Jacqueline Straub auf ihrer eigenen Mission

Luzernerin will erste katholische Pfarrerin werden

Jung, modern und gläubig – dass dies kein Widerspruch ist, beweist Jacqueline Straub.

(Bild: jal)

Die katholische Kirche ist eine der letzten Bastionen des Patriarchats. Dagegen kämpft Jacqueline Straub an: Die 26-Jährige will katholische Pfarrerin werden. Dass sie dafür Kritik einstecken muss, schreckt sie nicht ab, ganz im Gegenteil: Sie setzt stattdessen für einen modernen Glauben – mit Rosenkranz-App, einem Verlobten und viel Gottvertrauen.

Jacqueline Straub hat eine Mission: Sie will katholische Priesterin werden. Und das heisst: Sie muss die katholische Kirche revolutionieren. Dafür kämpft die 26-jährige Luzernerin seit fünf Jahren. Im Februar ist ihr zweites Buch zum Thema, «Endlich Priesterin sein!», erschienen.

Es ist kein einfacher Kampf, den sich die junge Frau auf die Fahne geschrieben hat. Denn bislang ist der Fall klar: Die Priesterweihe steht nur Männern offen. «Es ist eine Ungerechtigkeit, dass Frauen aufgrund verschrobener und theologisch unhaltbarer Argumente von der Priesterweihe ausgeschlossen sind», sagt Straub, die seit kurzem in der Luzerner Altstadt wohnt. Sie fühle sich zur Priesterin berufen. «Es ist wie eine Flamme, die nicht mehr weggeht. Etwas in meinem Herzen sagt mir: Mach dich auf den Weg.»

Das wurde ihr aber nicht in die Wiege gelegt. Aufgewachsen ist Straub in Süddeutschland, ihre Eltern waren katholisch, aber nicht streng gläubig. Der Sinneswandel folgte als junge Erwachsene. Im Alter von 15 Jahren lernte Jacqueline Straub ein Mädchen kennen, das einer Freikirche angehörte. «Sie sprach so lebendig über Gott, das hat mich angesprochen.» Kurz darauf reiste sie mit ihr in ein Sommer-Jugend-Camp: Jeden Tag beten, lesen, singen. Nein, keine Indoktrination, sagt Straub. Vielmehr habe sie sich in diesem Lager zurückgezogen, viel gelesen und gebetet. «Da ist etwas in mir entstanden: Ich habe gespürt, dass Gott etwas mit mir vorhat.» Es war der Wendepunkt.

Böse, konservative Zungen

Für Straub ist klar, dass ein guter Pfarrer keine Frage des Geschlechts ist. «Man muss die Leute im Herzen berühren und die Sprache der Menschen sprechen.» Und gerade in Europa brauche es dringender denn je eines: coole Pfarrer – und Pfarrerinnen.

«Viele Menschen haben ihre Gründe, wieso sie nicht glauben können.»

Damit das möglich wird, tritt Straub in Fernsehshows auf, gibt Interviews und hält Vorträge. Ihr unermüdlicher Kampf für das Frauenpriestertum ruft natürlich auch Kritiker auf den Plan, insbesondere aus konservativen Kreisen. Aber auch von «Hard-Core-Atheisten», den Zeugen Jehovas oder radikalen Muslimen erhält sie ab und an ein böses Mail. Inzwischen gehe sie damit ganz locker um, sagt die Theologin. Zum Schweigen bringen sie Straub nicht, im Gegenteil, sie lässt sich den Mund nicht verbieten.

Jacqueline Straub in der Jesuitenkirche Luzern, wo sie gerne hingeht, um zu beten.

Jacqueline Straub in der Jesuitenkirche Luzern, wo sie gerne hingeht, um zu beten.

(Bild: jal)

Denn wie sich ein blaues Auge anfühlt, weiss Jacqueline Straub. Sie steht regelmässig im Boxring – auch in Luzern. «Viele im Boxclub sagen: Die katholische Kirche hat deinen Einsatz nötig.» Ein Thema sei ihr Glaube im Verein nicht. Sowieso: Das Missionarische ist keineswegs ihre Sache. Ihre beste Freundin ist Atheistin und das sei gut so. «Viele Menschen haben Gründe, wieso sie nicht glauben können.» Sie könne beispielsweise gut verstehen, dass eine Frau, die ihr Baby verliert, mit Gott hadere.

Kritische Fragen keimen auch in Jacqueline Straub hin und wieder auf. «Wenn in Syrien wieder unzählige Kinder sterben, frage ich mich auch: Mein Gott, wieso lässt du das zu, verdammt?» Eine Frage, auf die auch sie keine abschliessende Antwort hat. Es reicht ihr zu wissen, dass Jesus am Kreuz ebenfalls gelitten hat. «Gott weiss, wie sich das Leid in der Welt anfühlt, das gibt mir Kraft.» Man merkt, dass Jacqueline Straub das theologische Rüstzeug hat, um Grundsatzfragen nicht einfach vom Tisch zu wischen. Seitdem sie im Sommer 2016 ihr Theologiestudium an der Uni Luzern abgeschlossen hat, arbeitet Jacqueline Straub als Katechetin in Egolzwil und Wauwil. «Es gehört dazu, Gott manchmal zu hinterfragen und am eigenen Glauben zu zweifeln. Wer das nicht tut, hat einen Kindheitsglauben.» 

Die Sache mit dem Verlobten

Nach Luzern gekommen ist sie für das Masterstudium an der Universität, wo sie auch ihren Freund kennenlernte, mit dem sie inzwischen verlobt ist. Doch halt: Ehe und Priestertum, da war doch was? Jacqueline Straub lacht und sagt: «Das Zölibat wird aufgehoben, bevor Frauen Priesterinnen sein können, davon bin ich überzeugt.»

«Wenn die Kirche das Frauenbild aufwerten würde, nähme die Ungerechtigkeit in vielen Ländern ab.»

Das Zölibat, der Umgang mit Geschiedenen, mit Homosexuellen: Noch manch andere verstaubte Ansicht der Kirche ist auch Jacqueline Straub fremd. Und trotzdem glaubt sie an den Wandel. «Es geht halt langsam. Man muss der Kirche Zeit lassen, sie macht es nicht schlecht.»

Der einfachste Weg, als Frau Pfarrerin zu werden, wäre indes, zur evangelischen Kirche überzutreten. Doch für Straub ist das keine Option: «Die römisch-katholische Kirche ist der Ort, wo ich hingehöre – da fühle ich mich wohl.» Zudem habe die katholische Kirche die Veränderung «bitter nötig».

Natürlich kämpft sie für ihre persönliche Berufung, aber nicht nur. «Wenn die Kirche das Frauenbild aufwerten würde, nähme die Ungerechtigkeit in vielen Ländern ab.» Denn gerade in Afrika passe sich die Gesellschaft häufig der Kirche an, sprich: Werden sie in der Kirche diskriminiert, gilt die schlechtere Behandlung von Frauen auch im Alltag als akzeptabel.

Aber ist die Idee, den Tanker der katholischen Kirche auf einen neuen Kurs zu bringen, nicht naiv oder anmassend? «Nein», sagt Jacqueline Straub unbeeindruckt. «Es gab schon immer Veränderungen in der katholischen Kirche – und jene, die sie angestossen haben, wurden zu ihrer Zeit auch als dumm und naiv bezeichnet.» Sie nennt den Heiligen Franziskus von Assisi als Beispiel.

Bibel hören beim Joggen

Jacqueline Straub läuft nicht wie eine Nonne oder ein Mauerblümchen durchs Leben. Sie benutzt Worte wie «mordsmässig», «relaxen» oder «saugeil» und würde in ihren Jeans, der roten Bluse und den Lederstiefeln in keiner hippen Szenebar aus dem Rahmen fallen. Man fragt sich: Jung, modern und gläubig – wie geht das zusammen?

Jacqueline Straub lacht; sie kennt die gängigen Klischees und weiss, dass die meisten Leute in ihrem Alter mit Religion nichts anfangen können. Sie selber empfand die Kirche am Anfang als weltfremd. Gerade deshalb will sie eine andere Version davon verkörpern. Auf ihrem Smartphone hat sie eine Rosenkranz-App installiert, die einem sagt, bei welcher Perle welches Gebet angezeigt ist. Beim Joggen hört sie via Hörbuch die Bibel. Sie betreibt gemeinsam mit einem reformierten Pfarrer die Online-Plattform preacher.news, um den Landeskirchen einen jungen Touch zu verleihen. «Gerade die Freikirchen zeigen mit ihren Grossevents, dass man Junge für den Glauben begeistern kann – obwohl diese teilweise eine strengere Sexualmoral predigen als die Kirche.» Von deren Marketing könne die katholische Kirche einiges lernen, glaubt sie. 

Diesen Sommer hat Jacqueline Straub in Luzern ihren Master in Theologie abgeschlossen.

Diesen Sommer hat Jacqueline Straub in Luzern ihren Master in Theologie abgeschlossen.

(Bild: jal)

Die 26-Jährige spricht mit derselben Begeisterung von Gott, die Gleichaltrige für eine gute Band, einen erfüllenden Job oder ein spannendes Hobby empfinden. Besteht da ein Unterschied? Jacqueline Straub hält kurz inne und holt dann aus: «Früher wollte ich unbedingt einen Chevrolet Chevelle, heute ist dieser Traum schon viel kleiner. Aber der Glaube an Gott ist konstant und macht mir permanent Freude.» Sie, die keinen Alkohol trinkt, könne auf Partys wild tanzen, während andere zuerst fünf Wodka-Shots brauchen. «Da wurde ich schon oft gefragt: Was nimmst denn du? Nun: Meine Droge ist Jesus Christus.»

Die Gewissheit

Das mag in manch ungläubigen Ohren seltsam klingen. Wenn Jacqueline Straub zu einer Erklärung für ihren Glauben ansetzt, weiss sie wohl selber, dass sie «ihr Feuer» nicht so einfach weitergeben kann. Denn letztlich handelt es sich um ein Gefühl, das auch mit Metaphern nicht restlos fassbar wird. Und womöglich um einen Sinn, den wohl jeder im Leben sucht, aber nicht alle am selben Ort finden. «Mir gibt der Glaube die Gewissheit, dass da jemand ist, der es gut meint mit mir», sagt sie.

Und daraus zieht Jacqueline Straub die Kraft, die sie braucht, um gegen alle Widerstände für das Frauenpriestertum einzustehen. Dass ihr Kampf dafür «noch ein paar Jährchen» dauern wird, dessen ist sie sich bewusst. «Aber ich weiss, ich schaffe es.»

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