Luchsingers Bilanz zum Genuss-Film-Festival Zug

«Früher wählten die Leute einen Film, heute den Koch»

Matthias Luchsinger organisiert mit Erfolg das Zuger Genuss-Film-Festival. Er findet das sonntägliche Angebot etwas «betrüblich».

(Bild: mbe.)

Mit dem Film «Soul Kitchen» von Fatih Akin und einem Dinner des 16-Punkte-Kochs Beat Stofer aus Meggen ging am Donnerstag das dritte Genuss-Film-Festival Zug zu Ende. Festivalchef Matthias Luchsinger blickt zurück und erklärt, warum das Festival langsam aber sicher an seine Grenzen stösst.

zentralplus: Herr Luchsinger, das Genuss-Film-Festival Zug 2017 ist zu Ende. Zufrieden?

Matthias Luchsinger: Sehr. Im ersten Jahr setzt man eine Idee um und macht noch vieles falsch, im zweiten nimmt man Verbesserungen vor. Im dritten Jahr, also jetzt, ist es sehr ruhig gelaufen. Wir hatten wesentlich mehr Besucher als 2016 und 2015. Das Festival ist langsam auf dem Weg, erwachsen zu werden, aber schon noch im Teenager-Alter.

zentralplus: Haben Sie bereits Zahlen?

Luchsinger: Es waren diesmal rund 1’850 Besucher. Das sind kleine Zahlen im Vergleich zu anderen Veranstaltungen. Aber es waren zahlende Besucher. Dazu kommt das Lunchkino und die Genuss-Fotoausstellung. 1’850 Personen, die in einer Woche ins Kino gehen, das ist beachtlich, und auch schön für die Kinoindustrie, die mir am Herzen liegt.

zentralplus: Was bedeutet Ihnen persönlich Kino?

Luchsinger: Das Kinoerlebnis finde ich immer noch etwas Grossartiges. Das Besondere am Kino ist für mich, dass man den Film ohne Ablenkung schauen kann, die man zu Hause hat, wenn die Jungen nebenan am iPad oder am Chatten sind. Ich sage immer: Im Kino ist der Sitz verschraubt Richtung Leinwand, man kann sich nicht drehen und kann einen Film auch wirklich als Erlebnis geniessen.

«Die perfekte Organisation der Köche war für mich jeden Tag ein Erlebnis.»
Matthias Luchsinger

zentralplus: Woher kamen die Gäste des Festivals dieses Jahr?

Luchsinger: Dazu habe ich nur Schätzungen. 80 Prozent unserer Gäste stammten aus dem Kanton Zug, 20 Prozent aus unseren Nachbarregionen. Manche kamen sogar aus Bern angereist, aber das waren Ausnahmen.

Zur Person

Matthias Luchsinger ist der Gründervater des Genuss-Film-Festivals Zug und hatte die Idee. Der 48-Jährige ist in Zug aufgewachsen, war lange in der Vermarktung von Kino- und TV-Werbung tätig und baute die Firma Cinecom auf. 2008 verkaufte er die Firma. Seit 2012 ist Luchsinger Mitbesitzer einer Tapasbar und ist im Consulting tätig. Er ist neben seinen Engagements in Zug auch im Vorstand des Vereins Zurich Filmfestival Donors.

zentralplus: Was war für Sie das eindrücklichste Erlebnis dieser Austragung?

Luchsinger: Beeindruckt hat, wie die Köche das Essen im Genuss-Zelt mit 200 bis 300 Personen im Griff hatten. Ihre perfekte Organisation und ihre Leidenschaft waren für mich jeden Tag ein Erlebnis, das faszinierte mich jeden Tag. Dafür muss ich auch Mitinitiant Stefan Meier und seinem Team vom Rathauskeller ein Kränzchen winden, Meier ist der Spiritus Rector des kulinarischen Teils.

zentralplus: Welcher Film lief am besten?

Luchsinger: Jeder Abend war praktisch ausverkauft, wir hatten eine Auslastung von 95 Prozent. Von daher kann ich keinen spezifischen Film rauspicken. Ohnehin läuft die Auswahl jetzt umgekehrt: In den ersten Jahren suchten sich die Leute einen Film aus und nahmen den Koch mit. Jetzt haben wir festgestellt, dass sie schauen, bei welchem Koch sie unbedingt einmal essen möchten. Ich bringe die Leute mit den Köchen ans Festival, nicht mit den Filmen, es sind ja keine Blockbusters. Die Grundidee unseres Festivals ist, etwas für alle Sinne zu bieten: fürs Auge den Film, für den Leib das Essen und für den Kopf den Talk.

Das Festival hat dem Kino Seehof mehr Zuschauer beschert: Thomas Ulrich (l.), Geschäftsführer der Zuger Kinos, mit Matthias Luchsinger vom Genuss-Film-Festival Zug.

Das Festival hat dem Kino Seehof mehr Zuschauer beschert: Thomas Ulrich (l.), Geschäftsführer der Zuger Kinos, mit Matthias Luchsinger vom Genuss-Film-Festival Zug.

(Bild: mbe.)

zentralplus: Gehen Ihnen die kulinarischen Filme nicht langsam aus?

Luchsinger: (lacht) Nein. Es gibt in Berlin eine Veranstaltung, die sehr ähnlich ist, das Kulinarische Kino an der «Berlinale». Dieses findet jeweils im Herbst statt. Da ich das Filmprogramm im Voraus kenne, profitiere ich sehr davon, und wir haben einen guten Austausch. Auch San Sebastian hat seit zwei Jahren an seinem Filmfestival eine kulinarische Abteilung, auch dorthin haben wir Kontakte. Die Köche werden allgemein immer mehr zu Stars, und dadurch werden neue Filme über sie gedreht.

zentralplus: Sie zeigten dieses Jahr mehr Dokumentationen als nur Unterhaltungsfilme am Festival, zum Beispiel übers Restaurant Noma in Kopenhagen. Wird dieser Mix beibehalten?

Luchsinger: Ich finde persönlich die Dokus spannender, weil sie in die Persönlichkeit der Köche hineinleuchten und deren Leidenschaft miterleben lassen. Doch es ist natürlich wichtig, dass man auch unterhaltsame Filme zeigt. Nicht nur schwere Kost.

zentralplus: Können Sie schon etwas über vom Genuss-Film-Festival 2018 verraten?

Luchsinger: Noch nicht, ehrlich. Ende Juni werden wir Bilanz ziehen und uns Gedanken machen: Nach dem Festival ist vor dem Festival. Die Herausforderung bei jeder Austragung besteht darin, die Sponsoren wieder zusammenzubringen.

zentralplus: Die Nachfrage übersteigt langsam das Angebot. 2017 wurde die Sitzplatzzahl im Genuss-Zelt von 120 auf 144 erhöht. Denkt man über eine Kapazitätserweiterung nach?

Luchsinger: Das ist eine grundsätzliche Frage, über die wir uns Gedanken machen. Wie schaffen wir es, die gastronomische Qualität beizubehalten und gleichzeitig die Nachfrage zu befriedigen? Am heutigen Standort ist die Kapazitätsgrenze erreicht.

«Wir wollen in Zug keine Rote-Teppich-Veranstaltung, hier sind die Farben Blau-Weiss.»
Matthias Luchsinger

zentralplus: Noch zum Thema Geld: Wie finanziert sich ein solches Festival, und ist es rentabel?

Luchsinger: Unser Budget beträgt knapp 400’000 Franken. Über die Eintritte nehmen wir rund 40 Prozent ein, die restlichen 60 Prozent werden über Sponsoring eingenommen. Wir haben rund 40 private und öffentliche Sponsoren und Unterstützer. Auch der Verein unter Präsident Roli Wismer mit seinen aktuell 84 Mitgliedern ist enorm wichtig. In den ersten Jahren haben Stefan Meier, Ueli Straub und ich auch sehr viel Arbeit und flüssige Mittel reingesteckt. Über Eintritte allein lässt sich ein solcher Event nicht finanzieren.

zentralplus: Nur rund 60 Kilometer entfernt findet jeweils das Zurich Film Festival mit Stars aus aller Welt statt. Sie sind ja auch dort engagiert. Könnte man keine Synergien nutzen und mehr Filmstars nach Zug holen?

Luchsinger: Wir wollen in Zug keine Rote-Teppich-Veranstaltung, hier sind die Farben Blau-Weiss, und das soll auch so bleiben. Bei uns sind ohnehin die Köche die Stars.

zentralplus ist Medienpartner des Genussfestivals Zug.

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