In Luzern und Chicago auf der Suche nach dem Sinn

Anja Wicki – aufs Wesentliche reduziert

Anja Wicki bei ihrer aktuellen Ausstellung.

(Bild: Nathalie Ehrenzweig)

Für viele Kunstschaffende ist das Atelierstipendium in Chigaco eine grosse Chance. So war es auch für die Luzerner Illustratorin Anja Wicki. Über den Aufenthalt in der amerikanischen Grossstadt und den Spagat zwischen Auftragsjobs und freier Arbeit hat sie mit zentralplus gesprochen.

«Ligne Claire», so wird der Stil genannt, mit dem Anja Wicki illustriert und zeichnet. «Ich habe eine wiedererkennbare Art zu zeichnen, ich mag Flächiges, Reduziertes», beschreibt die 30-Jährige. Auch bei ihr zuhause sehe es so aus. «Daheim hab ich nur wenig Bilder aufgehängt, es ist auch da etwas minimalistisch. Dafür ist es in meinem Atelier chaotisch», erzählt die Luzernerin lachend.

Freies Arbeiten in Chicago

Ob es auch in ihrem Atelier in Chicago chaotisch war, lässt sich nur vermuten. 2015 gewann Anja Wicki nämlich das Atelier-Stipendium für Kunstschaffende der Städtepartnerschaft Luzern-Chicago. Das Resultat ihrer dortigen Arbeit ist auch am Fumetto auf dem Motorschiff Rigi zu sehen (zentralplus berichtete über einen Rundgang und die Ausstellung). «Ich habe mich damals mit einem recht offenen Projekt beworben. Ich wollte einen Comic zeichnen, der von den Begegnungen und Erfahrungen vor Ort inspiriert wurde. Vier Monate durfte ich mich in Chicago voll und ganz auf diese Arbeit konzentrieren», schwärmt sie. Dabei sind sechs Comic-Geschichten über den Sinn des Lebens entstanden.

Solche freien Arbeiten, Comics, aber auch Objekte, sind aber nur ein Teil von Wickis Job. «In der anderen Hälfte mache ich Auftragsarbeit, zum Beispiel für Magazine, Theaterplakate, Animationen», erklärt die Luzernerin. Das sei denn auch der Teil, mit dem sie Geld verdiene. «Doch als Illustratorin ist es schon schwierig», sagt sie. Seit drei Jahren verzichtet sie aber auf einen Nebenjob.

Ein Selbstporträt der Illustratorin.

Ein Selbstporträt der Illustratorin.

(Bild: zvg)

Handwerk und Kunst, Illustration und Comic

Eine Illustration solle informieren, werde oft von einem Text begleitet und solle noch einen anderen Blickwinkel auf das zu illustrierende Thema bieten. «Nur freie Arbeiten zu machen, wäre auch sehr viel anstrengender: Comicgeschichten zu entwickeln ist sehr komplex und zeitintensiv», betont sie.

Nachdem Anja Wicki schon als Kind immer sehr gern gezeichnet hat, war ihr klar, dass sie einen gestalterischen Beruf lernen will: «Ich hab die Lehre zur Polygrafin gemacht. Aber ich habe gemerkt, dass ich noch mehr wirklich zeichnen will. Darum habe ich ‹Illustration Fiction› an der Hochschule Luzern Design & Kunst studiert.»

«Ich versuche immer, in meiner Entwicklung offen und neugierig zu sein.»

Seit ihrer Zeit an der Hochschule ist sie, zusammen mit zwei Studienkollegen, Herausgeberin des Ampel-Magazins. Das Magazin soll als Plattform für junge Comiczeichner fungieren. «Wir sind sehr frei, ändern Konzept und Format immer wieder und publizieren zwei bis vier Ausgaben im Jahr. Das ist eine tolle Arbeit.»

Die Illustratorin möchte aber nicht zwischen Auftragsarbeit und freier Arbeit, wie etwa für die aktuelle Ausstellung, wählen müssen. «Ich mache beides sehr gern. Es dürften nur etwas mehr gut bezahlte Auftragsarbeiten sein», lacht sie. Wicki arbeitet oft noch konventionell, mit Papier und Stift. «Natürlich gibt es Arbeitsschritte, die ich am PC mache: Zum Beispiel Kolorieren oder eine Illustration zum Druck vorbereiten. Aber ich zeichne gern noch von Hand», betont die 30-Jährige, die in ihrer Freizeit oft in den Bergen anzutreffen ist.

Wicki zum Anschauen

«The Meaning of Life» auf dem Motorschiff Rigi in Luzern ist noch bis am 8. April 2017 zu sehen. Jeweils von Mittwoch bis Freitag zwischen 14 und 19 Uhr, am Samstag und Sonntag zwischen 11 und 17 Uhr.

Keinen Sinn des Lebens

Der Sinn des Lebens, damit hat sich Anja Wicki während ihrem Atelieraufenthalt in Chicago auseinandergesetzt. «Ich fand das besonders spannend. Natürlich sind mir Dinge wie Neugier, Neues lernen, Offenheit wichtig. Aber ich glaube nicht, dass ich mein Leben auf ein Ziel ausrichten muss», findet sie. In Chicago habe sie viele nette Leute getroffen, mit denen sie über den Lebenssinn philosophiert habe.

«Die Geschichten wären anders herausgekommen, wenn ich das Projekt daheim in Luzern gemacht hätte. Chicago hatte durchaus einen Einfluss auf den Inhalt. Und daheim hätte ich mir wahrscheinlich nie einfach vier Monate Zeit nehmen können, um mich nur darauf zu konzentrieren», vermutet die Illustratorin. Und Wicki war ausserordentlich produktiv: Sie hat nicht nur die Comics gezeichnet, sondern damit auch gleich «Meaning of Life, Part I» in einem kleinen Verlag vor Ort herausgegeben und auch noch eine Buchvernissage und Lesung veranstaltet.

(Bild: zvg)

Wenigstens einige Pläne

Zurück in der Schweiz hat sie sich weiter mit dem Thema auseinandergesetzt. Die Motivation dazu fand sie in der Arbeit am ersten Teil. Die Offenheit, die für Anja Wicki einem Lebenssinn nahekommt, pflegt sie nicht nur im Ampel-Magazin: «Ich versuche immer, in meiner Entwicklung offen und neugierig zu sein. Probiere Neues aus. Deshalb gehe ich auch selber oft an Ausstellungen, lese Bücher und Comics, um weiter zu kommen.» Doch auch hier ist sie nicht zielgerichtet. «Ich habe nicht bestimmte Vorbilder oder so. Ich möchte einfach besser werden – technisch und erzählerisch. Da sehe ich grosse Veränderungen, wenn ich meine älteren Arbeiten anschaue.»

«Ich mag Sicherheit. Ich hab den falschen Job.»

Für die Zukunft würde sie sich mehr Aufträge wie der für das Zürcher Opernhaus wünschen: «Ich konnte die Kinderoper ‹Robin Hood› als Comic erzählen, damit die Kinder die Geschichte schon etwas kennen, wenn sie in die Vorstellung kommen. Das war eine lässige Arbeit, an der ich einen Monat gesessen habe.» Nach dem Fumetto gehe es dann – neben den Aufträgen – mit dem Ampel-Magazin an eine Ausstellung in London, danach folge eine neue Ausgabe des Comic-Magazins. Anja Wicki wird es bestimmt nicht langweilig und sie mag die Abwechslung. «Trotzdem mag ich eigentlich gerne planen. Und Sicherheit auch. Ich hab den falschen Job», lacht sie. Immerhin: Ein paar Sachen sind geplant. Mit Sicherheit.

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