Luzern: Formularpflicht soll hohe Mieten bekämpfen

«Mieter müssen ihre Rechte mutiger durchsetzen»

Der Luzerner Mieterverband fordert die Formularpflicht. Wer einen Mietvertrag unterzeichnet, soll auch erfahren, was der Vormieter für die Wohnung bezahlte.

 

(Bild: gwa)

Wer in eine neue Wohnung zieht, weiss in Luzern in den seltensten Fällen, was der Vormieter bezahlte. Das will der Luzerner Mieterverband mit einer Volksinitiative ändern. Doch die Wirksamkeit der sogenannten Formularpflicht ist umstritten und abhängig von den Mietern selbst, wie das Beispiel Zug zeigt.

Was bereits diverse Kantone in der Deutsch- und Westschweiz kennen, soll nun auch in Luzern die angespannte Situation auf dem Wohnungsmarkt lockern: Der Mieterverband Luzern lanciert eine Volksinitiative, die Vermieter verpflichtet, automatisch Auskunft über die Höhe der Vormiete zu geben. Allfällige Erhöhungen sind zu begründen (zentralplus berichtete).

Sanftes Instrument

Darum geht’s

Die Initiative des Luzerner Mieterverbandes mit dem Namen «Fair von Anfang an» sieht vor, dass der Regierungsrat aktiv werden muss, wenn Wohnungsnot herrscht. Liegt der Leerwohnungsbestand auf Basis von Luzern Statistik per Stichtag 1. Juni unter 1,5 Prozent, müssten Vermieter bei ­neuen Verträgen den Zins des Vormieters bekanntgeben.

Wenn die Ziffer wieder auf über 1,5 Prozent steigt, würde die Offenlegungspflicht wieder aufgehoben. Aktuell beträgt der Leerwohnungsbestand im Kanton 1,03 Prozent. Das Gesetz sieht vor, dass die Offenlegungspflicht nur in Teilen des Kantons zur Anwendung kommen kann.

 

Die sogenannte Formularpflicht ist ein vergleichsweise sanftes Mittel gegen missbräuchliche Mieten, meint der Grüne Kantonsrat Michael Töngi, Generalsekretär des Schweizerischen Mieterverbandes (SMV): «Klar, es gibt griffigere Instrumente, die politisch jedoch chancenlos sind.» Beispielsweise die prozentuale Beschränkung der Mietpreisaufschläge oder amtliche Mietpreiskontrollen. 

Doch die politischen Molotow-Cocktails möchte der Verband nicht aus dem Schrank nehmen. Man setzt auf Bewährtes, die Initianten argumentieren mit dem Schlagwort Transparenz. Der Mieterverband rechnet damit, dass durch Formularpflicht die Mietzinse rund zwei Prozent weniger aufschlagen. Die Zahlen basieren auf Berechnungen einer Zürcher Immobilienfirma, welche die Wirkung ähnlicher Gesetze in anderen Kantonen untersuchte.

In der Stadt Luzern kostete 2015 eine 3- bis 3,5-Zimmer-Wohnung laut «Comparis» im Schnitt 1’800 Franken – die reduzierten Mietzinsaufschläge würden das Wohnbudget um rund 36 Franken entlasten. Derzeit gilt die Formularpflicht in Nidwalden, Freiburg, Waadt, Neuenburg, Genf, Zug und Zürich. 

Die durchschnittlichen Mietpreise bewegen sich im Kanton Luzern im schweizweiten Schnitt.

Die durchschnittlichen Mietpreise bewegen sich im Kanton Luzern im schweizweiten Schnitt.

(Bild: Screenshot / Bundesamt für Statistik)

 

Mieter müssen sich besser informieren

Besteht denn tatsächlich ein derart grosser Leidensdruck? «Klar, die Situation in Luzern ist nicht mit Zug, Zürich oder Genf zu vergleichen. Das sind die Daumenschrauben der Nation, wenn es um Mietzinsen geht», sagt Cyrill Studer Korevaar, Geschäftsleiter des Luzerner Mieterverbandes. Dennoch sei der Leidensdruck für Wohnungssuchende gross, insbesondere in der Stadt Luzern, der Agglomeration und in Sursee.

«Das Formular ist das eine, dieses richtig interpretieren zu können, ist das andere.»

Urs Berschti, Co-Präsident Mieterverband Zug

Das Instrument ist kein Selbstläufer. Es verschafft zwar Transparenz, doch muss der Mieter das Heft letztlich selber in die Hand nehmen, erklärt Urs Bertschi, Co-Präsident des Mieterverbandes Zug. Der Kanton Zug hat mit Abstand die höchsten Durchschnittsmieten schweizweit. «Die Mieter müssen sich besser informieren und ihre Rechte auch mutiger durchsetzen. So wäre die tatsächliche Wirkung des Formulars sicherlich noch stärker.»

Der Fraktionschef der SP im Zuger Stadtparlament sieht in der Formularpflicht denn auch kein Allheilmittel: «Das Formular ist das eine, dieses richtig interpretieren zu können, ist das andere.»

Er nennt dazu ein illustratives Beispiel: «Das Formular weist dem Mieter einen unveränderten Nettomietzins von 2’000 Franken aus. Daraus nicht ersichtlich wird allerdings, dass der Mietzins des Vormieters auf einem Referenzzinssatz von 2,5 Prozent basierte. Im Mietvertrag jedoch legt der Vermieter die Zinsbasis für den Nettomietzins auf die aktuellen 1,75 Prozent fest. Durch diese Schlaumeierei wird der Senkungsanspruch von 8,26 Prozent dem Mieter vorenthalten. Solche Tricks muss ein Mieter erst einmal erkennen können.»

«Mieter akzeptieren oft kleinere Aufschläge»

Unverhältnismässige Mietaufschläge zu entdecken, ist das eine, tatsächlich eine Mietzinssenkung einzufordern, eine ganz andere Sache: «Tatsächlich akzeptieren die Mieter oft kleinere Aufschläge», bestätigt Michael Töngi, Geschäftsführer des SMV. Es seien denn auch keine Massen, die den Anfangsmietzins anfechten. «Doch es gibt krasse Fälle, bei denen die Aufschläge 30 oder 50 Prozent betragen – dann fühlen sich die Mieter betrogen und gehen auf die Barrikaden.» 

Wie Bertschi ist auch Töngi überzeugt: Es sei eine Mentalitätsfrage, ob man sich als Mieter gegen unverhältnismässige Aufschläge wehrt. «Mieter haben das Recht, Zinssenkungen einzufordern oder eine missbräuchliche Anfangsmiete anzufechten – wenn ihnen deshalb gekündet wird, gilt das als Rachekündigung, sie wäre damit nichtig», hält Grünen-Kantonsrat Töngi fest. Bertschi, selber als Mieteranwalt tätig, meint, dass es nach Mietzinsverfahren äusserst selten zu Rachekündigungen komme. Die Mieter sollen sich also für ihre Rechte wehren.

Der Aufwand sei äusserst gering, findet SMV-Generalsekretär Michael Töngi – gerade im Verhältnis zum Prozess der Wohnungsvergabe: «Die Vermieter haben ja die Informationen im System, man muss es nur ausdrucken und den übrigen Unterlagen beilegen.»

Gesetz in Nidwalden lückenhaft umgesetzt

Die Erfahrungen aus den Kantonen Zürich zeigen: In der Regel informieren die Vermieter die Einziehenden entsprechend dem Gesetz, meint Cyrill Studer, der neben Luzern auch die Kantone Uri, Ob- und Nidwalden vertritt. Doch es gibt Ausnahmen: «Im Nidwalden gibt es Hinweise, dass die Formularpflicht nicht flächendeckend umgesetzt wird.» Der Regierung habe man hierzu schriftlich Fragen gestellt, wartet nun auf die Antwort und behält sich weitere Schritte vor.

Auf nationaler Ebene befürwortete der Bundesrat die Einführung des Modells – doch das Anliegen war sowohl im Stände- als auch Nationalrat im vergangenen September chancenlos. Kritik an der Formularpflicht üben insbesondere die Hauseigentümer. Der Schweizer Hauseigentümerverband (HEV) befürchtet ein Bürokratiemonster. Er kritisierte etwa den zusätzlichen Verwaltungsaufwand für die Vermieter, würde die Formularpflicht eingeführt. Kommissionssprecher und HEV-Präsident Hans Egloff (SVP) sprach in der Debatte von einem «gigantischen Papierkrieg».

Armin Hartmann, SVP-Kantonsrat und Präsident des Luzerner Hauseigentümerverbandes, äusserte gegenüber der «Luzerner Zeitung» ausserdem Zweifel über die Wirksamkeit: «Die Erfahrungen, vor allem aus der Westschweiz, zeigen es: Eine Formularpflicht bringt nichts.»

Der Luzerner Mieterverband hat nun bis zum 5. Mai 2018 Zeit, die notwendigen 4’000 Unterschriften zu sammeln. Gelingt dies den Initianten, müssen sich Regierung und Kantonsrat mit der Vorlage auseinandersetzen.

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