Erbstreit beschäftigt das Luzerner Kantonsgericht

Millionärswitwe wehrt sich gegen schwere Vorwürfe

Im Luzerner Kantonsspital wurde beim Millionenerben Anfang August 2008 ein Lungentumor entdeckt, kurze Zeit später verstarb er.

(Bild: Emanuel Ammon/AURA)

Sie habe nichts falsch gemacht, behauptete diesen Donnerstag eine Ärztin vor dem Luzerner Kantonsgericht. Sie wird beschuldigt, die Krebserkrankung ihres Ehemannes nicht erkannt und damit den Tod des Millionenerben in Kauf genommen zu haben. Ihre Stiefkinder wollten ihr etwas andichten – des Geldes wegen.

Hätte der überraschend schnelle Krebstod des Megger Kunstmalers und Millionenerben Christoph Dornier verzögert werden können? Mit dieser Frage beschäftigte sich diesen Donnerstag das Luzerner Kantonsgericht.

Der Fall bietet juristisch und zwischenmenschlich ziemlichen Zündstoff. 2008 verstarb Dornier, Erbe eines deutschen Flugzeugpioniers, innert weniger Tage, nachdem ein Lungentumor bei ihm diagnostiziert wurde. Zwei seiner Kinder aus erster Ehe werfen seiner dritten und damaligen Ehefrau vor, dass sie ihn im Stich gelassen hat, weil sie als ausgebildete Ärztin seine Krankheitssymptome nicht erkannt und entsprechend gehandelt habe (zentralplus berichtete).

Brisant ist der Gerichtsfall, weil die Witwe bei einer allfälligen Verurteilung wegen vorsätzlicher Tötung ihren beträchtlichen Anteil am auf 100 Millionen Franken geschätzten Erbe verlieren würde. Die Frage war also: Hat die Ehefrau bewusst ignoriert, dass ihr Mann einen Arzt braucht – und damit seinen Tod in Kauf genommen, um schneller ans Erbe zu kommen? Oder wollen ihr die Stiefkinder im Nachhinein etwas anhängen, damit ihnen mehr Geld bleibt? Diese zwei total widersprüchlichen Szenarien zeichnen die beiden Seiten in diesem Fall.

In erster Instanz schenkte das Kriminalgericht im November 2015 der Ehefrau mehr Glauben: Es sprach sie von allen Vorwürfen frei. Dagegen legten die Privatkläger und die Staatsanwaltschaft Berufung ein.

«Sie wollen mir etwas andichten»

Diesen Donnerstag äusserte die inzwischen 56-jährige Witwe bei der Befragung vor Kantonsgericht ihre Sicht der Dinge. Und diese widerspricht derjenigen ihrer Stiefkinder diametral. «Die Privatkläger wollen 100 Prozent des Erbes, darum versuchen sie mir seit neun Jahren etwas anzudichten», sagte sie mit brüchiger, tränenerstickter Stimme. Ihr gehe es psychisch und physisch schlecht, die Vorwürfe würden an ihren Nerven zehren. Ihr Anwalt sprach von einem «eigentlichen Albtraum», den seine Mandantin seit dem Tod ihres Mannes durchlebe.

Ihrem Ehemann sei es im Frühsommer 2008 «gesundheitlich sehr gut» gegangen. Er habe eine grosse Kunstausstellung vorbereitet und sei viel unterwegs gewesen – was er sicher nicht hätte tun können, wenn es ihm so schlecht gegangen wäre, wie von der Gegenseite behauptet. Die Staatsanwaltschaft ihrerseits kam nämlich zum Schluss, dass Christoph Dornier spätestens seit Anfang Juli mit offensichtlichen Beschwerden zu kämpfen hatte, unter anderem mit andauerndem Husten und Atemnot.

«Nein, ich habe in keinster Weise falsch gehandelt.»

Die Beschuldigte

Klar habe sie seinen Husten bemerkt, sagte die Witwe bei der Befragung diesen Donnerstag. Sie sei davon ausgegangen, dass es eine banale Sommergrippe sei. Über Atemnot hingegen habe er nie geklagt. Noch im Juli 2008 unternahm das Ehepaar eine Reise ins Tessin. Dort stellte sie bei ihrem Mann dann eine Schwellung oberhalb des Brustkorbes fest – und ging von einer Lungenentzündung aus. Zurück in Luzern stellte sich dann heraus, dass er an Lungenkrebs leidet. Zehn Tage nach der Diagnose verstarb er im Alter von 69 Jahren.

Hat er gehustet oder nicht – das ist in diesem Fall also die Millionenfrage. Für den Verteidiger stand eindeutig fest, dass die damalige Ehefrau die Symptome gar nicht habe erkennen können, weil es keine gegeben habe. Auch sie selber hatte eine klare Antwort auf die Frage, ob sie etwas falsch gemacht habe: «Nein, in keinster Weise.» 

Ein von Ängsten geplagter Mann

Die Gegenseite zeichnete natürlich ein ganz anderes Bild: jenes einer Frau, die über eine Internetpartnerbörse einen reichen, über 20 Jahre älteren Schweizer kennenlernt, dessen Einsamkeit und Ängste erkennt und geschickt ausnutzt. Wie Staatsanwältin Andrea Tresch und die beiden Anwälte der Privatkläger ausführten, erlitt der Verstorbene zeitlebens Panikattacken und hatte grosse Angst vor Krankheiten und vor dem Tod. «Trotz Millionenerbe hatte er kein leichtes Leben», so Urs Rudolf, Anwalt des Privatklägers, in seinem Plädoyer.

Der Spross der deutschen Industriefamilie sei daher stolz gewesen, eine Ärztin zur Frau zu haben. Er habe darauf vertraut, dass sie zu ihm schaue. Die Witwe hingegen bestreitet, dass sie je seine Ärztin war oder ihr Ehemann das so gesehen habe.

Speziell ist der Fall nicht nur wegen des familiären Dramas, sondern auch juristisch. Das Gericht hat nicht wie üblich darüber zu befinden, ob die Angeklagte etwas getan hat, sondern ob sie etwas hätte tun müssen. Diese letztlich hypothetische Frage – und das hat sich am Donnerstag am Kantonsgericht gezeigt – provoziert Dutzende «hätte, wäre, müsste, dürfte». Glasklare Fakten blieben Mangelware.

Zwei gegensätzliche Bilder

Nicht nur widersprechen sich die Behauptungen von Involvierten, die Befragten sind teilweise auch miteinander verbandelt. So gaben beispielsweise die Aussagen des damaligen Haushälterehepaares viel zu reden. Sie nehmen eine zentrale Rolle ein, der Verteidiger sprach gar von «angeblichen Kronzeugen». Das Kriminalgericht zweifelte in seinem Urteil 2015 an der Glaubhaftigkeit ihrer Aussagen.

«Die angeblichen Kronzeugen standen unter massiver Beeinflussung durch die Privatkläger.»

Verteidiger Christoph Hohler

Ein Punkt, der diesen Donnerstag auch am Kantonsgericht zu reden gab. Nicht bestritten wird, dass von Seiten der Privatkläger 30’000 Franken aufs Konto des ehemaligen Haushälterehepaares floss. Ob als offene Lohnforderung oder um sie für ihre Beweisführung zu instrumentalisieren – darüber gingen die Meinungen auseinander.

Beide Seiten haben private Gutachten erstellen lassen, um ihre Argumente zu untermauern. Was folgte, war ein juristisches Ping-Pong. Verteidiger Christoph Hohler sprach von einem «Komplott» gegen die Witwe, den die Privatklägerin zusammen mit dem Haushälterehepaar ausgeheckt habe. «Sie standen unter massiver Beeinflussung durch die Privatkläger», behauptete Verteidiger Christoph Hohler. Das stritten die Anwälte der Privatkläger und die Staatsanwältin vehement ab. Sie hingegen charakterisierten die Beschuldigte als berechnende, gierige Frau, die sich nun als Opfer einer Intrige darstelle.

Welche Argumente letztlich besser stechen, muss nun das Kantonsgericht entscheiden. Die Staatsanwältin forderte im Falle der Aussetzung drei Jahre Haft, davon eines unbedingt und im Falle der vorsätzlichen Tötung durch Unterlassen eine unbedingte Freiheitsstrafe von sechs Jahren. Der Verteidiger hingegen plädierte auf einen Freispruch. Das Urteil wird zu einem späteren Zeitpunkt eröffnet.

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