Ein Kunstprojekt führt in die Welt hinaus

Remo Hegglin auf der Suche nach dem besseren Zug

Remo Hegglin mit seiner Zuger Vespa. Um die Welt reisen wird er jedoch kaum damit.

(Bild: wia)

«Ich gehe weg, weg von Zug, hin nach Zug, via Zug, Zug, Zug und Zug.» Der Künstler Remo Hegglin will es tun. Will «Zugs» in der ganzen Welt erkunden. Und er möchte herausfinden, ob es ein Zug gibt, in dem er sich wohler fühlt als in unserer Kleinstadt, die immer globaler, immer distanzierter wird. Doch, noch bevor es richtig gestartet ist, ruft Hegglins Projekt in einem Land bereits Besorgnis hervor.

Waren Sie eigentlich schon mal in Zug? Ja? Diese Sanddünen sind doch fantastisch. Wie? Sie meinen gar nicht jenes in der Westsahara? Dann vielleicht das in Mittelsachsen? Oder Zug Island bei Detroit? Sie merken. Das mit diesem Zug ist gar nicht so einfach.

Besuche in sechs Zugs sind geplant

Höchste Zeit, dass man da mehr darüber rausfindet, dachte sich der Zuger Kunstschaffende Remo Hegglin. Und reichte beim Kanton Zug ein Kulturprojekt ein. So will Hegglin sechs verschiedene, gleichnamige Orte in der Welt besuchen und dort jeweils mehrere Tage oder gar Wochen bleiben. Möchte beobachten, mit Einwohnern reden, Dokumente, Klimbim und Filmmaterial sammeln. Und dann? «Was daraus letztlich entsteht, ist noch völlig offen. Vielleicht ein Film, vielleicht eine Ausstellung, eine Publikation oder vielleicht etwas ganz anderes.»

Ein Zuger auf Abwegen

Remo Hegglin hat an der Hochschule Luzern Visuelle Kommunikation studiert und arbeitet heute als freischaffender Filmemacher und Kunstschaffender. Ausserdem steht der 32-Jährige regelmässig auch als Moderator, Kabarettist und Unterhalter auf der Bühne. Weiter ist Hegglin im Bereich Illustration und der kreativen Ideenfindung tätig.

Die Idee fand Anklang. Das Amt für Kultur gewährte Hegglin das «Atelier Flex»-Stipendium. Der Preis ist mit 20’000 Franken dotiert. Es ist Geld, das Hegglin, so lautet der Auftrag, in seine Recherche stecken muss. Klingt nach viel. Ist es aber nur bedingt. Denn Hegglin plant die Zugs, die auf der Welt existieren, physisch zu besuchen. Das Zug in Vorarlberg und jenes in Deutschland fallen da nicht so ins Gewicht. Deutlich teurer werden die Reisen in die gleichnamigen Ortschaften im Iran, den USA oder der Westsahara.

«Einen wesentlichen Teil dieses Budgets werde ich wohl für Flug- und Bahnreisen sowie Übernachtungen brauchen. Oder aber für Guides, Übersetzer und für Visa.» Für die komplette Recherche werde er weiteres Geld benötigen. «Vielleicht finde ich in einem der Zug einen Mäzen», sagt Hegglin lachend.

Ein Gebiet, in dem der IS aktiv ist

Doch nicht nur Geld wird gebraucht, um etwa in die verschiedenen Gebiete der Welt zu reisen, auch Geduld ist gefragt. Denn bereits jetzt stösst Hegglin an vermeintliche Grenzen. «Vor einigen Wochen war ich in Marokko. Ich konnte mich dort mit dem Schweizer Botschafter treffen, um abzuklären, inwiefern eine Reise in die Westsahara aktuell möglich ist», erklärt Hegglin.

Viel Sand um nichts gibt es im Zug in der Westsahara. Ein Gebiet, das nicht ungefährlich ist.

Viel Sand um nichts gibt es im Zug in der Westsahara. Ein Gebiet, das nicht ungefährlich ist.

(Bild: Google Maps)

Und dieser sei zwar angetan gewesen von der Idee: «Er fand, Kunst solle keine Grenzen kennen. Dennoch war er auch etwas besorgt. Denn offenbar ist im Gebiet, das ich besuchen möchte, der IS aktiv. Die Verschleppungsgefahr ist gross. Und als Weisser sei ich von grossem wirtschaftlichem Interesse, erklärte der Botschafter.»

Das Territorium Westsahara ist seit Jahrzehnten konfliktbehaftet, Marokko möchte das Gebiet für sich beanspruchen, während die Sahrauis für einen unabhängigen Staat kämpfen. Anerkannt wird er jedoch nur von einigen Nationen.

«Der Botschafter erklärte mir, dass mir die marokkanische und die Schweizer Regierung nicht helfen können, sollte ich in Schwierigkeiten geraten.»

Remo Hegglin, Zuger Kunstschaffender

«Und ziemlich schnell wurde das Gespräch mit dem Botschafter sehr politisch. So erklärte er mir, dass mir die marokkanische und die Schweizer Regierung nicht helfen können, sollte ich in Schwierigkeiten geraten. Man kann nicht riskieren, dass der Hausfrieden meinetwegen bricht», sagt Hegglin. Solche Aussagen behagen dem Zuger gar nicht. «Plötzlich erhalte ich als Kunstschaffender eine derart politische Verantwortung. Ich will doch bloss an die Orte reisen, um zu sehen, wie es da ist und wer die Menschen sind, die dort leben. Doch ich nehme an, dass ich bereits jetzt auf gewissen Radaren drauf bin.»

Viel Sand um nichts gibt es im Zug in der Westsahara. Einem Gebiet, das nicht ungefährlich ist.

Zug, Westsahara: Ob es sich beim Hügelzug im Hintergrund um den Zugerberg handelt, ist nicht klar.

Hegglin versucht die Situation dennoch zu relativieren, denn er will die Reise nicht bereits im Voraus zum Scheitern verurteilen. «Ich habe vor Ort auch mit verschiedenen Marokkanern gesprochen, die fanden, eine Reise dorthin wäre gar kein Problem und sie würden mich auch persönlich hinbegleiten. Etwas Bakchich, also Schmiergeld, werde das Nötige dazu beitragen.»

Von der Unmöglichkeit, nach Zug zu reisen?

Für Hegglin geht es nun also darum, abzuwägen, ob die Reise das Risiko wert ist. «Vielleicht finde ich Menschen, die schon da waren und die mir verlässliche Einschätzungen geben können. Und allenfalls muss ich meinen Ansatz ändern. Vielleicht geht es plötzlich um die Unmöglichkeit, nach Zug zu reisen.»

Aber wozu das Ganze? Warum will man ein neues Zug suchen, wenn man doch bereits eines hat? «Ich möchte mich auf die Suche machen nach dem Zug, mit dem ich mich identifizieren kann. Es geht um die Sehnsucht nach einem Ort, in dem ich nicht nur wohnen, sondern auch leben will», erklärt Hegglin. «Denn das Zug, in dem ich aufgewachsen bin, wird mir zusehends fremder. Wirtschaftlich. Politisch. Gesellschaftlich. Alles wird anonymer, oberflächlicher. Es gibt kaum Platz für Nischen. Immer geht es um Profit.»

«Kultur wird hier geduldet, solange sie sich an die Konventionen hält, die Herrn und Frau Zuger genehm sind.»

Wie er das meint? «Nehmen wir die Zuger Kulturszene. Obwohl es ein überschaubarer Ort ist, ist die Szene sehr verstreut. Ich vermisse eine echte Motivation und Leidenschaft. Kultur wird hier geduldet, solange sie sich an die Konventionen hält, die Herrn und Frau Zuger genehm sind.»

Unweit von Detroit gibt es eine Insel mit dem Namen Zug.

Unweit von Detroit gibt es eine Industrieinsel mit dem Namen Zug Island.

(Bild: Google Maps)

Auf in eine Weltstadt

Viele Zuger Kunstschaffende ziehen über kurz oder lang weg, nach Luzern, Zürich oder in die Ferne. Ob es nicht auch für Hegglin leichter wäre, wegzuziehen? Er lacht und sagt: «Ich habe mich sehr lange dagegen gewehrt, diesen Weg des geringsten Widerstands zu gehen. Doch kürzlich habe ich mich tatsächlich dazu entschlossen, nach Berlin zu ziehen. Im Gegensatz zu Zug werde ich in Berlin nicht andauernd gefragt, ob ich von meinem Job leben kann. Jetzt pendle ich zwischen den beiden Städten.»

Mit einem Zeh bleibt der Künstler also noch in der Kolinstadt. «Ich moderiere in Zug regelmässig an Anlässen und habe auch hier einige Kulturprojekte am Laufen.»

Remo Hegglins Kunstprojekt «Weg von hier» steht in Baar. Und passt zu seinen aktuellen Plänen.

Remo Hegglins Kunstprojekt «Weg von hier» steht in Baar. Und passt zu seinen aktuellen Plänen.

 

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