liegenschaft ist in einem zumutbaren Zustand», behauptet das Zuger Sozialamt. Das Zuger Sozialamt verteidigt die Zustände im Haus. Trotz dem kaputten Klo und den verbretterten Fenstern behaupten sie: «Heizung und sanitäre Installationen sind funktionstüchtig, Fenster und Dach sind dicht. Die Kücheneinrichtungen funktionieren.»

Die schlechten Zustände in der Notwohnung sind aber durchaus gewollt, meint Luzia Vetterli, Rechtsanwältin und Vorstandsmitglied der Sanspapiers-Stelle Luzern: «Nothilfebezüger geniessen in der Bevölkerung sehr wenig Sympathie im Vergleich mit Flüchtlingen oder Asylbewerbern.» Viele seien der Meinung, dass Abgewiesene einfach abreisen sollten. «Deswegen ist es auch akzeptiert, dass man ihnen das Leben so schwer wie möglich macht», erklärt Luzia Vetterli.

Erst bei der Gesundheit wird’s problematisch

«Sind die Wohnungen so schlecht, dass gesundheitliche Risiken bestehen, beispielsweise durch ungenügende Heizung, Schimmelbefall, mangelnde Sanitäranlagen oder fehlendes fliessendes Wasser, dann ist der Kanton verpflichtet, zu reagieren.» Menschenrechtlich gesehen hätten auch abgewiesene Asylbewerber Anspruch auf eine würdige Unterkunft, in denen sie nicht einer Gesundheitsgefährdung ausgesetzt seien, erklärt Luzia Vetterli weiter. Bei zu schlechten Verhältnissen müsste sich der Kanton Zug vorwerfen lassen, gegen Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention «unmenschliche oder erniedrigende Behandlung» zu verstossen.

«Es ist richtig, dass der Kanton Zug keine Anreize für Ausreisepflichtige schaffen will, in der Schweiz zu bleiben», bestätigt das Zuger Sozialamt. Im Klartext heisst das: Je schlechter die Lebensbedingungen für Nothilfebezüger, desto besser. Demnach eignet sich das heruntergekommene Haus an der Zugerstrasse perfekt für die Unterbringung von Nothilfebezügern.

«Für Abgewiesene reicht’s»

René Koch von den SAE Immobilien meint grundsätzlich, dass das Haus an der Zugerstrasse für die abgewiesenen Asylbewerber ausreiche. «Diese Leute wohnen in ihrem Herkunftsland wesentlich unter diesem Niveau.» Es wäre auch nicht förderlich, ist René Koch der Meinung, wenn man die abgewiesenen Asylbewerber in eine andere Infrastruktur einteilen würde. Vieles gehe kaputt, deswegen warte man mit Reparaturen, bis die Zusammensetzung der Bewohner wieder etwas gewechselt habe. «Wir machen die Fenster schon von Zeit zu Zeit, aber sie schlagen diese auch immer wieder raus.» Deshalb würden es zwischenzeitlich die Bretter auch tun müssen. Das Haus könne nicht feucht sein, da kein Schimmel im Haus sei, meint Koch.

Auf die Frage, ob es ab und zu Krach gebe, zuckt Abdullah Kahlil mit den Schultern. Er zählt auf: «Dreizehn Personen? Abgelehnte Bescheide? Arbeitsverbot und Ausgangssperre?» Er hebt die Hände und meint: «Normal.»

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