Landet Luzerner Polizeigesetz erneut vor Gericht?

Bewaffnete Sicherheitsassistenten liefern neue Munition

Die Polizeicorps sind für den Ordnungsdienst neu ausgerüstet worden.

(Bild: zvg)

Das Ringen um das Polizeigesetz geht weiter. Nachdem das Bundesgericht die Kostenüberwälzung als teilweise ungültig bezeichnete, droht bereits der nächste Streit. Im Mittelpunkt: die geplanten Sicherheitsassistenten. Trotz drohender Blamage will sich die Luzerner Politik nicht einschüchtern lassen.

Der Kanton Luzern und sein Polizeigesetz – dieser Beziehungsstatus ist kompliziert. Das Bundesgericht entschied, die Rechtsetzung ist so nicht machbar. Vor zwei Wochen wurde das schriftliche Urteil zur Kostenabwälzung von Polizeieinsätzen auf Veranstalter und einzelne Randalierer veröffentlicht. Zwar bleibt die Abwälzung von hohen Polizeikosten auf den Veranstalter im Gesetz bestehen – Kosten von 30’000 Franken seien aber für einen einzelnen Veranstalter nicht verhältnismässig und Randalierer dürften nicht in der Form belangt werden, wie das der Kantonsrat wollte (zentralplus berichtete).

Markus Husmann, Jurist bei den Beschwerdeführern der Demokratischen Juristinnen und Juristen Luzern (DJL), sagt: «Mit einem Urteil dieser Deutlichkeit haben wir nach der mündlichen Urteilsberatung nicht gerechnet.» Dennoch gibt er zu bedenken, dass die Situation gerade für spontane, unbewilligte Kundgebungen weiterhin problematisch sei: «Es ist zu hoffen, dass die Regierung nach acht Jahren Rechtsetzungsbemühungen nun endlich mit der nötigen Sensibilität walten wird.»

Die Demokratischen Juristinnen und Juristen

Der Verein besteht aus Juristen, die laut eigenen Angaben «elementare Grundrechte wie das Recht auf Asyl oder das Recht auf Überwachungsfreiheit konsequent einfordern». Dafür setzen die Mitglieder auf den Rechtsweg. Ebenfalls zu den Zielen des Vereins gehört, zu «verhindern, dass die Politik immer mehr gesellschaftspolitische Problemstellungen an die Justiz (und die Polizei) abdelegiert».

Bewaffnung von Verkehrsassistenten geplant

Das Urteil äussert sich auch zur Frage, welche Sicherheitsaufgaben einem Veranstalter zugemutet werden dürfen und welche nicht, weil es sich um hoheitliche Polizeiaufgaben handelt. Diese Ausführungen könnten auch mit Blick auf bereits bevorstehende nächste Änderung des Polizeigesetzes interessant werden. Die Luzerner Regierung möchte nämlich sogenannte Sicherheitsassistenten einführen. Die Vorlage sieht vor, dass ein erweiterter Katalog von polizeilichen Aufgaben von Hilfspolizisten durchgeführt wird. Bereits jetzt werden sogenannte «Verkehrsassistenten» eingesetzt für Parkkontrollen oder Verkehrsumleitungen. Die künftigen Sicherheitsassistenten sollen eine reduzierte Ausbildung erhalten, um die Polizei in weiteren Bereichen zu entlasten. Weiter kosten die Sicherheitsassistenten weniger als voll ausgebildete Polizisten.

Künftig sollen zum Kompetenzbereich der Sicherheitsassistenten Aufgaben wie Gefangenenzuführung oder die Bewachung von Gebäuden und parlamentarischen Beratungen (also beispielsweise den Kantonsrat) dazukommen. Brisant: Die Hilfspolizisten sollen dafür bewaffnet werden. Dagegen wehren sich die DJL. Angesichts der Kritik am Gesetz droht möglicherweise erneut ein Rechtsstreit, sollte im Luzerner Kantonsrat eine Mehrheit den Plänen der Regierung zustimmen. Ein erneuter Schiffbruch wäre ziemlich peinlich.

Sind Sicherheitsassistenten «Polizisten»?

Das grösste Schweizer Gericht schreibt, es bestehe ein staatliches Gewaltmonopol. An Orten, die der Allgemeinheit offenstehen, sei es Aufgabe der Polizei, für die Sicherheit zu sorgen. Ausserdem dürfen polizeiliche Aufgaben, zu denen beispielsweise die Ausübung von Zwang gehört, «ausschliesslich Sache der Polizei» sein.

«Sicherheitsassistenten sind keine Drittpersonen, sondern Polizeiangehörige mit einer an ihre Aufgabe angepassten, kürzeren Ausbildung.»

Reto Ruhstaller, kantonales Justiz- und Sicherheitsdepartement

Markus Husmann sagt: «Die Frage ist, ob Sicherheitsassistenten und -assistentinnen die Funktion von ‹Polizisten› übernehmen können und beispielsweise gefesselte Gefangene zuführen oder physischen Zwang ausüben dürfen. Das ist meines Erachtens abzulehnen.» Er sieht das Problem bei den unvorhersehbaren Situationen: «Was passiert zum Beispiel, wenn es erhebliche Probleme bei einem Gefangenentransport gibt?» Dann würden nicht qualifiziert ausgebildete Sicherheitsassistenten gezwungen, Polizeidienst zu verrichten – und das wäre rechtsstaatlich höchst problematisch.

Dass die Situationen ein Gefahrenpotenzial bergen würden, davon sei auszugehen. «Darum braucht es ja den polizeiähnlichen Schutz», sagt Husmann. Ausserdem sei es problematisch, dass die Aufgaben nicht klar und abschliessend definiert sind: «Es ist aufgrund des Gesetzes nicht auszuschliessen, dass künftig bewaffnete Assistenten zum Beispiel einen Fanmarsch oder eine Demonstration begleiten.»

Regierung steht hinter Sicherheitsassistenten

Reto Ruhstaller vom kantonalen Justiz- und Sicherheitsdepartement sieht im Urteil des Bundesgerichts kein Problem für die Einführung der Sicherheitsassistenten. «Sicherheitsassistenten sind keine Drittpersonen, sondern Polizeiangehörige mit einer an ihre Aufgabe angepassten, kürzeren Ausbildung.» Ausserdem seien Sicherheitsassistenten bereits seit einiger Zeit in anderen Kantonen im Einsatz.

«Wir werden sicher ein genaues Augenmerk auf den Aufgabenbereich der Sicherheitsassistenten haben.»

Ludwig Peyer, CVP-Fraktionschef

Dass das Bundesgerichtsurteil zum Polizeigesetz die politische Unterstützung seitens der Parteien für das Vorhaben schmälert, glaube er kaum. «Wir sehen keinen Zusammenhang zwischen dem Bundesgerichtsurteil und den Sicherheitsassistenten», so Ruhstaller, «deshalb glauben wir auch nicht, dass sich aufgrund dessen die Einstellungen der Parteien ändern könnten.»

Man dürfe nicht Äpfel mit Birnen verwechseln: «Das Bundesgerichtsurteil nimmt nur Stellung zur Kostenabwälzung auf Veranstalter.» In diesem Rahmen werde erklärt, dass der Kanton vom Veranstalter keine polizeilichen Handlungen erwarten dürfe.

CVP beäugt Aufgabenbereich skeptisch

Dass man den Kanton vor Gericht zurechtweisen kann, haben die DJL mit dem Urteil vom Januar gezeigt. Ob die Juristenvereinigung auch gegen die Sicherheitsassistenten rechtliche Schritte einleiten will, dazu wolle man sich erst äussern, wenn klar sei, wie das neue Polizeigesetz konkret aussehe.

«Wenn sich die Politik nur an geltendes Recht hält, würde sich nichts ändern.»

Charly Freitag, Präsident der Kommission Justiz und Sicherheit

Noch ist es nicht so weit, die Vorlage ist in der Vernehmlassung. Letzten Herbst stellten sich die bürgerlichen Luzerner Parteien hinter die Vorlage – mit Vorbehalten. «Wir werden sicher ein genaues Augenmerk auf den Aufgabenbereich der Sicherheitsassistenten haben», sagt CVP-Fraktionschef Ludwig Peyer. Der Gerichtsentscheid beeinflusse aber die Meinung der Partei nicht wesentlich. Auch er teilt Ruhstallers Sicht: «Man kann sich auf den Standpunkt stellen, dass Assistenten immerhin Angehörige der ‹offiziellen› Polizei sind und nicht einfach private Mitarbeiter.»

Freitag: «Urteil führt zu neuem Stand der Dinge»

Charly Freitag, Präsident der Kommission Justiz und Sicherheit (JSK), sagt hingegen: «Das Bundesgerichtsurteil führt zu einem neuen Stand der Dinge.» Er führt weiter aus, dass die Politiker sich nicht einschüchtern lassen werden vom Bundesgerichtsurteil: «Die Politik darf sich nicht zu fest in Ketten legen lassen von der gerichtlichen Gesetzesauslegung.» Als Blamage könne eine Niederlage vor Bundesgericht seiner Meinung nach nicht gelten.

Freitag meint, so funktioniere eben das System: Die Politik verändere die Gesetze, die Gerichte wenden diese an und prüfen die Vereinbarkeit mit übergeordnetem Recht. «Wenn sich die Politik nur an geltendes Recht hält, würde sich nichts ändern», so Freitag. Man müsse aber die Vernehmlassung abwarten, bevor man etwas zur Vorlage sagen könne.

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