Das sind die Folgen für den Kanton Luzern

Steuergeschenke dank USR III: Sogar Unternehmer warnen

Am 12. Februar stimmte das Schweizer Stimmvolk mit klarem Nein über die Unternehmenssteuerreform III ab.

(Bild: les)

Die Meinungen zur Unternehmenssteuerreform III und zur grundsätzlichen Tiefsteuerstrategie des Kantons Luzern gehen weit auseinander. Interessanterweise äussern sich nicht nur Linke kritisch, auch Unternehmer sehen eine Grenze erreicht. Finanzdirektor Marcel Schwerzmann macht derweil eine Prophezeiung.

Unternehmenssteuerreform III? «Sehr kompliziert», «wahnsinnig komplex», «niemand kennt die genauen Folgen». Egal, ob Befürworter oder Gegner: Hinter diesen Aussagen stehen grundsätzlich alle. Es ist momentan das Thema, welches den politischen Alltag des Landes prägt: die USR III.

Worum gehts? Die Schweiz muss auf internationalen Druck die Steuerprivilegien für internationale Firmen abschaffen. Diese bis anhin privilegierten Firmen werden in Zukunft wie alle anderen Unternehmen besteuert, in einem ersten Schritt steigt also deren Steuerbelastung. Um einen Wegzug dieser Firmen und damit der Verlust von Arbeitsplätzen und grosse Steuerausfälle zu verhindern, werden viele Kantone ihre Unternehmenssteuern senken.

«Die Kunst liegt darin, die Instrumente richtig einzusetzen.»

Marcel Schwerzmann

Zudem hat die bürgerliche Mehrheit in Bundesbern Steuer-Instrumente geschaffen, welche weitere Steuerentlastungen für Firmen ermöglichen: Patentboxen, Steuerabzüge für Forschung und Entwicklung und zinsbereinigte Gewinnsteuern heissen die Stichworte (siehe Box).

Im Video wird die komplizierte Vorlage durch «easyvote» einfach erklärt: 

 

Luzern als «exemplarisch negatives» Beispiel

Das steckt in der «Tool-Box»

Patentbox: Erzielt ein Unternehmen «Gewinn aus Patenten», so könnte dieser zukünftig steuerlich um bis zu maximal 90 Prozent entlastet werden. Wo diese Grenze festgesetzt wird, können die Kantone entscheiden.

Inputförderung: Die Kantone können festsetzen, dass die Ausgaben für Forschung und Entwicklung künftig von den Steuern abgezogen werden können. Dieser Abzug darf maximal 150 Prozent der tatsächlichen Kosten betragen.

Zinsbereinigte Gewinnsteuer: Künftig berechnet man auf das übermässige Kapital der Unternehmen einen fiktiven Zins. Dieser kann vom Gewinn abgezogen werden. Der Bund legt die steuerfreie Höhe anhand seines Zinses fest.

«Der Kanton Luzern ist weniger betroffen als andere», sagt Finanzdirektor Marcel Schwerzmann, «der Anteil von privilegiert besteuerten Firmen ist tief, und die Senkung der Firmensteuern haben wir schon hinter uns.» Andere Kantone müssten sich die steuerliche Attraktivität nun teuer erkaufen. «Diese Ausfälle haben wir nicht. Im Gegenteil, weil der Anteil an den direkten Bundessteuern erhöht wird, werden wir profitieren.» Ab 2019 rechnet Schwerzmann auf Basis der heutigen Bundessteuereinnahmen mit Mehreinnahmen von 33 Millionen Franken.

Kantonsrat Michael Töngi (Grüne) ist ein klarer Gegner der Reform. «Es ist eine völlig überladene Vorlage. Hier werden Steuergeschenke an Unternehmen gemacht», sagt er. «Klar, andere Kantone sind viel stärker betroffen, aber das Beispiel des Kantons Luzern zeigt doch exemplarisch, wohin diese Tiefsteuer-Strategie führt.» Töngi verweist auf die anhaltende Spardiskussion und die finanzielle Lage des Kantons.

Unternehmer sind sich uneinig

Und wie sehen es die Unternehmen? An einer Podiumsveranstaltung der Industrie- und Handelskammer warf Teilnehmer Günter Schäuble vom Grosskonzern Schindler die Frage auf, wieso man von Steuergeschenken spreche, die Grosskonzerne würden in Zukunft ja stärker besteuert.


 

Trotzdem ist Schäuble ein klarer Befürworter der Vorlage. Er erklärt auf Anfrage: «Ein Nein wäre schlecht, weil wir uns dann auf Repressalien aus dem Ausland gefasst machen müssen.» Die Reform nehme grossen Druck vom Wirtschaftsstandort Schweiz und führe zu Rechtssicherheit. «Mit der USR III kann die Schweiz ihre Spitzenposition im internationalen Wettbewerb behalten.»

Da der Kanton Luzern bereits sehr tiefe Unternehmenssteuern habe, würden die Folgen für diesen eher gering sein, sagt Schäuble. Und mögliche Umsetzungen in den Kantonen müssten immer die politischen Hürden im Kanton nehmen, in letzter Instanz könnte das Volk in jedem einzelnen Kanton entscheiden. Aus Unternehmersicht sei eine weitere Entlastung in Luzern gar nicht mehr notwendig. «Ich denke, die in der USR III vorgesehenen Ersatzmassnahmen, wie Patentbox oder Zinsabzug auf das Eigenkapital sollten nicht oder nur insoweit eingesetzt werden, um den Status quo für die Unternehmen zu erhalten.»

«Mit dieser Reform schaffen wir ein Schlaraffenland für Steuerberater.»

Dominique Becht, Vorstandsmitglied Luzerner Unternehmen

Es sind interessante Sätze, die Schäuble von sich gibt. «Wir müssen aufpassen, dass wir kein Dumping betreiben. Irgendwann ist eine Grenze erreicht.» Mit der heutigen Strategie fahre der Kanton gut. «Aus Unternehmersicht sind Steuern wichtig, andere Faktoren wie Infrastruktur oder Bildung aber auch.» Mit den Mitteln, die durch die Erhöhung des Kantonsanteils an der direkten Bundessteuer den Kantonen zufliessen, habe der Kanton Luzern auch die Möglichkeit, sich dort weiterzuentwickeln.

Eine gewisse Reduktion der Mehrsteuern, die Schindler erwartet, könnten die Instrumente durchaus bringen, wie Schäuble anhand der Patentboxen erklärt. Wie genau die Patentbox allerdings ausgestaltet würde und wie Schindler im Detail von steuerlichen Entlastungen profitieren könnte, ist für Schäuble aktuell noch unklar. «Da insbesondere zu erwarten ist, dass das Ausland diese Patentbox sehr kritisch prüfen wird, ist für uns sogar in Frage zu stellen, ob wir uns überhaupt darum bemühen würden.»

Gegner kritisieren den Steuerwettbewerb grundsätzlich

Die klassischen Wirtschaftsverbände unterstützen die USR III – anders der alternative Verband «Luzerner Unternehmen». Vorstandsmitglied und selbständiger Unternehmer Dominique Becht fasst die Verwirrung um die Ausgestaltung der Instrumente zusammen: «Mit dieser Reform schaffen wir ein Schlaraffenland für Steuerberater.» Profitieren würden nur die Grossen. «Viele KMU zahlen kaum Steuern.» Becht sorgt sich, dass Kleinstunternehmer als Privatpersonen später die Zeche für die Reform zahlen müssten.

Dass sich in Luzern unter dem Strich gar nicht viel ändert, ausser dass man höhere Beiträge vom Bund erhält, könne sein, meint Becht. Aber: «Unser Steuerwettbewerb wirft doch grundsätzliche Fragen auf. Wir befinden uns in einem klassischen Race-to-the-bottom.» Er meint, dass sich die Spirale immer weiter drehe und sich die Kantone mit immer tieferen Steuern unterbieten würden.

«Kaum werden die ersten Kantone mit Dumping-Steuern um die Unternehmen kämpfen, wird es auch in Luzern heissen, wir müssten mitziehen.»

Michael Töngi, Kantonsrat Grüne

«Für die Unternehmen sind die Steuern nicht alles. Und es ist an der Zeit, dass auch die Grosskonzerne eine soziale Verantwortung übernehmen», mahnt Becht. In dieser Form sei die Vorlage eindeutig überladen. Unterstützung erhält Becht auch von seinem politischen Verbündeten Michael Töngi. Dieser ist überzeugt, dass mit den neuen Instrumenten – Töngi spricht von einer Blackbox – der Steuerwettbewerb weiter angeheizt wird.

«Wir wollen keine Steuersenkungsrunde»

«Kaum werden die ersten Kantone mit Dumping-Steuern um die Unternehmen kämpfen, wird es auch in Luzern heissen, wir müssten mitziehen», sagt Töngi. Der Rest sei bekannt. «Die Unternehmen bezahlen nochmals weniger Steuern und die Zeche müssten dann ein weiteres Mal wir alle bezahlen. Mit höheren Steuern für alle und einem weiteren Leistungsabbau mit Kürzungen der Prämienverbilligung oder Zwangsferien.»

Dass es so herauskommen wird, bestreitet Finanzdirektor Marcel Schwerzmann vehement: «Wir wollen keine Steuersenkungsrunde.» Der Kanton Luzern habe schon im Vorfeld klug gehandelt, ist er überzeugt. Die Instrumente sollen «zurückhaltend» eingesetzt werden. Ist das überhaupt möglich? Schwerzmann erklärt: «Die Kantone müssen die Patentbox einführen, die Höhe der Entlastung liegt aber ganz klar in den Händen der Kantone.» Bei der Patentbox etwa könnten maximal 90 Prozent des aus Patenten erwirtschafteten Gewinns steuerbefreit sein. «Viel eher werden wir die Schwelle aber bereits bei zehn Prozent ansetzen», prophezeit der Finanzdirektor. «Die Kunst liegt darin, die Instrumente richtig einzusetzen. Wir wollen das Optimale, nicht das Maximale», hält er fest.

Schwerzmann erkennt kritische Punkte

Während Schwerzmann in der Debatte zu den Luzerner Unternehmenssteuern alle Argumente der politischen Linken zerzauste, zeigt er sich bei der USR III erstaunlich verständnisvoll. Dass man mit der zinsbereinigten Gewinnsteuer einen Steuerabzug machen kann, obwohl keine Kosten entstehen, findet er fragwürdig: «Es stimmt, dieses Instrument ist systemfremd.» Anfänglich habe er es auch abgelehnt, mittlerweile akzeptiere er es aber innerhalb des Gesamtpaketes. «Man hat einige schlimmere Punkte aus der Vorlage genommen.»

Bedenken bezüglich der Patentbox sind für ihn ebenso nachvollziehbar. Je nach Ausgestaltung könnten zusätzliche Unternehmen darüber hinaus entlastet werden. «Der Trittbrett-Effekt kann hoch werden.» Das gelte es zu verhindern. «Das heutige Steuer-Setting des Kantons ist gut. Es ist aus meiner Sicht überhaupt kein Muss, viel daran zu verändern.»

Fazit

Es lässt sich festhalten: Eine Annahme der USR III würde bezüglich Firmensteuern im Kanton Luzern wohl eher wenig verändern. Die höheren Bundesbeiträge in der Staatskasse wären dagegen sicherlich willkommen. Es sind Grundsatzfragen, die in diesem Abstimmungskampf thematisiert werden. Und die Argumente beider Seiten lassen sich begründen. Am 12. Februar wissen wir mehr.

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