Bockstall lädt zur «Biennale» in der Kornschütte

«Verrückti Cheibe» mit einem Herz für Satire

Bockstall-Vereinigung 2015: Sonja Schroeter, Lotti Hegglin, Silvio Panizza, Urs Kraehenbuehl, Max Schaer, Edith Mueller-Crapp, Franz Fraeschu Heggli, Armida Levoni, Emanuel Ammon und Walter Mueller.

(Bild: Emanuel Ammon/AURA)

Silvio Panizza, Luzerner Fasnachtsurgestein und Herausgeber des «rüüdigen Fasnachtsfüerers», lädt zur ersten Bockstall-Biennale. Die gesellige und schräge Künstlergilde nimmt mit ihren Werken die Kornschütte in Beschlag – und so manchen Politiker aufs Korn.

Silvio Panizza und Max Schaer sind für den Finish besorgt in der Kornschütte. Obwohl: Eigentlich steht und hängt schon alles, fein säuberlich, aber auch etwas handgestrickt arrangiert. «Wir brauchen dann noch Ruhezeit vor dem Sturm», sagt der 75-jährige Panizza und lacht schelmisch. Der Sturm, das ist die Vernissage am Donnerstagabend. Dann wird die Bockstall-Biennale eröffnet, eine Art Best-of der skurrilen Luzerner Künstlervereinigung.

Manch gekonntes, akribisch genaues und witziges Gemälde hängt an einer der Stellwände. Sujets tauchen wiederkehrend auf: die Salle Modulable, die Museggtürme, der Pilatus, das «Buebezögli», das Abendmahl und natürlich die Fasnacht. Es sind die Sujets der vergangenen Ausstellungen der Truppe, die das Geschehen auf liebevolle, mit fast schon besessener Liebe fürs Detail und einer gesunden Portion Dilettantismus verulkt.

33 Böcke und keiner mehr

Bockstall? Da muss man etwas ausholen. Die ursprüngliche Gilde – der Ur-Bockstall – ist fast 100 Jahre alt. So hiess in den 1920er- und 30er-Jahren ein Bündnis von geselligen Persönlichkeiten, eine Vereinigung von Künstlern, vorwiegend aus der Fasnachtskunstszene. Doch nicht nur: Darunter waren auch Bäcker, Beamte, Baumeister, Wirte und Sekretäre. Ihnen gemeinsam war, dass sie Persönlichkeiten der Stadt Luzern mit ihren Fasnachtsausstellungen karikierten.

Biennale in der Kornschütte

Bockstall-Biennale 2017 – 23 Jahre vielfältige Bockstall-Kunst: 9. bis 19. Februar, Kornschütte Luzern. Vernissage: Donnerstag, 9. Februar, 18 Uhr. Begrüssung durch Katharina Hubacher (Präsidentin des Grossen Stadtrates) und Laudatio durch Silvio Panizza.

33 «Böcke» waren es damals, und dabei sollte es auch bleiben – Neumitglieder waren im Zusammenschluss nicht vorgesehen. So kam es, dass der Bockstall langsam ausgestorben ist.

Es musste 1994 werden und es brauchte Silvio Panizza, bis der Bockstall wieder auferstand. «Ich hatte die Geschichte gelesen und fand das eine ‹glatte› Sache», erzählt er. Also hat er die Vereinigung zusammen mit Künstlern wiederbelebt. Panizza ist heute der Oberehrenbock. Daneben gibt es sechs Ehrenkünstlerböcke im Verbund, insgesamt sind es zehn Mitglieder im Alter zwischen 50 und 80 Jahren.

Heute sind die Vorgaben nicht mehr so strikt, Frauen sind dabei – und Neumitglieder sind denkbar, wenn auch im Moment nicht. «Wir nehmen nicht einfach jeden, der gut malen kann. Auch die Chemie muss stimmen, er muss zu uns passen, weil wir doch eine spezielle Truppe sind», sagt Panizza.

Bockstall-Ausstellung zum Thema «Abendmahl» 2010. Auf dem Bild: Franz Heggli, Max Schaer, Urs Lindenmann, Kunststudentin Sonja Schmidli, Armida Levoni, Silvio Panizza, Edith Müller-Crapp,  Urs Krähenbühl.

Bockstall-Ausstellung zum Thema «Abendmahl» 2010. Auf dem Bild: Franz Heggli, Max Schaer, Urs Lindenmann, Kunststudentin Sonja Schmidli, Armida Levoni, Silvio Panizza, Edith Müller-Crapp,  Urs Krähenbühl.

Am Puls der Zeit

Zum 23-jährigen Bestehen des Bockstalls in der Neuzeit gibt es nun die erste «Biennale» in der Kornschütte. Bilder und Skulpturen – klassisch, fasnächtlich, satirisch, skurril oder surreal, so verspricht es die Einladung zur Ausstellung. Die Künstlervereinigung Bockstall war in den letzten Jahren äusserst aktiv und mit ihren Ausstellungen durchaus am Puls der Zeit.

Jedes Jahr gab’s seit 2011 eine Ausstellung im Stammlokal «Rebstock», kürzlich etwa zum Thema «Theatertraum geplatzt – Adieu Salle Modulable». Oder 2015 eine zum Gästival. Jeweils auf der Webseite witzig fotografisch dokumentiert vom Ehren-Künstlerbock Emanuel Ammon.

Der Oberehrenbock kann nicht malen

Zu sehen sind Bilder und Skulpturen der neun Bockstall-Künstler der Neuzeit, dazu kommen zwei Gastkünstler. Nur von Oberehrenbock Panizza gibt’s keine Gemälde, denn er selbst sieht sich nicht als Künstler. «Ich kann nicht malen, ich bin nur der Organisator und Künstler», sagt Panizza. Er war für den geschichtlichen Teil der Ausstellung zuständig: alte Zeitungsartikel und Dokumente aus der Gründerzeit, «etwas schräg aufgehängt, aber der Bockstall ist ja schräg».

 

Man sieht die Gründungsurkunde von 1994, aber auch Originalbilder von Ur-Bockställern der 20er- und 30er-Jahre. Satire, die selbst vor der damaligen eindeutigen Nazi-Symbolik nicht Halt machte, wie man auf einer Einladung des «Oberbocks» von 1933 sieht. Übrigens: Die Nachkommen der Ur-Böcke hatten nicht unbedingt Freude an der Wiederbelebung des Vereins, wie Panizza feststellen musste, «es kam damals mit ihnen kein Gespräch zustande».

Vorläufer der Pop Art

Der Fokus der Ausstellung liegt auf der Neuzeit – viele der ausgestellten Werke und Skulpturen stammen von Max Schaer, einem «Vorläufer der Pop Art», wie ihn Panizza liebevoll nennt. Sehr farbig, witzig und verspielt-satirisch sind seine Bilder. Es ist eine chronologische Abfolge von seinen Anfängen bis jetzt – 62 Jahre nach seiner ersten Ausstellung, wie er betont. «Ich bin je länger je farbenfreudiger geworden», sagt Schaer. Und auch satirischer und politischer, wie man den Bildern ansieht.

In Schaers Bildern bekommen alle ihr Fett weg: von François Hollande über Simonetta Sommaruga bis zur Luzerner Nacktkünstlerin Milo Moiré (siehe Galerie am Textende). Mit kindlicher Naivität nimmt er die Politiker genüsslich auf die Schippe. «Ich bin halt einfach en verrückte Cheib», sagt Schaer mit ansteckender Schadenfreude. Fotografieren lässt sich Schaer nicht gern, lieber lässt er seine Bilder sprechen.

Die Köpfe rollen auf diesem Bild von Max Schaer, etwa jender von Ex-Fifa-Boss Sepp Blatter.

Die Köpfe rollen auf diesem Bild von Max Schaer, etwa jender von Ex-Fifa-Boss Sepp Blatter.

(Bild: jwy)

Auf einem besonders schönen Bild kicken Fussballer statt mit Bällen mit Sepp Blatters und anderen Köpfen. «Ich meine das nicht gegen Fussball, aber Blatter ist mir einfach schon lange auf die Nerven gegangen», sagt Max Schaer.

Prominente Vorbilder

Die weiteren beteiligten Künstler sind Armida Levoni, Jean-Paul Anderhub, Edith Müller-Crapp, Sonja Schröter, Lotti Hegglin, Simone Krähenbühl, Urs Krähenbühl, Franz «Fräschu» Heggli, Walter Müller und Emanuel Ammon (siehe Bildgalerie am Textende). Zu sehen sind Tierporträts in königlichen Menschenposen, Aktmalerei, Papierschnitte oder Surrealistisches, das an Hieronymus Bosch erinnert von «Fräschu» Heggli. «Ich staune immer wieder, was er hinzaubert», sagt Panizza über Heggli.

Silvio Panizza neben seinem Lieblingsbild von Lotti Heggli: einer fasnächtlichen Adaption von Rudolf Kollers «Gotthardpost»

Silvio Panizza neben seinem Lieblingsbild von Lotti Heggli: einer fasnächtlichen Adaption von Rudolf Kollers «Gotthardpost»

(Bild: jwy)

Ebenfalls ein prominentes Vorbild hat Silvio Panizzas Lieblingsbild von Lotti Heggli: eine fasnächtliche Adaption von Rudolf Kollers «Gotthardpost», die kurzerhand mit dem Fritschiwagen verbunden wird. «Dieses Bild ist einfach sehr schön gemacht», sagt Panizza nun ganz ohne Ironie.

Auch eine Salle-Modulable-Persiflage ist von Lotti Heggli: Die Engelhorn-Millionen schwimmen die Reuss runter, Stefan Roth sagt Adieu und Marcel Schwerzmann sammelt Geld.

Lotti Heggli nimmt die Salle Modulable aufs Korn.

Lotti Heggli nimmt die Salle Modulable aufs Korn.

(Bild: jwy)

Emanuel Ammon schliesslich kennen in Luzern viele als Fotografen und Chronisten des regionalen Geschehens. Weniger bekannt dürfte sein, dass der ehemalige Kunstgewerbler Ammon wieder verstärkt als Künstler aktiv ist. Das beweisen seine Ölgemälde in der Ausstellung. «Er hat die Malerei neu entdeckt, wir haben das zuvor auch nicht gewusst, aber er kann etwas, er ist wirklich talentiert», sagt Panizza.

Fasnacht und FCL

Dass die Ausstellung kurz vor der Fasnacht stattfindet und diese auf den Bildern immer wieder auftaucht, ist kein Zufall. Silvio Panizza hat zwei Leidenschaften: die Fasnacht und den FCL. Seit 1973, also seit 45 Jahren, gibt er ohne Ausnahme und ohne Unterbruch jährlich «De rüüdig Fasnachtsfüerer» heraus, auch dieses Jahr wieder und er war Gründer der legendären Tschäderi-Bumm-Bälle. Die wilden Fasnachtszeiten hat er inzwischen hinter sich gelassen, doch Panizza ist Mitglied der Safranzunft und dieses Jahr Ehrengast am grossen Empfang des Luzerner Fasnachtskomitees LFK.

Der Bockstall in der Kornschütte, das ist ein Wiedersehen. Schon 1995 gab es eine Ausstellung hier. «Da wurde recht konsumiert: 800 Liter Rosé, 600 Liter Weisswein und 1000 Käseküchlein», erinnert sich Panizza. Wird es 22 Jahre später wieder so viel? «Wir haben uns vorbereitet», sagt Panizza nur und schmunzelt vielsagend.

Die wildesten Zeiten scheinen die «Böcke» zwar hinter sich zu haben, aber den Humor haben sie nicht verloren.

Mehr Bilder der Ausstellung in der Galerie:

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