Flugplatz Emmen: Fakten oder Zahlenspielereien?

5000 Kampfjet-Bewegungen und neue Fenster für Emmen

Divisionär Bernhard Müller stellt sich den Fragen der Medienschaffenden.

(Bild: les)

Statt 3800 Kampfjet-Bewegungen plant die Armee in Emmen schon bald deren 5000. Ausserdem können die Anwohner im Sommer auch am Wochenende mit Fluglärm rechnen. Als kleines Zückerchen will sich der Bund mit Schallschutzfenstern revanchieren.

«Kommunikations-Gau» titelte zentralplus diesen Freitagmorgen zum Militärflugplatz Emmen. Der Bundesrat hatte am Donnerstag neue Flugzahlen veröffentlicht und damit die Gemeinde, den Kanton und auch die Luftwaffe vor den Kopf gestossen. Letztere wollte die Infos nämlich am Donnerstagabend den Behörden und am Freitagmorgen an einer Pressekonferenz der Öffentlichkeit übermitteln.

Kleinlaut entschuldigte sich Jürg Nussbaum, Chef Kommunikation Luftwaffe, für die Informationspanne. «Im Sinne vollster Transparenz wollen wir Ihnen jetzt die Fakten liefern», begrüsste er die anwesenden Journalisten in den Räumlichkeiten des Militärflugplatzes. Angesichts der entstandenen Unklarheiten sicher keine schlechte Idee.

Divisionär Bernhard Müller, Chef Einsatz Luftwaffe, präsentierte die Ausgangslage. «Der Militärflugplatz Sion wird Ende 2017 geschlossen», erklärte er, «2016 gab es dort 938 F/A-18- und 2652 Tiger-Bewegungen.» Eine Bewegung entspricht immer entweder einem Start oder einer Landung und ein Flug beinhaltet dementsprechend zwei Bewegungen. Müller machte klar: «Die Schliessung von Sion hat Auswirkungen auf die anderen Flugplätze.»

Nicht mehr als 5000 Flüge

Konkret: «Es werden keine F/A-18-Bewegungen nach Emmen verlagert, diese gehen nach Payerne», so der Luftwaffen-Vertreter. Die Tiger-Bewegungen hingegen würden gesplittet. «Emmen wird 1000 Tiger-Bewegungen mehr pro Jahr erhalten.» Das bedeute zwei oder drei Tiger pro Tag, je ein Start und eine Landung. «Damit steigt die Anzahl der Jetflüge über Emmen auf maximal 5000», versprach Müller, was einem Anstieg von rund 20 Prozent entspräche. «Meine Aussage gilt für die Jahre 2018 bis 2021», gab Müller eine verbindliche Aussage ab. Was nachher komme, könne er heute unmöglich sagen. Die Anschaffung eines neuen Kampfflugzeuges stehe bekanntlich nach wie vor im Raum.

«Weiter werden die PC-21 künftig 1500 zusätzliche Flugbewegungen in Emmen absolvieren», so Müller. Diese Zahl war auch der Antwort des Bundesrates auf den Vorstoss der Luzerner SP-Nationalrätin Prisca Birrer-Heimo zu entnehmen und sorgte für reichlich Verwirrung. Fälschlicherweise wurden die 1500 Flüge mit dem einmotorigen Turboprop-Trainingsflugzeug PC21 wie Kampfjet-Flüge behandelt, was dazu führte, dass die falsche Zahl von 6500 Kampfjet-Flügen verbreitet wurde. Zusammengefasst finden in Emmen rund 20’000 Flugbewegungen pro Jahr statt – 5000 davon mit Kampfjets.

So sehen die Kampfjet-Bewegungen der Schweizer Luftwaffe aus:

Auch Wochenendflüge sind möglich

«Rund 54 Prozent der lärmintensiven Starts unserer Jets erfolgen über Emmen, der Rest über Inwil», erklärte Flugplatzkommandant Frédéric Ryff den Flugbetrieb. Die Wahl der Pistenrichtung hänge in erster Linie vom Wetter ab. «Bereits an zweiter Stelle steht allerdings die Rücksichtnahme auf Beerdigungen in der Lärmzone.»

Ebenfalls ändern werden sich die Flugzeiten. Die Luftpolizei der Schweizer Armee flog bisher nur zu den Bürozeiten, also montags bis freitags von 8 bis 18 Uhr, was ihr öffentlich einigen Spott einbrachte. «Seit diesem Jahr fliegen wir auch samstags und sonntags, ab 2019 bis 22 Uhr und ab 2021 während 24 Stunden, 365 Tage im Jahr», erklärte Ryff. Fluglärm künftig also auch am Wochenende? Ryff machte klar: «Falls die Luftpolizei starten muss, handelt es sich um sogenannte Blaulicht-Einsätze.»

Zudem ist die Luftpolizei grundsätzlich in Payerne stationiert. «Emmen kommt vom 3. bis zum 29. August zum Zuge», erklärt Ryff. «Wir gehen momentan davon aus, dass zwei bis drei Starts ausserhalb der ordentlichen Betriebszeiten realistisch sind.» Bisher ist es in diesem Jahr zu einem Einsatz am Wochenende gekommen. Eine F/A-18 eilte einem Cessna-Businessjet-Piloten zu Hilfe, als dieser im Cockpit Probleme mit dem Fahrwerk signalisierte (hier geht’s zur Meldung des VBS).

Der Flugplatzkommandant Oberst im Generalstab Frédéric Ryff bei seiner Präsentation.

Der Flugplatzkommandant Oberst im Generalstab Frédéric Ryff bei seiner Präsentation.

(Bild: les)

Schutzverband bleibt kritisch

Luzius Hafen, Präsident des Schutzverbandes, wohnte der Medienkonferenz gespannt bei. Er versuchte mehrfach seine Kritik in Fragen an die Sprechenden zum Ausdruck zu bringen. Hafen hatte gegenüber zentralplus angekündigt, dass der Verband bereit sei, sämtliche rechtlichen Mittel gegen die Erhöhung der Flugbewegungen auszunützen.

Im Nachgang zur Medienkonferenz versendete Hafen zudem eine Medienmitteilung und kritisierte die Zahlenspielereien der Luftwaffe. Der Schnitt der Kampfjet-Bewegungen über die letzten zehn Jahre betrage 2947 Kampfjet-Bewegungen. Die Zunahme entspreche demnach über 2000 pro Jahr. «Oder wenn man unbedingt mit Prozenten rechnen will: 70 Prozent», so Hafen.

Der Schutzverband-Präsident Luzius Hafen im Gespräch mit Flugplatzkommandant Ryff.

Der Schutzverband-Präsident Luzius Hafen im Gespräch mit Flugplatzkommandant Ryff.

(Bild: les)

Bund zahlt Emmern womöglich bald neue Fenster

«Wir sind uns bewusst, das Kampfjets nie der Lärmschutzverordnung entsprechen», räumte Bruno Locher, Chef Raum und Umwelt des VBS, ein. Deshalb erarbeite man nun Massnahmen gegen den Lärm. Werde man sich nicht einig, so könne das VBS die neuen Regeln verfügen, den Gegnern bliebe der Gang ans Bundesverwaltungsgericht, so Locher unzimperlich. Er schaut gelassen in die Zukunft. «In Payerne hatten wir vor einigen Jahren genau diesen Fall.»

Gemeinde Emmen reagiert kritisch

Der Gemeinderat Emmen kritisiert in einer Medienmitteilung die Kommunikation des VBS. Er bedauert, dass nicht alle Forderungen des Gemeinderates in den Sachplan Militär eingeflossen sind, begrüsst aber, dass es keine zusätzlichen F/A-18 Flugbewegungen und keine Nachtflüge mit Jets geben wird.

Weiter fordert er, dass durch die knapp 1100 zusätzlichen Jet-Bewegungen keine extremen Spitzenbelastungen entstehen. Die militärische Nutzung soll planbar, vorhersehbar und für eine Mehrheit der Wohnbevölkerung auch unter dem Aspekt der Lärmbelastung tragbar sein.

Locher erwähnte auch die Möglichkeit des Einbaus von Schallschutzfenstern. «In lärmsensiblen Nutzungen ist das eine Möglichkeit.» Bezahlt der Bund also allen Anwohnern neue Fenster? Locher sagt: «Man muss natürlich in einem gewissen Umkreis wohnen und der bereits bestehende Lärmschutz spielt auch eine wichtige Rolle – aber grundsätzlich ist das eine Möglichkeit.»

Zum Thema Lärm meinte der Chef Einsatz Luftwaffe, Bernhard Müller: «Es ist uns schon bewusst, dass das Lärmempfinden sehr unterschiedlich ist.» Ehrlicherweise müsse man anerkennen, dass die gemessene Lärmverteilung an einer SBB-Hochleistungsstrecke oder einer Autobahn höher ist. «Der Fluglärm ist nun mal ein emotionales Thema und die Betroffenheit ist gross», zeigte Müller sich der Problematik durchaus bewusst. Und Kommunikations-Chef Nussbaum ergänzte: «Leiser fliegen zu können, wäre toll. Aber unser Auftrag macht einfach Lärm.»

Divisionär Bernhard Müller, Chef Einsatz Luftwaffe, und Bruno Locher, Chef Raum und Umwelt VBS hören gespannt zu.

Divisionär Bernhard Müller, Chef Einsatz Luftwaffe, und Bruno Locher, Chef Raum und Umwelt VBS, hören gespannt zu.

(Bild: les)

Keine zusätzlichen Arbeitsplätze

Ebenfalls thematisiert wurde das Thema Arbeitsplätze. Der Kanton Luzern verlangte vom VBS, dass mit zusätzlichen Flugbewegungen auch zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen werden sollen (zentralplus berichtete). Diesem Wunsch wurde jedoch eine Absage erteilt. «Wir haben absolut keinen Spielraum beim Personal», erklärte Divisionär Müller. Der Bund habe einen Personalstopp, dieser gelte auch für die Armee. Man sei gar verpflichtet, 300 Stellen beim VBS abzubauen. Ob Emmen auch betroffen ist, konnte Müller nicht sagen. «Fest steht aber die grosse Bedeutung des Flugplatzes Emmen. Gemeinsam mit der Ruag gibt es hier 1700 Arbeitsplätze. Im Vergleich: In Payerne sind es 500.» Und man müsse sich keine Illusionen machen. Ohne den Flugplatz sei die Ruag undenkbar.

Der Justizdirektor des Kantons Luzern, Paul Winiker (SVP), zeigt sich auf Anfrage unzufrieden mit diesen Aussagen: «Ausdrücklich haben wir festgehalten, dass bei einem Anstieg der Flugbewegungen zusätzliche Ausbildungs- und Arbeitsplätze geschaffen werden müssen. Diese Zusage haben wir nicht erhalten.» Der Kanton werde weiter für diesen Punkte einstehen sowie auch für die Vermeidung von zusätzlichem Lärm. Nun müsse man aber erst das weitere Vorgehen in Absprache mit den betroffenen Gemeinden besprechen, so Winiker.

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Willi Vollenweider
    Willi Vollenweider, 17.02.2017, 18:20 Uhr

    Die Behörden, der Schutzverband und weitere einigermassen am Thema interessierte Kreise haben das selbstverständlich schon lange gewusst. Die irreführend mit «Weiterentwicklung» bezeichnete «Armeereform» hat nie verheimlicht, dass dadurch mehrere Militärflugplätze definitiv geschlossen werden (nicht nur Sion). Es wurde vom VBS nie in Abrede gestellt, dass in der Folge Meiringen, Payerne und Emmen jene Flugbewegungen bei sich aufnehmen müssen. Gegen diese Entwicklung wurde im vergangenen Jahr das eidgenössische Referendum ergriffen. Die Luzerner und Luzernerinnen hätten also sehr wohl die Möglichkeit gehabt, sich dagegen mit unseren demokratischen Mitteln zur Wehr zu setzen. Die 2’600 aus dem Kanton Luzern herrührenden Referendums-Unterschriften sind im Vergleich zu anderen Kantonen sehr wenig. Nachträglich der Bundespolitik und den Behörden Vorwürfe zu machen, halte ich für unsinnig. Das Referendum ist leider ganz knapp nicht zustandegekommen, sonst gäbe es die jetzige Aufregung nicht. Im weiteren haben alle bürgerlichen Bundesparlamentarier der «Weiterentwicklung» der Armee im eidgenössischen Parlament im März 2016 zugestimmt und haben damit die Verantwortung für den ansteigenden Fluglärm mitzutragen.

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