Maskentheater Mummenschanz im KKL

Maskenparade von Komik bis Groteske

Masken und abstrakte Figuren prägen die Auftritte der fünfköpfigen Theatergruppe Mummenschanz.

(Bild: Pierre-Antoine Grisoni )

Sprühend vor Phantasie, Innovation und Poesie überzeugte die berühmte visuelle Theatertruppe Mummenschanz gestern im KKL. Vor ausverkauften Rängen gefiel das Stück mit seinen oft einfachen, aber überdimensionierten Figuren von prächtiger Eleganz und zartem Witz.

Engelsgleich schweben monströse und zugleich zarte Quallen über die Theaterbühne und öffnen den Weg in eine surreale märchenhafte Welt. Kindlich, ja, unschuldig muten die farbenfrohen Bilder an, welche diese Wesen dabei produzieren. Gestalten aus der Tierwelt wie Fische, Seepferdchen und Schwäne oder seltsame Phantasiegeschöpfe etwa in Form von lebendig gewordenen Instrumenten oder blosse Abstrahierungen von Gesichtern erzählen lauter kleine Anekdoten, die in einer Sprache ohne Worte zu verstehen sind.

Umso komischer ist der Überraschungseffekt, wenn doch plötzlich ein echter Mensch zum Hauptakteur wird. 

Die transportierten Gefühle einer Qualle, die mit einem Brunfttanz ihre Artgenossin beeindrucken möchte und stattdessen nichts als Verachtung erntet, ist universal unmissverständlich. Ebenso gut nachfühlen kann offenbar so Mancher im Publikum den Frust eines geigenköpfigen Herren, der von seiner Angebeteten und ihrer saitenzupfenden Sprachgewalt förmlich übertönt und verdrängt wird. Erst das Einschreiten eines Metronoms verhilft den beiden zum harmonischen Zusammenspiel.

Pferdekopf verselbständigt sich

Aktiver Part der Darbietung bildet der Zuschauerraum jedoch nicht nur als Resonanzkörper, dessen Lacher und leise Zwischenkommentare sich zufällig und doch gewollt zum Bühnengeschehen gesellen. Vielmehr werden dem Publikum auch echte Bälle zugespielt. Zwei riesige, bereits aus älteren Vorführungen bekannte Raupen erwarten nämlich die Teilnahme der KKL-Besucher an ihrem vergnüglichen Zeitvertreib mit einem Ballon.

Ein Frosch betritt die Bühne.

Ein Frosch betritt die Bühne.

(Bild: Marco Hartmann)

Meist im Verborgenen bleibt der körperliche Kraftakt der von Kopf bis Fuss in Schwarz gekleideten Mitglieder der fünfköpfigen Theatergruppe hinter dem Gebotenen während des ganzen Abends. Umso komischer ist der Überraschungseffekt, wenn doch plötzlich ein echter Mensch zum Hauptakteur wird. Selbstironisch inszeniert wird das Spiel zwischen Autonomie und Abhängigkeit der künstlichen Figuren: Etwa, als ein Pferdekopf sich verselbständigt, von der Bühne hüpft und sein Meister wie ein entblösster Puppenspieler für den Zuschauer verzweifelt seiner Kreatur hinterherrennt.

Gesellschaftskritischer Unterton tritt deutlich hervor

Das Spektrum der vermittelten Emotionen ist gross. Wer das Maskentheater Mummenschanz kennt, weiss um die erstaunliche Vielfalt an Ausdrucksmöglichkeiten, die alleine mit einer stummen, ausgestopften Hand als menschlichem Ganzkörperkostüm gegeben ist. Die seit 2015 neu formierte und verjüngte Künstlergruppe unter der Leitung von Gründungsmitglied Floriana Frassetto schlägt jedoch auch dunklere und an die heutige Zeit angeknüpfte Kapitel auf.

So stehen einander auf einmal zwei aus Lehm geformte Masken gegenüber, beginnen mit den eigenen Händen, ihr Gesicht zu verformen, nehmen sich Knetmasse dazu und gestalten ihr Äusseres zu immer abstruser mutierenden Fratzen. Der gesellschaftskritische Unterton tritt bei dieser Nummer deutlich hervor, wenn ein pornographisch wirkender aufgedunsener Frauenmund in die Visage ihres männlichen Gegenspielers blickt, der seine Nase zur phallischen Übergrösse herangezogen hat. Von plötzlicher Wut erfüllt, überschreiten die beiden Figuren den Wunsch nach Selbstoptimierung und beginnen damit, den jeweils anderen stetig gewaltsamer zu bearbeiten, bis zur völligen Zerstörung beider Gesichter.

Solche und andere überraschende Wendungen vom Komischen ins Groteske sind es, die nachhallen und dem Theater seinen über den fröhlich-karnevalistischen Maskentanz hinausreichenden und sehenswerten Facettenreichtum verleihen.

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