Franziska Staubli von Musik bis Genderfragen

«Was Frauen besser machen? Alles!»

Auf vielen Bühnen zuhause: die Luzerner Musikerin Franziska Staubli.

(Bild: zvg)

Sie sagt von sich: «Ich lasse mich an nichts festmachen.» Sie wechselt ihre Alter Egos wie andere Kleider. Die Luzerner Musikerin Franziska Staubli ist Gitarristin, Suchende, Feministin und fordert mehr Frauen in der Musik. Dieser Tage tritt sie zweimal in Luzern auf.

Franziska Staubli hat Probepause in Zürich. Die 30-Jährige setzt sich mit einer selbstgedrehten Zigarette an die Sonne und stellt sich den Fragen. Es ist nicht immer einfach, ihren Gedanken zu folgen, sie scheint ein sprudelnder kreativer Vulkan zu sein. Und ab und zu muss sie selber lachen über ihre Antworten, wenn es etwas gar «weird» tönt, was sie eben gesagt hat.

Franziska Staubli studiert in Zürich, in den nächsten Tagen ist sie gleich zweimal in Luzern zu hören: am Donnerstag mit None of Them im Südpol. Und am Samstag im Rahmen der dreitägigen Solotage im Neubad. Dort als Lex Lennox, und wie es der Name sagt: alleine (siehe Box).

zentralplus: Wobei erwischen wir Sie gerade?

Franziska Staubli: Ich bin in der Werkstatt für improvisierte Musik in Zürich, quasi der Freejazzer-Verein. Wir proben für unser Konzert am Donnerstag im Südpol. Ich spiele Gitarre bei None of Them – der Zürcher Band von Zainab Lascandri und Michal Ho. Ich bin gespannt, wie das zu dritt tönt. Daneben probe ich gerade mit zwei Kolleginnen in der Band Acid Amazonians. Das ist elektronische Musik mit feministischen Inhalten. Etwas Transdisziplinäres zwischen Zürcher Underground, Tanz und Kunstperformance. Zwischen Kunstgalerie und illegalen Barpartys.

«Ich bin einfach nicht so verdrahtet, mich hat man anders zusammengesetzt.»

zentralplus: Sie scheinen sehr umtriebig …

Staubli: Ich schreibe gerade viele Songs, ich würde gern auch für andere schreiben, ich habe einfach zu viele und zu diverse Ideen für mich selbst. Das passt nicht auf eine Bandidentität (lacht). Einmal schreibe ich eine Ballade für eine Prinzessin, dann wieder Street-Rap, dann wiederum Feelgood-Folk. Es geht in alle Richtungen.

zentralplus: Trotzdem kennen Ihren Namen noch nicht viele.

Staubli: Das ist das Schöne, ich fühl mich wohl als Nobody.

In vielen Genres daheim

Franziska Staubli wohnt in Luzern und Zürich. Sie hat an der Jazzschule in Lausanne Gitarre studiert und 2012 abgeschlossen. Momentan studiert sie an der ZHdK Transdisziplinarität in den Künsten. Das Verbinden verschiedener Kunstformen steht bei der Musikerin also im Fokus. Sie ist in fast allen Musikstilen daheim: Noise, Pop, Rap oder Balladen.

Neben Gitarre ist sie auch an Bass, Keyboard, Laptop, Gesang und Perkussion zu hören. Sie spielt in Bands wie in Soloprojekten, sie macht Bandcoaching, leitet Workshops, komponiert, arrangiert, tritt auf und legt als DJ auf. Sie spielte bei Die Morlocks oder Jet Turiño und aktuell bei None of Them oder Acid Amazonians.

Aktuelle Konzerte:

  • None of Them: Do 30.3., 21 Uhr Südpol Luzern (Support von Batuk) – auch am B-Sides-Festival zu hören.
  • Konzert an den Solotagen im Neubad (30.3.–1.4.) als Lex Lennox: Sa 1. April, 20.30 Uhr, Pool des Neubad Luzern

Die Solotage sind ein «Festival für Ein-Mann-Frau-Orchester» mit neun Acts. Es ist als Trilogie angelegt: Was mit den Solo-Tagen beginnt, geht nächstes Jahr als Duo-Tage weiter, ein Jahr danach als Trio-Tage.

zentralplus: Je mehr man über Sie liest oder hört, desto schwieriger wird es, Sie festzumachen. Ist die Vielseitigkeit Ihr Merkmal?

Staubli: Ja voll, das war von Anfang an so.

zentralplus: Oder können Sie sich einfach nicht entscheiden, was Sie wollen?

Staubli: Mich interessiert einfach alles. Es gibt überall einen geilen Style abzuholen, überall sind gute Geschichten dahinter und witzige musikalische Ideen unterzubringen. Und ich bin ja nicht die Einzige. Es sind Viele so drauf wie ich und lassen sich nicht festmachen.

zentralplus: Wie schlimm wäre es, wenn Sie einen Stil finden würden und man eindeutig sagen würde: So tönt Franziska Staubli?

Staubli: Das wäre mir völlig recht, aber ich bin einfach nicht so. Ich find’s gut, wenn es jemand macht und seinen Style spielt und auscheckt. Aber ich bin einfach nicht so verdrahtet, mich hat man anders zusammengesetzt.

zentralplus: Das transdisziplinäre Arbeiten steht bei Ihnen im Fokus – also das Verbinden von Kunstformen. Sie studieren auch Transdisziplinarität, wieso?

Staubli: Mir gefällt die Offenheit der Denke und die Zusammensetzung der Studierenden. Sie kommen aus allen Richtungen: Schauspiel, Grafik, Musik oder sogar Soziologie. Alle haben die Füsse in einem Bereich, haben einen fachlichen Background, sind aber zugleich völlig offen. Ein Beispiel: Wir hatten einen Kurs zu Pop und analysierten da ein Beyoncé-Video. Alle hatten einen anderen Zugang: die Modedesignerin, ich als Musikerin oder der Soziologe.

zentralplus: Vorher studierten Sie an der Jazzschule Lausanne, eine andere Welt?

Staubli: Wenn du nur mit Musikern zusammen bist, dann hast du schnell diese Fachidiotie, unreflektierte Gewohnheiten, die es in den Disziplinen halt gibt. Es gibt so viele Vorannahmen, was man können muss. Aber es stimmt für mich nicht, es gibt so viele verschiedene Ansätze innerhalb der Musik.

An einer eher konservativen Schule wie Lausanne ist das schwierig zu hinterfragen. Man muss Soli spielen, obwohl ich Lust hätte, eine Stunde lang nur einen Ton zu spielen. Aber das ging an der Jazzschule nicht, man spielt viele Akkorde, weil man es halt so macht. Jazz ist sehr auf Harmonie und Rhythmik konzentriert, Pop hat heute mehr gesellschaftliche Relevanz. Ich will auch über Style und Inhalte nachdenken.

Ein Song von Franziska Staubli:

 

zentralplus: Sie sind ausgebildete Gitarristin. Ist es immer noch Ihr Hauptinstrument?

Staubli: Schwierig zu sagen, phasenweise ja. Es ist projektabhängig. Jetzt bin ich gerade voll am Üben.

zentralplus: Was machen Sie hauptsächlich? Komponieren, Coachen, Spielen, Lernen, Auflegen?

Staubli: Auch das kann ich nicht sagen. Der Mix macht es aus.

zentralplus: Es hiess einmal in einer Konzertbesprechung: Sie hätten die Präsenz, die Bühne alleine zu füllen. Das war vor über fünf Jahren mit Ihrem Solo-Projekt Ziska Lovis.

Staubli: Ich spiele in Bands und alleine. Gewisse Leute sagen, alleine funktioniere ich besser. Aber das heisst auch: alleine anreisen, soundchecken, die ganze Wartezeit alleine und alleine proben. Das ist ein bisschen «bäh», ein wenig nervig. Ich spiele eigentlich lieber mit anderen Leuten.

Zum Beispiel mit ihrer Band Acid Amazonians – hier im Zürcher Kunstraum Walcheturm:

 

zentralplus: Nun treten Sie aber an den Solotagen wieder alleine auf. Wer oder was ist Lex Lennox? Man findet noch nichts darüber.

Staubli: Richtig. Ich lege mir viele Alter Egos zu, einige davon sind noch nie aufgetreten. Beim Schreiben erfinde ich neue Protagonistinnen, Lex Lennox ist eine davon. Aber ich weiss noch nicht genau, wer das ist. Was sicher ist: Es ist ein Gitarrist.

zentralplus: Keine Gitarristin?

Staubli: Nein. Warum, weiss ich auch nicht. Ziska Lovis hingegen ist eine Singer-Songwriterin. Aber ich weiss nicht, ob es sie noch gibt. Die Alter Egos existieren nur durch mich und die Öffentlichkeit. Pop ist erst eine Sache, wenn’s ein Publikum dafür gibt. Du kannst nicht allein eine Kunstfigur sein.

zentralplus: Was darf man erwarten am Konzert im Neubad?

Staubli: Es wird gitarrenlastig. Es gibt Sachen, die sich anfühlen wie Flimmern. Andere, die sich wie Wände nach vorne schieben. Es ist reduziert, hat aber auch ein paar richtige Songs darunter und Rap. Dazu minimalistische, schlechte, supersimple Beats. Und auch Gesang.

Franziska Staubli spielt Gitarre – aber das ist bei Weitem noch nicht alles.

Franziska Staubli spielt Gitarre – aber das ist bei Weitem noch nicht alles.

(Bild: zvg)

zentralplus: Sie treten neben vielen anderen Solokünstlern auf – teils etablierte, teils zu entdeckende. Sie sind in guter Gesellschaft?

Staubli: Ja! Martina Berther, die als Frida Stroom auftritt, ist eine gute Freundin. Auch Mario Hänni als Rio kenne ich oder Manuel Troller – die sind alle sehr cool.

zentralplus: Im Programm heisst es: Klangforscher, Soundpuristinnen, Multi-Instrumentalisten und offene Geister treten auf. Trifft das auf Sie zu?

Staubli: Das trifft auf alle zu. Sie alle spielen oft und forschen. Es sind eher Leute, die nicht im Vordergrund stehen, eher als Sideman oder -woman.

«Eine Frau am Schlagzeug ist immer noch eine Exotin.»

zentralplus: Sie engagieren sich bei Helvetiarockt – der Koordinationsstelle für Musikerinnen. Warum gibt es immer noch wenige Frauen in der Musik?

Staubli: Das ist eine gesamtgesellschaftliche Frage, das betrifft nicht nur die Musik. Sie müssten einen Geschlechterforscher fragen. Ich weiss nur, wieso ich Musik mache, aber nicht, wieso es andere Frauen nicht machen.

Der gesamtgesellschaftliche Wandel dauert jetzt 50 Jahre – wir sind erst auf halber Strecke, wenn’s um die Gleichstellung geht. Ich denke, ein wichtiges Stichwort ist die Sozialisierung: Der ganze Background und Kontext, den man mitbekommt. Wie muss ich mich verhalten mit einer bestimmten Hautfarbe oder einem Geschlecht? Was macht man als Frau und was nicht? Solche Fragen schwingen in der Berufswahl mit – da gibt es zwischen den Geschlechtern immer noch riesige Unterschiede. Also ist eine Frau am Schlagzeug immer noch eine Exotin.

zentralplus: Sie unterrichten an den Female Bandworkshops, was tun Sie da?

Staubli: Wir stellen Bands aus jungen Frauen zusammen und proben regelmässig. Das Projekt läuft in zehn Städten der Schweiz, pro Stadt gibt es zwei Leiterinnen, eine in Luzern bin ich. Wir coachen sie: in der Musik, wie sie auftreten, wie man probt, wie Amps funktionieren. Überall dort, wo wir sie unterstützen können. Ich mach’s einfach gerne, die jungen Frauen sind selbständig und mega motiviert. Am Anfang sind sie noch scheu und fragen kaum was. Dann wächst es und es geht von allein. Es geht mir darum, mein Wissen zu teilen, was mache ich sonst mit all meinen Skills? (lacht)

Franziska Staubli kennt viele Alter Egos.

Franziska Staubli kennt viele Alter Egos.

(Bild: zvg)

zentralplus: Wie war das denn in Lausanne? Wie viele Frauen hatte es in Ihrem Jahrgang?

Staubli: Es gibt Zählungen an Festivals und Schulen, wie viele Frauen da auftreten. Und man kommt immer auf fünf bis zehn Prozent. Bei mir an der Schule war das nicht anders.

zentralplus: Was müsste passieren, damit das ändert? Braucht es einfach noch Zeit?

Staubli: Es passiert eben nicht von alleine, wir müssen uns dafür einsetzen! Man muss es den Leuten immer wieder sagen, immer drauf aufmerksam machen. Wir müssen Stereotypen aufweichen und abschaffen. Wir müssen alle toleranter und flexibler werden, dann gewinnen alle. Es müssen nicht alle alles machen, aber alle sollen es können. Ich kann Songs darüber schreiben, wir können uns gegenseitig unterstützen. Ich versuche, fest mit Frauen zu spielen, ich frage Frauen an für Aufnahmen, für Technik, für Kunst.

zentralplus: Was machen denn Frauen anders – oder besser?

Staubli: Alles! Ich habe schon das Gefühl, dass Frauen besser qualifiziert sind, da sie sich gegen viel mehr Widerstände durchsetzen müssen. Dem entwächst mehr Qualifikation, mehr Sozialkompetenz – eigentlich eine mega komische Situation.

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