Alpineum-Bar feiert 5-jähriges Jubiläum

«Nur eine Mediation hat uns den Arsch gerettet»

Silas Zemp, Simon Tanner und Kevian Steiner (von links) sind die drei Geschäftsführer des Alpineums. Julia Furrer ist Teilhaberin an der Gelateria dell' Alpi und kümmert sich mit Steiner aktuell um das Crowdfundingprojekt für «Sama Sama». (Bild: ybi)

Ein Restaurant, ein Festival, eine Gelateria, ein Catering, ein Nachtclub und jetzt auch noch ein Crowdfunding – am Alpineum-Team kommt man in Luzern seit fünf Jahren nur schwer vorbei. Noch vor einem Jahr hätten sie fast alles hingeschmissen, jetzt bauen sie ihr Lokal sogar aus.

Auf den Tag genau vor fünf Jahren, an der Programm-Verkündung des B-Sides-Festivals, wurde im Alpineum das erste Bier gezapft. Was danach folgte, ist eine kleine gastronomische Erfolgsgeschichte «Made in Lucerne», die nicht ohne Drama und Neider auskommt.

Doch von Anfang an: Vorbeitrottende Touristen, Souvenirshops und ein sterbender Löwe. – «Es war ein für Stadtluzerner wenig beliebter Ort in der Luzerner Altstadt, wo niemand etwas machen wollte», erinnert sich Kevian Steiner, einer der drei Teilhaber. 

Er und sein Jugendfreund Silas Zemp klopften bereits vor zehn Jahren beim Besitzer des Alpineums, Daniel Hodel, an. Steiner kannte ihn aus Pfadizeiten und wusste, dass er von einem Museumscafe im Erdgeschoss des geschichtsträchtigen Gebäudes, gleich beim Löwendenkmal, träumte. «Er hätte die Räume auch an ein Uhrengeschäft vermieten können, doch er wollte etwas mit jungen Leuten machen», so Steiner.

Bis es aber so weit war, sollte es noch weitere fünf Jahre dauern. Steiner besuchte inzwischen die Hotelfachschule, Zemp schmiss die Bar im Bourbaki. Hodel glaubte an die Konzeptidee seiner Schützlinge: ein rauchfreies Bistro mit Focaccia am Mittag, das sich am Abend in eine Raucherbar verwandelt. Hodel finanzierte den Umbau und gestaltete diesen nach seinen Vorstellungen, während Steiner und Zemp für das Interieur und das gastronomische Angebot verantwortlich waren.

Foodevents statt Foodwaste

Mit Simon Tanner stiess 2013, ein Jahr nach der Eröffnung, der dritte Geschäftspartner zum Team. Seine täglich wechselnden Mittagsmenüs bildeten das kulinarische Fundament, auf dem sie Foodevents wie den «Big Bang Burger Sunday» oder das English Breakfast aufbauen konnten.

«Ich kreiere die Menüs spontan und nach Angebot und bin stolz darauf, dass wir praktisch keinen Foodwaste betreiben und die Reste stattdessen im Menü am Folgetag weiterverarbeiten», erzählt Tanner.

Einzig die Gebäcke stammen nicht aus seiner Küche, sondern aus der von Zemps Mutter. Am beliebtesten bei den Gästen sind Klassiker wie Hackbraten oder Fleischkäse. «Absolut abgefeiert werden auch Thai (Friday Thaiday), Moules & Frites oder Entrecôte, wobei wir uns machmal auch etwas mehr Experimentierfreudigkeit von den Gästen wünschen», sind sich die drei einig.

Alpineum allüberall

Im Sommer 2013 führten sie auf dem Vorplatz des Löwendenkmals erstmals das «Invictis Pax»-Festival durch (zentralplus berichtete). Im Frühling 2014 starteten sie mit der Gelateria dell› Alpi ein Angebot mit hausgemachten italienischen Gelati und eröffneten mit der Tamilenschule einen Nachtclub in einer Zwischennutzung im Tribschenquartier.

Wir haben uns auch nie einen grossen Lohn ausgezahlt und das Geld immer in weitere Projekte gesteckt.
Kevian Steiner

«Rückblickend war das eine sehr anstrengende Zeit. Wir haben immer sieben Tage gearbeitet», erinnert sich Steiner. «Wir haben nicht damit gerechnet, dass die Tamilenschule so grossen Anklang findet, und so wurden aus den ursprünglich geplanten drei Monaten zwei Jahre», erzählt Tanner. «Wirklich entspannt hat sich die Situation erst, als uns die CSS gekündigt hat und wir die Tamilenschule schliessen mussten», fügt Zemp an (zentralplus berichtete).

«Eine Geschäftsbeziehung ist wie eine Ehe»

Die berufliche Dauerbelastung stellte auch die Freundschaft auf die Probe: «Eine Geschäftsbeziehung ist wie eine Ehe. Man muss miteinander reden, sonst verhärten sich die Fronten», sagt Steiner. Für die Betreiber ist das Alpineum eine Herzensangelegenheit, was die Emotionen, von unterschiedlichen Auffassungen befeuert, schnell hochkochen lässt. Zeitweise war die Situation zwischen den Partnern so angespannt, dass sie kurz davor waren, alles hinzuschmeissen. «Nur eine Mediation mit einem externen Berater hat uns geholfen. Das hat uns den Arsch gerettet», gesteht Simon Tanner.

Das war letzten Sommer. In mehreren Sitzungen haben sie sich zusammengerauft und wieder den Zugang zueinander gefunden. Daraus haben sie ihre Schlüsse gezogen: Steiners Freundin, Julia Furrer, die bis anhin für Marketing und Kommunikation und für die Gelateria zuständig war, sollte mit Tanner und Steiner Teilhaberin der Gelateria werden.

Der finanzielle Erfolg der Gelateria beim Helvetiaplatz liess zu Beginn auf sich warten. «Sie hatte anfangs einen schweren Stand, lag dem Alpineum auf der Tasche und musste quersubventioniert werden», so Steiner. Also machte man Nägel mit Köpfen, gründete eine GmbH und schenkte dem Projekt mehr Aufmerksamkeit.

Zweiter Gelateria-Standort eröffnet im Frühling 

Die Anstrengungen tragen Früchte, auch wenn man noch nicht da angelangt ist, wo man hinmöchte. Das könnte sich jedoch bald ändern. Der nächste Schritt ist die Übernahme des Kiosks oberhalb des Alpineums, der zum zweiten festen Gelateria-dell›-Alpi-Standort umgebaut wird und diesen Frühling seine Tore öffnet.

Inzwischen ist auch die Balance zwischen Freundschaft und Arbeit wieder hergestellt. «Was gibt es Schöneres, als mit Jugendfreunden etwas auf die Beine zu stellen? Auch wenn du sie manchmal auf den Mond schiessen könntest», sagt Zemp und lacht. Das Alpineum sei wie eine grosse Familie, betonen die drei immer wieder und man merkt, dass sie diese nicht missen möchten.

Das Alpineum, ein Hipsterladen?

Das Alpineum gilt als Hipsterlokal. Zu Recht? «Die Menschen haben das Bedürfnis zu kategorisieren. Wir machen immerhin etwas, das den Zeitgeist widerspiegelt. Und Hipster kommt ja schliesslich von hip. Wir sind jung, tätowiert und verfolgten Trends. Doch wir sind kein elitärer Hipsterschuppen», sagt Silas Zemp. 

Gastronomische Trends haben sie etwa mit den flexiblen Öffnungszeiten gesetzt, die von anderen Lokalen adaptiert wurden, und sie waren die ersten, die «Latte Art», Milchschaum mit kunstvollen Verzierungen, gemacht haben. 

Wo sind die Hipster? Illustriert im Luzerner Wimmelbuch von Amadeus Waltensühl (vatter&vatter).

Wo sind die Hipster? Illustriert im Luzerner Wimmelbuch von Amadeus Waltensühl (vatter&vatter).

«Uns war es wichtig, den Leuten die Kaffeekultur und andere Innovationen näherzubringen, die wir im Ausland kennengelernt haben und die in der Stadt fehlen. Viele unserer Freunde zogen deshalb nach Zürich, aber wir entschieden uns, diesen Spirit nach Luzern zu holen», sagt Steiner, und Zemp ergänzt: «Wir haben immer da angesetzt, wo wir Nischen gesehen haben, und haben diese dann bespielt.»

Wir sind jung, tätowiert und verfolgten Trends. Doch wir sind kein elitärer Hipsterschuppen.
Silas Zemp 

Das Catering entstand beispielsweise auch auf diesem Weg. «Wir haben uns auch nie einen grossen Lohn ausgezahlt und das Geld immer in weitere Projekte gesteckt», erklärt Steiner. Trotzdem können sie nicht abstreiten, dass das Schubladendenken sie nervt und sie sich einen besseren «intergastronomischen Zusammenhalt» wünschen.

Aus der Gerüchteküche

Das schrägste Gerücht, das ihnen bislang zu Ohren gekommen sei, sei, dass sie eine Schwulenbar seien, weil anfangs nur junge Männer dort gearbeitet haben. «Wir sind herzlich zueinander und nehmen uns auch mal in den Arm», sagt Steiner. So trifft es der Spruch eines Freundes, «Ihr seid die schwulsten Heteros, die ich kenne», doch ziemlich gut.

Besagte Unwahrheiten gehören jedoch noch zu den leichteren Kalibern. Sie mussten auch schon erfahren, dass mutwillig böse Falschinformationen über sie gestreut wurden, bei denen der Spass aufhört.

Allen Neidern zum Trotz macht das Team weiter, und der Erfolg gibt ihnen Recht. «Dass das Alpineum gut besucht ist, liegt neben der Qualität des Angebots auch an der überschaubaren Grösse des Lokals», erklärt Steiner. Auch das Catering laufe gut. «Wir lieben Hochzeiten – am liebsten zwei gleichzeitig», scherzen die drei. Auch an neuen Ideen mangelt es nicht. Doch wissen sie heute besser als früher, dass diese immer einen «Rattenschwanz» nach sich ziehen.   

Von der Schnapsidee zum Crowdfunding  

In der Clubszene geboren, soll nun der erste frische Ingwerlikör «Sama Sama» gross rauskommen. «Es war eine Schnapsidee, an der alle Freude hatten», erinnert sich Steiner an die Anfänge in der Tamilenschule. Bis anhin haben er und seine Freundin Julia Furrer das Getränk in der eigenen Küche produziert und an ausgewählte Bars verkauft. Nun wollen sie einen Schritt weiter gehen und sich professionalisieren. 

 

20’000 Franken wollen sie durch Crowdfunding einnehmen, um Zutaten, Gebinde und einen grösseren Produktionsstandort zu beschaffen. Die Gönner erhalten, je nach Betrag, eine Flasche Sama Sama, eine Einladung zum Curry-Abend oder einen Trip nach Indien, um dort die Kooperative, die den fruchtigen Ingwer herstellt, mit ihnen zu besuchen.

Nachhaltigkeit gibt es im Spirituosenbereich bis anhin praktisch nicht.
Kevian Steiner

Faire Arbeitsbedingungen und nachhaltiger Anbau sind den beiden wichtig: «Das gibt es im Spirituosenbereich bis anhin praktisch nicht», gibt Steiner zu bedenken. Auch wollen sie bewusst keinen gebrannten Likör herstellen, sondern frischen Ingwersaft verwenden.

Teilen ja, zahlen nein?

Das Video zu ihrer Crowdfunding-Kampagne läuft auf den sozialen Medien rauf und runter. Der Cashflow lässt allerdings noch etwas auf sich warten. Bis heute haben sie ein Viertel des Ziels erreicht. «Ich fühle mich wie vor einer Prüfung, für die ich zu wenig gelernt habe. Obwohl die Arbeit schon ein halbes Jahr vorher angefangen hat», beschreibt Steiner seine Gefühle. Auch Furrer dachte, dass es schneller gehen würde. Möglicherweise ist Alkohol kein einfaches Produkt für ein Crowdfunding. 

Auf die Frage, was sie bei einem Misserfolg tun würden, winken sie ab. «Wir bleiben positiv und euphorisch», so Steiner. Furrer ergänzt: «Es ist nicht nur der Cash, der am Ende zählt, es ist schon cool, wenn die Leute Sama Sama mit dem Ingwerlikör verbinden.»

Drei Fragen an die drei Geschäftsführer 

Würdet ihr wieder einen Nachtclub führen?
Ja, aber unter anderen Bedingungen. Der Ort ist dabei ausschlaggebend. Wir suchen nicht verkrampft nach einer zweiten Tamilenschule.

Wie nehmt ihr die Luzerner Gastroszene wahr?
Das Angebot ist viel grösser als noch vor 5 Jahren. Wir unterstützen das, finden aber Cafés wie das von Bachmann oder Dr. Oetker unnötig. Gerne gehen wir ins Hinicht, in den Karel Corner, ins Barbes, ins Houdini, in den Hopfenkranz, ins Casa Tolone, ins 3 Könige oder ins Bodu.

Beschreibt euch doch mal gegenseitig in drei Aspekten.
Simon: kann nicht nein sagen, Survivor-Typ, loyal (wie sein Hund)
Silas: zickig, launisch, aber genial, guter schwarzer Humor (könnte eigentlich Engländer sein)
Kevian: grössenwahnsinnig, Kommunikationsbestie, unerschöpflicher Ideenreichtum (was davon umsetzbar ist, ist eine andere Frage)

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