Luzern: Eine Autospur soll genügen

Ein Bus- und Velo-Highway über die Seebrücke

Autofreie Seebrücke? Dieses Bild wird auch weiterhin nur an Feiertagen und am Sonntagmorgen möglich sein. Doch das GVK will den Verkehr zumindest etwas eindämmen.

(Bild: Luca Wolf)

Freie Fahrt für Velos und Busse: Auf der Seebrücke und am Schweizerhofquai sollen sich Autos mit je einer Spur begnügnen. Das fordern Grüne und SP. Das sei problemlos machbar, ein Verkehrskollaps nicht in Sicht. Denn viele würden dadurch vom Auto aufs Velo umsatteln, glauben sie. Aber das ist nicht der einzige Grund.

Wer kennt die Situation nicht: Auf dem Fahrrad wird am Schwanenplatz manch einem mulmig zumute, wenn rechts der Bus und links die Autos vorbeibrausen. Trotz eigener Velospuren gilt die Strecke zwischen Seebrücke und Luzernerhof als gefährliches Pflaster, besonders für ungeübte Fahrer.

Nun sollen Velos gemeinsam mit den Bussen in beide Richtungen eine separate Spur erhalten. Zumindest, wenn es nach den Grünen und der SP geht, die ein entsprechendes Postulat eingereicht haben. Es bestehe dringender Handlungsbedarf, begründen sie, insbesondere was die Sicherheit für Velofahrer angeht. Da es sich um eine Kantonsstrasse handelt, solle sich die Stadt beim Kanton dafür einsetzen, dass den Autofahrern noch je eine Spur bleibt, den Velofahrern und Bussen die andere.

Ist das überhaupt machbar?

Eine eigene Spur für Velos und Busse – auf einer der am stärksten befahrenen Abschnitte der Stadt? Droht da nicht unweigerlich der Verkehrskollaps, zumindest zu Spitzenzeiten? «Nein, das glauben wir nicht», sagt Korintha Bärtsch, Fraktionschefin der Grünen und Co-Präsidentin von Pro Velo Luzern. Eine Umsetzung sei «ohne weitere Probleme» möglich.

«Viele trauen sich heute nicht, auf dieser Strecke das Velo zu nutzen, weil es ihnen zu gefährlich und zu eng ist.»

Korintha Bärtsch, Fraktionschefin Grüne

Dazu führt sie zwei Gründe ins Feld. Einerseits lasse eine sichere Veloverbindung mehr Menschen vom Auto aufs Velo umsteigen. «Viele trauen sich heute nicht, auf dieser Strecke das Velo zu nutzen, weil es ihnen zu gefährlich und zu eng ist mit den vielen Bussen und Cars», erklärt Bärtsch.

Doch würden tatsächlich mehr Leute das Auto in der Garage stehen lassen und aufs Zweirad umsatteln, wenn es sicherer wäre? Korintha Bärtsch jedenfalls glaubt an das Potenzial. Wer mit dem Auto über die Seebrücke fahre, bleibe meist innerhalb der Stadt Luzern. «Es handelt sich zum grössten Teil um innerstädtischen und nicht um Durchgangsverkehr», sagt sie und verweist auf das Monitoring Gesamtverkehr von Stadt und Kanton. Die Strecke vom Würzenbach in die Neustadt – um ein Beispiel zu nennen – könne man potenziell gut mit dem Velo absolvieren, so Bärtsch.

Wie viel Verkehr erwartet Luzern?

Ausschlaggebend für Grüne und SP ist aber ein weiterer Grund: Der Kanton plant als flankierende Massnahme zur geplanten Spange Nord sowieso eine separate Busspur zwischen Bahnhof und Luzernerhof. Das geht aus dem Vorprojekt zur Spange Nord hervor. Allerdings werden noch Jahre vergehen, bis es, wenn überhaupt, so weit sein wird. Denn erst wenn der Bypass die Innenstadt vom Durchgangsverkehr entlastet, soll es Platz geben für eine separate Busspur. Doch genau hier haken SP und Grüne ein.

Der Kanton geht davon aus, dass der tägliche Verkehr über die Seebrücke dereinst bei 38’100 Fahrten liegt. Das sind rund 1500 Fahrten mehr als 2015 (siehe Grafik) – und für die Linken der springende Punkt. «Wenn eine separate Busspur nach der Spange Nord möglich ist, müsste sie folgerichtig bereits heute möglich sein», sagt Korintha Bärtsch.

Sie stellt denn auch den Nutzen der Spange Nord angesichts dieser Berechnungen in Frage. Obwohl der Verkehr auf der Seebrücke seit Jahren abnehme, gehe der Kanton von einem Verkehrswachstum aus. «Es ist sehr unwahrscheinlich, dass die Verkehrszunahme, so wie sie der Kanton annimmt, eintreten wird, sagt Korintha Bärtsch. «Wenn es auf der Seebrücke schon heute weniger Verkehr hat, als dass die Spange Nord an Entlastung bieten kann, ist mir schleierhaft, wieso es die Spange Nord überhaupt braucht.»

 

 

Beim Kanton Luzern schweigt man sich vorerst über die Fragen aus. «Da es sich um ein Postulat zuhanden des Stadtrats Luzern handelt, möchten wir der Beantwortung durch den Stadtrat nicht vorgreifen», sagt Mirija Weber, Kommunikationsverantwortliche des zuständigen Bau-, Umwelt- und Wirtschaftsdepartements. Auf die konkrete Frage, wieso eine separate Bus-/Velospur nicht bereits jetzt möglich sein soll, gibt es daher keine Antwort.

Zwischen den Zeilen wird aber klar, dass der Kanton nicht gewillt ist, vom eingeschlagenen Weg abzukommen und einzelne Begleitmassnahmen zur Spange Nord vorzuziehen. «Um den Verkehr zu Spitzenzeiten verlagern zu können und damit Platz für eine durchgehende Busspur von Kupferhammer bis Luzernerhof zu schaffen, braucht es zuerst zwingend den Bypass Luzern und die Spange Nord», sagt Weber. Bis dahin verbessere das mit der Stadt Luzern erarbeitete Gesamtverkehrskonzept die Verkehrssituation im Agglomerationszentrum Luzern. Von einer separaten Bus-/Velospur auf der Seebrücke und am Schweizerhofquai ist dort aber keine Rede.

«Falls die Daten so stimmen, komme ich als studierter Verkehrsplaner zum Schluss, dass eine durchgehende Kombispur bereits heute machbar sein sollte.»

Jules Gut, Fraktionschef GLP

Zu hängigen Vorstössen nimmt die Stadt Luzern keine Stellung. Und was kann sie überhaupt ausrichten, handelt es sich beim Abschnitt doch um eine Kantonsstrasse? Dass der Handlungsspielraum begrenzt ist, dürfte auch den Postulanten klar sein. Für Korintha Bärtsch ist indes klar, dass es im Interesse der Stadt ist, wenn mehr Menschen auf den öffentlichen Verkehr oder das Velo umsteigen. «Die Stadt hat sich zum Ziel gemacht, den Veloanteil bis 2020 zu verdoppeln. Um das zu erreichen, braucht es genau solche Massnahmen wie eine kombinierte Bus-/Velospur.» Trotzdem ist klar: Ohne den Kanton im Boot dürfte der Vorstoss kaum umsetzbar sein.

Parallel auf Kantonsebene aktiv werden Grüne und SP jedoch nicht. Die Erfolgschancen im bürgerlich geprägten Kantonsrat wären laut Bärtsch «nicht all zu gross. Das wäre eine ideologisch gefärbte Diskussion.»

Bürgerliche halten am Fahrplan fest

Im Stadtparlament hingegen dürfte es spannend werden. Denn bei der GLP, mit der zusammen Grüne und SP über eine Mehrheit verfügen, stossen die Verkehrszahlen ebenfalls auf Interesse. «Falls die Daten zum Vorstoss so stimmen, komme ich als studierter Verkehrsplaner zum Schluss, dass eine durchgehende Kombispur tatsächlich bereits heute machbar sein sollte», sagt Fraktionschef Jules Gut (GLP). «Grundsätzlich wäre somit aus unserer Sicht eine ernsthafte Prüfung dieses Anliegens sicher angezeigt.»

Weniger Unterstützung ist von den bürgerlichen Fraktionen zu erwarten. Für FDP-Fraktionschefin Sonja Döbeli Stirnemann hat die Spange Nord klare Priorität. «Solange diese Entlastungsstrasse nicht gebaut ist, kommt für uns die Forderung der Grünen und der SP nicht in Frage, und wir werden den Vorstoss ablehnen.» Es sei Aufgabe der Politik, die Erreichbarkeit der Stadt zu garantieren – nicht nur für Velofahrer. «Die linke Mehrheit steht in der Gesamtverantwortung», mahnt sie. «Diese Verantwortung übersteigt die Masse der Velofahrenden.»

«Kombinierte Bus-/Velospuren bergen sicher ein wesentlich höheres Unfallrisiko als gut gezeichnete Velostreifen.»

Marcel Lingg, SVP-Fraktionschef

Auch von Seiten der CVP gibt es am vorgesehenen Zeitplan des Kantons und der Stadt nichts auszusetzen. Fraktionschefin Mirjam Fries sagt: «Das Postulat als solches braucht es aus unserer Sicht nicht.» Der Stadtrat setze sich seit Längerem für eine kombinierte Bus-/Velospur ein, das Anliegen sei denn auch im Agglo-Programm des Kantons bereits aufgenommen. Die CVP stehe zu den flankierenden Massnahmen der Entlastung durch die geplante neue Autobahnumfahrung. «Es ist für uns wichtig, dass an der Spange Nord die entsprechenden Verbesserungen vorgenommen werden, damit diese auch realisiert werden kann.»

SVP-Fraktionschef Marcel Lingg stellt hingegen den Sinn der Forderung in Frage. «Kombinierte Bus-/Velospuren bergen sicher ein wesentlich höheres Unfallrisiko als gut gezeichnete Velostreifen, vor allem auf Strecken, welche stark vom Bus befahren werden.» Zudem befürchtet er ein Verkehrschaos, wenn es für Autos enger wird. «Schon heute kollabiert das Verkehrssystem in der Innenstadt, wenn durch Pannenfahrzeuge oder Unfälle auf dieser Achse eine Fahrspur nicht zur Verfügung steht.» Auch dem Bus nütze es wenig, wenn er auf dieser Strecke freie Fahrt habe, aber bei der Zufahrt zu dieser Achse im Stau steht. «Hier fehlt mir aus Sicht der Postulanten eine Gesamtbetrachtung aller Verkehrsbeziehungen auch über die Achse Bahnhof–Luzernerhof hinaus.»

 

 

 

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