Luzerner Regierung schafft «provisorische Lösung»

Kanton zahlt die Prämienverbilligungen nun doch aus

Der Luzerner Sozialdirektor Guido Graf steht im medialen Fokus.

(Bild: guidograf.ch)

Eine gute Nachricht für fast 80’000 Luzerner: Die Prämienverbilligung soll provisorisch ausbezahlt werden. Die Regierung geht dabei auf die Vorstösse aus dem Kantonsrat ein, weist aber die Verantwortung für die aktuelle Situation von sich.

Um die Prämienverbilligungen 2017 so bald wie möglich auszahlen zu können, soll die geltende Verordnung geändert werden. Der Regierungsrat will auf Basis der Werte vom Vorjahr die Vergünstigungen berechnen. Weil kein definitives Budget vorliegt, kann die Prämienverbilligung nicht ausgezahlt werden (zentralplus berichtete). Nun wird der Kanton 75 Prozent des errechneten Betrages freigeben.

Dieser Betrag soll die Monate Januar bis September abdecken – dies ist der Zeitraum des budgetlosen Zustandes, falls das Volk dem SVP-Referendum zustimmen würde und der Regierungsrat ein neues Budget vorbereiten muss. Der Kanton meldet den Krankenkassen die Zeit, für welche die Prämienverbilligung ausbezahlt wird, in Monaten. Deshalb können die Krankenkassen die Verbilligungen nicht auf das ganze Jahr anrechnen. Somit soll der Gang aufs Sozialamt trotz der neuen Lösung verhindert werden.

Bislang galt: Kein Budget – kein Geld

Der Kantonsrat hat im Dezember den Steuerfuss von 1,6 auf 1,7 Einheiten erhöht. Nach Luzerner Steuergesetz untersteht diese Erhöhung dem Referendum. Die SVP sammelt momentan Unterschriften. Es wird voraussichtlich im Mai zu einer Volksabstimmung kommen. Bis dahin hat der Kanton kein rechtskräftiges Budget.

Davon sind bis dato auch die Prämienverbilligungen betroffen: Bis zum definitiven Budget kann die Prämienverbilligung nach geltender Gesetzgebung – so die bisherige Haltung der Regierung – nur an Sozialhilfe- und Ergänzungsleistungsempfänger ausbezahlt werden. Sämtliche andere Bezüger sind Fälle mit sogenannt «ordentlichem Anspruch» auf Vergünstigungen. Dabei handelt es sich um rund 77’000 Personen, die diesen Anspruch hätten, aber dennoch die volle Prämie zahlen müssen. Dies führte zu erheblichen Problemen bei Betroffenen (zentralplus berichtete).

Mit dieser Lösung reagiert die Regierung auf die zwei kürzlich eingereichten Motionen: jene von Jörg Meyer (SP) sowie jene von Helen Schurtenberger (FDP). Beide fordern die sofortige Berechnung und Auszahlung der Prämienverbilligung. Auch Marlis Roos (CVP) forderte eine schnelle Lösung. Weiter müssten, so Roos, die parlamentarischen Abläufe grundsätzlich hinterfragt werden, damit der Kanton mit rechtskräftigem Budget in das Jahr starten könne. Zusätzlich zu diesen Vorstössen gab es mehrere Anfragen, welche die Regierung beantwortete.

Eine weitere Motion von Jörg Meyer forderte, dass die gesetzlichen Grundlagen so geändert werden, dass auch die Prämienverbilligung der Personen mit «ordentlichem» Anspruch (siehe Box) immer ausbezahlt werden können. Dies, auch wenn kein definitives Budget vorliegt. Diese Motion wurde diesen Montagnachmittag im Kantonsrat mit 55 zu 49 Stimmen als Postulat an die Regierung überwiesen.

Mehrere Motionen forderten Auszahlung

Der Rat stimmte der Überweisung von Jörg Meyers Motion als Postulat mit 101 zu 8 Stimmen zu, jener von Helen Schurtenberger mit 90 zu 18 Stimmen. Damit ist der Weg für die Regierung frei, ihre vorgeschlagene Lösung umzusetzen. Jörg Meyer kritisierte die bisherigen Zustände als «untragbar».

Helen Schurtenberger äusserte Bedenken über die Mehrkosten, welche bereits jetzt aufgekommen seien. Als Beispiel nennt sie die verschickten Briefe durch die Ausgleichskasse. Man wisse noch nicht, wer diese Ausgaben zahlen soll. Ausserdem befürchtet Schurtenberger Mehrkosten für die Gemeinden, wenn Personen auf die Liste der säumigen Prämienzahler gesetzt würden.

Die Regierung wälzt Verantwortung auf Kantonsrat ab

Die Regierung lässt durchblicken, dass am Theater um die Prämienverbilligungen der Rat selber Schuld trägt. Denn: Die vom Parlament letzten Dezember beschlossene Steuerfusserhöhung untersteht dem fakultativen Referendum. Dass davon die Auszahlung der Prämienverbilligung bis im Juni beeinträchtigt sein könnte, sei dem Kantonsrat bekannt gewesen. «Trotzdem hat Ihr Rat davon abgesehen, den Steuerfuss dem obligatorischen Referendum zu unterstellen, was zu einer Verlängerung des budgetlosen Zustands führen dürfte», so die Antwort der Regierung auf Meyers Motion. Mit dem obligatorischen Referendum wäre es schneller zu einer Abstimmung über den Steuerfuss gekommen, weil die Frist für die Unterschriftensammlung weggefallen wäre.

«Es ist unglaublich, dass es eine öffentliche Aussage eines Rechtsprofessors und mehrere Vorstösse braucht, damit die Regierung über ihre Nase hinaus denkt.»

Katharina Meile, Kantonsrätin Grüne

SP-Kantonsrat Jörg Meyer

SP-Kantonsrat Jörg Meyer

(Bild: zvg)

Anders sieht dies die grüne Kantonsrätin Katharina Meile. Für sie ist klar, dass die Regierung selber für die Zustände verantwortlich sei. «Es ist unglaublich, dass es eine öffentliche Aussage eines Rechtsprofessors und mehrere Vorstösse braucht, damit die Regierung über ihre Nase hinaus denkt.» Die Lösung sei nun «ein kleiner Lichtblick für den Kanton Luzern».

Auch SP-Kantonsrat Giorgio Pardini kritisiert die Regierung und die Mehrheit des Rates, dass das obligatorische Referendum nicht ergriffen worden sei. Die Regierung hätte auf das Referendum «pochen» sollen.

Künftig soll diese Situation verhindert werden

Meyers Motion zur Änderung der Gesetzesgrundlagen wurde ebenfalls knapp angenommen – das ist bei der bürgerlichen Regierung Luzerns doch eher erstaunlich. Der zuständige Regierungsrat Guido Graf (CVP) hatte in der Diskussion argumentiert, eine Gesetzesänderung verringere den Spielraum für die «finanzpolitischen Steuerung» des Kantonsrats, wenn die Prämienverbilligungen zur «gebundenen» Ausgabe für den Kanton werden. Graf räumte zum Ende seiner Ansprache ein: «Wir müssen uns Überlegungen machen für die Zukunft, denn so eine Situation ist unangenehm.» Dennoch empfahl die Regierung, die Motion abzulehnen.

«Wir sind der Meinung, dass das Thema unnötig hochgespielt worden ist.»

Räto Camenisch, Kantonsrat SVP

Meyer setzte dem entgegen: «Es gibt klar andere Wege als den, welcher die Regierung vorschlägt.» Die Ausgaben müssten nicht zwingend als «gebunden» deklariert werden: Meyer denkt an Teilauszahlungen und -berechnungen oder sogar an eine Festlegung der Parameter bereits im Vorjahr. Dies werde in anderen Kantonen so praktiziert. Damit konnte er auch einen Teil des bürgerlichen Lagers von seiner Motion überzeugen.

SVP-Kantonsrat Räto Camenisch meinte: «Wir sind der Meinung, dass das Thema unnötig hochgespielt worden ist.» Trotzdem sei die SVP-Fraktion einverstanden mit der von der Regierung vorgeschlagenen Lösung. Jedoch stimmte die SVP gegen Jörg Meyers Motion zur Änderung der gesetzlichen Grundlagen. Dies solle nicht «häb-chläb» geschehen, sondern müsse «im ganzen Kontext» betrachtet werden.

Grösserer Aufwand wegen fehlendem Budget

Die Regierung bestätigt auf eine eingereichte Anfrage, dass auf die Ausgleichskasse ein Mehraufwand von 350’000 Franken zukommt. Sollte eine Neuberechnung nötig werden – weil die Bevölkerung die Steuerfusserhöhung ablehnt –, wären es sogar 700’000 Franken. Die Hälfte dieser Kosten tragen die Gemeinden. «Der administrative Aufwand erhöht sich bei jedem budgetlosen Zustand», sagte der parteilose Regierungspräsident und Finanzdirektor Marcel Schwerzmann.

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