Fertigungskosten in der Schweiz zu hoch

Bei Baarer Firma droht Massenentlassung

Der Heinrich Kübler AG in Baar droht die Auslagerung der gesamten Produktion nach Deutschland.

(Bild: Google Maps)

Letzten Herbst wurde die Firma Kübler nach Deutschland verkauft. Per Ende März mussten bereits 13 Angestellte über die Klinge springen. Nun droht die Verlagerung der Gesamtproduktion mit weiteren 35 Personen. Noch bis 4. April können die Betroffenen Vorschläge zur Rettung ihres Arbeitsplatzes machen.

Die De-Industrialisierung des Kantons Zug schreitet weiter. Jüngstes Beispiel ist eine hochspezialisierte kleine Firma aus Baar, deren massgeschneiderte Produkte über Vertretungen in die ganze Welt exportiert werden. Die Heinrich Kübler AG produzierte in Baar seit rund 30 Jahren massgefertigte Sensoren für die Füllstandmesstechnik.

Im Oktober 2016 wurde das Unternehmen vom deutschen Mitbewerber KSR Kuebler Niveaumesstechnik AG übernommen. Daraufhin kündigte die Firma an, einen Teil der Produktion von Baar nach Deutschland zu verlagern. Damit verbunden war ein Abbau von maximal 20 Stellen bis Ende März 2017. «Effektiv kam es dann nur zu 13 Entlassungen», sagt Stefanie Brand, die Personalverantwortliche der Firma auf Anfrage.

Versprechen nicht eingehalten

Im letzten Herbst war noch die Rede davon, dass diese Massnahme den langfristigen Erhalt des Unternehmens in der Schweiz und die Arbeitsplätze sichere. Nun ist plötzlich alles anders. Am Montag hat die Firma ihre verbleibenden 46 Mitarbeiter darüber informiert, dass die gesamte Produktion möglicherweise nach Deutschland verlagert wird. Gleichentags verschickte die Firma eine Mitteilung an ausgewählte Medien und informierte das Zuger Amt für Wirtschaft.

«Die Produktion mit sehr handarbeitsintensiven Produkten ist seit einigen Jahren nicht mehr profitabel», heisst es in der Mitteilung. Deshalb habe man keine Investitionen mehr tätigen können, welche die Wettbewerbsfähigkeit erhöhten. Die Aufhebung des Euro-Mindestkurses habe die Situation weiter verschlechtert.

Produktion in Baar rentiert nicht mehr

Im Februar hat das lokale Management gemeinsam mit den neuen Besitzern die Situation der Arbeitsplätze nochmals analysiert. Und kamen zu folgendem Schluss: «Die Überprüfung hat ergeben, dass es in der Zukunft kein wirtschaftlich nachhaltiges Konzept mit Produktionsstandort in Baar gibt.»

Die Sache ist aber noch nicht definitiv, man hat jetzt ein Konsultationsverfahren eröffnet. Der Arbeitgeber muss in der Schweiz den Arbeitnehmern die Möglichkeit einräumen, Vorschläge zu unterbreiten, wie die Kündigungen vermieden oder deren Zahl beschränkt werden, sowie ihre Folgen gemildert werden können. Bei eine Firma dieser Grösse spricht man ab 10 betroffenen Arbeitnehmern von einer «Massenentlassung».

«Wir konstruieren massgeschneiderte Geräte nach Wünschen der Kunden. Es ist keine Massenproduktion.»

Stefanie Brand, Heinrich Kübler AG

Allerdings läuft diese Frist bereits am 4. April ab. Wird die Produktion definitiv verlagert, würden 35 Mitarbeiter per Ende September 2017 ihren Arbeitsplatz verlieren. Nur noch 11 Personen würden in Baar verbleiben. Das wären technische Verkäufer und Sachbearbeiter für den Vertrieb.

 

Erfolg ist messbar. Misserfolg auch.

Erfolg ist messbar. Misserfolg auch.

(Bild: Screenshot)

«Wir konstruieren massgeschneiderte Geräte nach Wünschen der Kunden. Es ist keine Massenproduktion», erklärt Stefanie Brand. Die Sensoren würden zum Beispiel von Milchfabriken und anderen Lebensmittelbetrieben bestellt. Qualität und Kundenberatung hätten einen grossen Stellenwert in Baar. Doch die hohen Kosten der Fertigung hätten schlussendlich den Ausschlag gegeben für den Entscheid.

Wieder mit Mutterhaus verbunden

Die Heinrich Kübler AG ist ursprünglich eine deutsche Firma. Wolfgang Kübler, der Bruder des Heinrich, gründete die Schweizer Niederlassung vor rund 30 Jahren. Wegen Zwistigkeiten wurden die beiden Firma in der Schweiz und in Deutschland jedoch später Konkurrenten. Vor einigen Jahren ist Wolfgang Kübler verstorben.

«Der starke Franken spielt sicherlich eine wichtige Rolle. Im konkreten Fall scheint es aber auch einen starken betriebsinternen Grund zu geben.»

Matthias Michel, Zuger Volkswirtschaftsdirektor

Die ehemalige deutsche Mutterfirma Kuebler wurde 2008 von der WIKA Gruppe übernommen, und diese hat 2016 auch die Schweizer Firma gekauft. So kommt der ursprüngliche Spross in Baar wieder indirekt zum deutschen Mutterhaus zurück. Die Firma Kuebler hat ihren Sitz in Zwingenberg (Hessen), die WIKA im fränkischen Klingenberg am Main (Bayern).

Was sagt der Zuger Volkswirtschaftsdirektor?

Und was meint der Kanton zur drohenden Massenentlassung? Der Zuger Volkswirtschaftsdirektor Matthias Michel erklärt auf Anfrage, beim Verkauf nach Deutschland 2016 seien «wie so oft» die Standorte und deren Kosten überprüft worden. «Dabei spielt der starke Franken sicherlich eine wichtige Rolle. Im konkreten Fall scheint es aber auch einen starken betriebsinternen Grund zu geben, indem ohne grosse Zusatzaufwendungen am deutschen Standort die Produktion integriert werden kann», so Michel.

Es habe auch schon umgekehrte Entwicklungen gegeben, dass nämlich betriebsinterne Reorganisationen zu einer Stärkung einer in Zug ansässigen Unternehmung respektive einem Zuzug von Arbeitsplätzen führten.

Keine De-Industrialisierung?

Eine «De-Industrialisierung» im eigentlichen Sinn lasse sich nicht hinein interpretieren, findet der FDP-Regierungsrat. «Es findet aber eine Umlagerung innerhalb des Industriesektors zu den wertschöpfungsstarken Tätigkeiten statt.» Ein Treiber dafür sei nebst den Kosten auch die Digitalisierung. Matthias Michel: «Dieser Wandel gehört naturgemäss zur Wirtschaft, welche stark innovationsgetrieben ist, und findet seit jeher statt. Der Unterschied zu früheren Zeiten liegt darin, dass dieser Wandel heute schneller abgeht.»

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