Schöner wohnen im Menzinger Bauwagen

Leben und träumen auf 16 Quadratmetern

Gar nicht so klein: Der Wagen, in dem Weibel und Michel wohnen, ist erstaunlich geräumig.

(Bild: wia)

Ein Paar sehnt sich nach einem einfachen Leben und hat den Rückzug in Zugs Hügellandschaft angetreten. Aurelio Weibel und Sophie Michel wohnen dort seit einem Jahr in einem liebevoll umgestalteten Bauwagen. Auch wenn der seine Tücken hat. Vor allem, wenn man fliessendes Wasser mag.

Ob ich gedenke, mit dem Auto zu kommen, fragt Aurelio Weibel vor unserem Interviewtermin. Er sei sich nämlich nicht sicher, ob man mit dem Auto hinaufkomme bis zum Bumbach-Hof in Menzingen. Es liege ziemlich viel Schnee.

Glücklicherweise wird die Strasse vor dem Termin geräumt, die Zufahrt zum Hof ist schnee- und eisfrei. Nicht nur bei der Zufahrt zum eigenen Zuhause spüren Aurelio Weibel und Sophie Michel den Winter. Die zwei Zuger wohnen in einem umgenutzten Bauwagen, der auf dem Bumbach-Hof steht. 16 Quadratmeter für zwei Leute. Warum entscheidet man sich bewusst für solch eine Lebensweise? Um das herauszufinden, bin ich hier.

Überraschende Übersicht im Bauwagen

Ein paar Fussspuren führen durch den Tiefschnee zum Wagen hin, kaum klopfe ich, öffnet sich die Tür. Nur schnell hinein in die Wärme. Und damit auch in die Enge? Ich staune, wie geräumig der Wagen von innen wirkt. Er ist aufgeräumt und übersichtlich, man kommt gut aneinander vorbei.

Sophie Michel steht in der Küche, und damit auch gleichzeitig im Gang und im Esszimmer. Sie hat bereits Teewasser aufgesetzt und holt winziges Porzellan-Teegeschirr aus dem Regal. Während ich am Kräutertee nippe, blicke ich mich um. Zuhinterst hat das Paar eine etwas erhöhte, fensterlose Schlafnische eingerichtet, welche von indirektem LED-Licht erhellt wird. Dann gibt es einen eher bescheidenen Kleiderschrank, den beide teilen, eine Küchengarnitur mit Gasherd, einen herunterklappbaren Tisch, eine Dusche und ein Lavabo.

Teetrinken und auf den Frühling warten. Oder zumindest darauf, dass das fliessende Wasser wieder funktioniert.

Teetrinken und auf den Frühling warten. Oder zumindest darauf, dass das fliessende Wasser wieder funktioniert.

(Bild: wia)

Gefrorene Wasserleitungen erschweren das Leben

«Eigentlich hätten wir hier drinnen fliessendes Wasser», bestätigt Weibel. «Doch sind aktuell die Wasserleitungen gefroren.» Ein kunstvoll geschwungener, gläserner Fünfliterbehälter dient als Überbrückung. «Erst jetzt realisieren wir, wie viel Wasser man täglich braucht. Sei es nur, um sich schnell die Hände zu waschen», sagt Michel darauf. Das fehlende Wasser verkompliziert das Wohnen im Wagen etwas. Denn ohne Wasser fällt auch das Duschen im Wagen weg. «Auch, wenn wir hier dank des Durchlauferhitzers eigentlich heisses Wasser hätten», sagt Weibel und zeigt in Richtung der Duschnische, die mit silberner Folie tapeziert ist.

«Der Holzofen ist gleichzeitig Fluch und Segen. Es ist eine Hassliebe.»

Sophie Michel

Vor sich hin stinken muss das Paar dennoch nicht. «Meinen Eltern gehört der Hof gleich nebenan», erklärt Michel, «wir können also jederzeit deren Infrastruktur nützen», sagt sie. Und ergänzt: «Auch wenn es nicht wirklich toll ist, wenn man in der Nacht aufs Klo muss.» Um sich die 100 Meter zum Haus in solchen Fällen zu sparen, hat Weibel eine Biotoilette unweit des Wagens eingerichtet.

Aktuell scheint den beiden jedoch nicht das fehlende Fliesswasser Sorgen zu bereiten. Viel eher hatten sie bis vor Kurzem Mühe mit dem installierten Holzofen. «Der ist gleichzeitig Fluch und Segen. Es ist eine Hassliebe», sagt Michel. Denn der bedeutungsvolle, etwas ältere Wärmespender war nicht ganz dicht, hie und da entwich Rauch in den Raum. «Woran das lag, wissen wir nicht so genau. Vermutlich sind da mehrere Faktoren zusammengekommen.» Das Hauptproblem habe aber mittlerweile behoben werden können, erklärt Weibel erleichtert.

Fünf Liter Wasser fasst der Krug. Er ersetzt aktuell die nicht funktionierenden Wasserleitungen.

Fünf Liter Wasser fasst der Krug. Er ersetzt aktuell die nicht funktionierenden Wasserleitungen.

(Bild: wia)

Ein hartes Leben – und ein schönes

Seit fast einem Jahr wohnt das Paar im Wagen, den es selber, mit der Hilfe von Freunden, umgebaut hat. Davor wohnte Michel in der Stadt Zürich und Weibel in einer grossen Bauernhaus-WG in Dietwil. Dies ist der erste Winter, den die beiden im Wagen verbringen. Jedenfalls zum Teil. Im Dezember reiste das Paar gemeinsam mit Weibels zwei Söhnen für vier Wochen nach Brasilien.

«Klar können wir uns hier weniger aus dem Weg gehen, doch vielleicht lösen wir dadurch Themen schneller.»

Sophie Michel

Nun zurück zu sein in der Kälte, im Schnee, und im kleinen Bauwagen zu wohnen, sei hart, finden sie. Sie hätten die Situation wohl unterschätzt. Nicht, weil die engen Wohnverhältnisse mehr Streit verursachen würden. «Klar können wir uns hier weniger aus dem Weg gehen, doch vielleicht lösen wir dadurch Konflikte schneller», sagt Michel, während sie gedankenverloren aus dem Fenster blickt und mit beiden Händen ihre Teetasse umfasst.

Trotz aller Unannehmlichkeiten scheint den beiden Zugern das Leben auf solch kleinem Fuss zu behagen. «Diese Einfachheit hat schon etwas für sich. Wir lieben das Leben in diesem kleinen, wunderschönen Zuhause», so der Gärtner.

Die Utopie der ersten Schweizer Feigenplantage

Weibel hat ein eigenes Gartenbau-Unternehmen. Hier oben liegt an diesem Montagnachmittag Schnee. Unten in Zug jedoch wünscht sich bestimmt der eine oder andere Garten etwas Zuneigung. «Stimmt», erklärt Weibel schmunzelnd. Er arbeite nicht an allen Wochentagen, sagt er. Und seine Freundin erklärt: «Aurelio geniesst gern das Leben.»

«Ich hätte Lust, als Erster in der Schweiz eine Feigenplantage anzubauen.»

Aurelio Weibel

Etwa auch, in dem er Musik produziert in seinem Studio in Zug. Oder aber, indem er Ideen schmiedet. Manche davon sind ganz realistisch: «Ich habe mir überlegt, dass wir das Bienenhaus wieder in Betrieb nehmen könnten, das neben dem Wagen steht.» Andere dagegen etwas utopischer: «Ich hätte Lust, als Erster in der Schweiz eine Feigenplantage anzubauen.»

Denn Weibel ist überzeugt: «Das geht sicher! Was man bräuchte, wären Bäume, welche den kalten Wind abhalten. Ausserdem könnte man die Bäume im steinigen, ansonsten schwierig zu bearbeitenden Boden pflanzen.» Vielleicht wäre es einen Versuch wert, dem Bund einfach mal ein entsprechendes Konzept zuzustellen, überlegt der Gärtner laut.

16 Quadratmeter trautes Heim: Den Wagen haben Michel und Weibel selber ausgebaut.

16 Quadratmeter trautes Heim: Den Wagen haben Michel und Weibel selber ausgebaut.

(Bild: wia)

Der harte Menzinger Winter ruft Zweifel hervor

Michel beschäftigt sich weniger mit der Landwirtschaft. Die gelernte Schneiderin arbeitet aktuell mehrere Tage die Woche beim Kosmetikladen «Lush». «Die Frage, die meistens zuerst kommt, ist, wie ich es aushalte dort drin», sagt Michel. Der Laden riecht nämlich – das ist selbst für Passanten wahrnehmbar – ziemlich stark nach Seife. «Doch mir gefällt es super dort, denn ich kann zu hundert Prozent hinter den Produkten stehen, die ich verkaufe.» Der starke Seifengeruch falle ihr gar nicht mehr auf. Daneben arbeitet Michel in ihrem Schneideratelier und als Servicefachkraft.

Gerade hat sich das Paar darüber beraten, ob es sich für den kommenden Winter doch lieber einen Wagenplatz im Tal suchen sollte. «Die Sommer hier oben sind zwar wunderschön, aber der Winter macht uns schon zu schaffen», sagt Weibel. Und auch die Hühner, welche draussen unter ihrem mobilen Häuschen sitzen, scheinen nicht ganz so glücklich zu sein mit dem vielen Schnee.

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